So sehen Geologen die Chancen für ein Atom-Endlager

Müssen sich die Menschen im Landkreis Görlitz und im südlichen Brandenburg sorgen, dass hier künftig hoch radioaktiver Abfall im Boden versenkt wird? Aus geologischer Sicht wäre es zumindest denkbar, dass ein Standort in einem weiten Areal um Löbau herum oder im südlichen Brandenburg künftig Endlagerstätte sein könnte.
Das sagt das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfLUG). Es prüfte den Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zu den Teilgebieten in Sachsen, die für eine Endlagerstätte für hoch radioaktive Abfälle infrage kämen. Der Geologische Dienst des Landesamtes kam zu dem Schluss, dass die Region um Löbau eine geologisch günstige Gesamtsituation bietet. Sie sei plausibel. Damit bleibt das Gebiet wegen des vorherrschenden Granitbodens weiter im Rennen bei der Suche nach einem geeigneten Territorium. Etwas südlich von Löbau wurden einige Gebiete von der BGE aufgrund aktiver Störungszonen ausgeschlossen.
Geologisch sogar noch etwas günstiger wird das Gebiet im südlichen Brandenburg, zu dem der (in der Karte grüne) Zipfel bei Bad Muskau gehört, bewertet. Hier befindet sich laut den Untersuchungen 400 bis 1500 Meter unter der der Oberfläche Tongestein mit einer Mächtigkeit mit bis 1.200 Metern. Neun der elf geowissenschaftlichen Kriterien wurden hier als günstig bewertet, in den fast 2.000 aus geologischer Sicht infrage kommenden Quadratkilometern lasse sich wohl ein zehn Quadratkilometer großer Bereich finden, in dem auch die beiden anderen Kriterien erfüllt sind, heißt es sinngemäß. „Die Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien lässt daher insgesamt eine günstige geologische Gesamtsituation für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten“, heit das wörtliche Fazit für dieses Gebiet.
Jetzt geht es um die Geologie
Geplant ist, ein atomares Endlager für Deutschland im Jahr 2050 in Betrieb zu nehmen. Wo, ist völlig offen. Erst 2031 sollen Bundestag und Bundesrat über einen Standort in Deutschland abstimmen. Bis dahin werden mögliche Standorte erfasst und geprüft. Auf dem langen Weg bis zur Entscheidung werden die Standorte sowohl über Tage als auch unter Tage untersucht.
Zunächst geht es „nur“ um die geologische Beschaffenheit der Standorte. Die Oberlausitz mit ihren umfangreichen Granitvorkommen wird dabei als mögliche Endlagerstätte gesehen. Das gab die Bundesgesellschaft für Endlagerung im vergangenen September bekannt. Jetzt prüfte der Freistaat Sachsen, ob die damals von der BGE ausgewiesenen Teilgebiete mit einer Gesamtfläche von 11.526 Quadratkilometern tatsächlich geeignet sind.
Die fachliche Prüfung durch den Staatlichen Geologischen Dienst des LfULG ergab, dass 6.155 Quadratkilometer dieser Gesamtfläche nicht die erforderlichen Kriterien nach dem Standortauswahlgesetz erfüllen. In diesen ausgewiesenen sächsischen Arealen kommen die Wirtsgesteine Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein, darunter Granit, nicht vor. Aber gerade die seien für die Lagerung von hoch radioaktiven Abfällen geeignet. Damit reduziert sich die geeignete Fläche im Freistaat Sachsen von 62 auf 29 Prozent, wenn die Prüfung durch das Landesamt berücksichtigt würde.
Den Kreis nicht überfordern
Auch wenn die Oberlausitz und das südliche Brandenburg für ein atomares Endlager geologisch geeignet seien, heißt das noch lange nicht, dass es tatsächlich hier eingerichtet wird. Denn künftig werden auch andere Aspekte in der Prüfung eine Rolle spielen. So werden nun weitere Faktoren – wie etwa die Bevölkerungsdichte oder Naturschutzgebiete in den Regionen, aber auch Erdbeben-Aktivität, Vulkanismus, Wasserzuflüsse und frühere bergbauliche Tätigkeiten – in weiteren Schritten betrachtet. Dennoch dürfte die Debatte über die Endlagerung von hoch radioaktivem Atommüll damit in Fahrt kommen - vor allem in den Gebieten, die nun näher unter die Lupe genommen werden sollen.
Allerdings: Es regt sich bereits jetzt erheblicher Widerstand. Bei den Bürgern und in der Politik. Landrat Bernd Lange sprach sich schon im Vorjahr gegen die Lagerung von Atommüll im Landkreis Görlitz aus. Es dürften nicht nur geologische Aspekte für die Auswahl der Lagerstätte eine Rolle spielen, sondern auch soziologische.Die Menschen in der Oberlausitz tragen seit mehr als 100 Jahren die Lasten des Kohleabbaus. Der Strukturwandel ist im Gange. Der Landrat sieht das als eine nationale Aufgabe an, die den Kreis vor große Herausforderungen stellt. Eine zweite nationale Aufgabe – das Atommüllendlager – könne der Kreis nicht bewältigen, hatte Landrat Lange gesagt. Läuft die Diskussion um das Endlager auf die Lausitz hinaus, sei es schwer, die Menschen in der Region zu halten. Aber nicht nur Landrat Lange spricht sich gegen ein Endlager im Kreis aus. Auch sein Bautzener Amtskollege Michael Harig will in der Oberlausitz keinen radioaktiven Abfall. Erste Kommunen in den Landkreisen fordern ihre Einwohner auf den Internetseiten der Gemeinden zu einer breiten, aber faktenbasierten Diskussion auf.Oberlausitz ist nicht erste WahlUnd auch aus der Sicht von Experten ist der Landkreis Görlitz nicht die erste Wahl für eine Lagerstätte für radioaktiven Abfall. Der Diplom-Geologe Dr. Bernd Delakowitz lehrte an der Hochschule Zittau/Görlitz Umweltrecht. Jetzt ist der 67-Jährige im Ruhestand. Er sagt: „Kristallines Gestein wie Granit ist von seiner Struktur her meist recht zerklüftet. Es besitzt eine gewisse Bergfeuchte. Wasser ist aber der größte Feind für eine dauerhafte Endlagerung.“
Der Lausitzer Granit ist ein sehr altes Gesteinsmassiv, etwa 350 Millionen Jahre oder älter. Seine flächenmäßige Ausdehnung reicht nördlich von Löbau bis nach Hoyerswerda und weiter südwestlich von Dresden bis ins Erzgebirge. Zwar ist seine Mächtigkeit noch nicht genau erforscht, es dürften aber einige hundert bis 1.000 Meter sein. Zieht man allerdings den Dreiervergleich zurate, dann sind kristalline Wirtsgesteine wie Granit nach Salz und Ton nach der Meinung des Zittauer Wissenschaftlers nur die drittbeste Wahl für ein Endlager.Bei der Suche nach einem geeigneten Standort geht es jetzt mit einer Fachkonferenz weiter, bei der es um die Teilgebiete geht. Dabei werden auch die Prüfungen aus den Landesämtern für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie diskutiert. Wegen der Corona-Pandemie findet die Fachkonferenz digital statt.