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Stadtwerke produzieren eigenen Honig

Das Unternehmen in Weißwasser engagiert sich noch mehr für Artenschutz und Nachhaltigkeit. Das soll Schule machen.

Von Constanze Knappe
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Noch sind die Wachswaben leer. Doch Anfang Juni soll das erste Mal geerntet werden, kündigt Imker Jens Ebert an.
Noch sind die Wachswaben leer. Doch Anfang Juni soll das erste Mal geerntet werden, kündigt Imker Jens Ebert an. © Constanze Knappe

Etwa 1.200 neue Mitarbeiterinnen haben die Stadtwerke Weißwasser GmbH (SWW) eingestellt. Schon bald könnten daraus 50.000 werden. Das klingt reichlich übertrieben, ist es aber ganz und gar nicht. Mit einem eigenen Bienenvolk will das Unternehmen unter dem Motto „Regional – Nachhaltig – Engagiert“ ab sofort noch mehr gegen das Artensterben tun. Nach dem Projekt Schmetterlingswiese im vorigen Jahr sei dies ein weiterer Beitrag im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie, so SWW-Sprecherin Bettina Brandt.

Man habe gezielt nach Ideen gesucht, wie man sich vor Ort noch stärker für Nachhaltigkeit engagieren könne, erzählt sie. So sei man auf „die Firmenbiene“ gestoßen. Dahinter verbirgt sich Imker Jens Ebert mit seinem Betrieb. Der Zwickauer hat nicht nur sein Hobby zum Beruf gemacht, er weiß auch, dass in das Thema seit vier Jahren ordentlich Bewegung gekommen ist. Zunehmend würden Nachhaltigkeit und Artenschutz als gesamtgesellschaftliche Verantwortung gesehen, sagt er. Mit einem firmeneigenen Bienenvolk zum Beispiel. Die Aufstellung eines Bienenkastens sei aber mit viel Bürokratie verbunden. So müssten Veterinäramt und Gesundheitsamt das Vorhaben genehmigen.

Erste Firmenbienen in Weißwasser

In Hoyerswerda betreut Jens Ebert bereits die Bienen einer Firma. Im Nordkreis wie auch in Weißwasser selbst sind die Stadtwerke das erste Unternehmen mit eigenem Bienenvolk. Ursprünglich sollten die Bienen direkt an der Hauptverwaltung angesiedelt werden. Zum Schutz der fleißigen Insekten hatte man dann aber nach einem ruhigeren Ort gesucht – und am Heizhaus Süd nach den Worten von Imker Jens Ebert „den perfekten Platz“ gefunden. Der Vorstand der Firmenbiene AG betreut dort die neuen SWW-Mitarbeiterinnen. Der weibliche Ausdruck ist dabei mehr als gerechtfertigt, sind doch 99 Prozent der Bienen weiblichen Geschlechts. Die wenigen männlichen Insekten, die Drohnen, würden nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Für den Standort Weißwasser hat sich Jens Ebert für Buckfast-Bienen entschieden. Diese Art der Westlichen Honigbiene wurde erstmals 1916 im südenglischen Kloster Buckfast gezüchtet. Die Bienen sind besonders friedfertig und fleißig. „Ein Bienenvolk ist strukturiert wie ein Betrieb“, erklärt der Imker. Die Königin legt bis zu 2.000 Eier am Tag. Die ersten Eier wurden befruchtet und brauchen 21 Tage, um sich zu entwickeln. Danach explodiere das Bienenvolk geradezu. Zu groß soll es am Heizhaus aber nicht werden. Sonst könne es zur Schwarmbildung kommen und die soll ja verhindert werden. „Von diesen Bienen geht keine Gefahr aus. Sie machen einfach ihren Job“, betont er ausdrücklich.

Die Bienenbeute, also die hölzerne Behausung des Bienenvolks, befindet sich etwas erhöht auf einem Gestell, welches Schutz vor Feuchtigkeit von unten bietet. Die Bienen bekommen Sonne, aber auch nicht zu viel davon. Auch sonst seien die Bedingungen an diesem Standort sehr gut. Von da aus würden die Insekten Obstbäume, Linden und die verschiedensten anderen Blüten vorfinden. Eine Biene lebt ein bis drei Monate. Täglich fliegt sie bis zu drei Kilometer und an die 4.000 Blüten an. Was für eine enorme Leistung! Mit ihren Hinterteilen schleifen die fleißigen Insekten die Pollen von der einen Blüte mit, übertragen sie so auf die nächste und leiten damit „ganz nebenbei“ die Befruchtung ein.

Mehrere Millionen Blüten täglich

Der Lauf der Natur hat enorme wirtschaftliche Dimensionen. Die Bestäubung als Hauptjob der Biene entspreche einem Wert von vier Millionen Euro, sagt Jens Ebert. Zwei von drei Lebensmittelprodukten im Supermarktregal gebe es ohne die Bienen nicht, fügt er hinzu. Und: Es genüge nicht, einen Bienenkasten aufzustellen. Man müsse das Anliegen auch leben.Vom Heizhaus Süd aus haben Späher-Bienen auf Erkundungsflügen ihre neue Nachbarschaft inspiziert. Schon bald werden sie und ihre Artgenossinnen in einem Umkreis bis zu drei Kilometern täglich mehrere Millionen Blüten bestäuben. Eigentlich sollte der Startschuss für das Projekt schon eher erfolgen, nur war es bisher noch zu kalt dafür. „Doch wenn es jetzt wärmer wird“, dann läuft es richtig an, ist Jens Ebert überzeugt. Mit der Frühjahrstracht sei Anfang Juni zu rechnen, mit der Sommertracht im Laufe des Juli. Der Honig werde aber nicht vollständig aus der Beute geholt, da er ja den Bienen als Winternahrung dient. Mit dem Imkermobil wird er nach Weißwasser kommen und zum Beispiel vorführen, wie der Honig aus den Bienenwaben geschleudert wird.

Bildungsangebot für Kinder

Für gute Erträge muss die Bienenbeute, also der Kasten gehegt und gepflegt werden, weiß SWW-Geschäftsführerin Katrin Bartsch. Womöglich werde man noch ein oder zwei weitere Kästen aufstellen. Sie fände es toll, wenn sich auch andere Firmen für ein solches Projekt begeistern könnten. Über die Notwendigkeit ist sie sich mit Jens Ebert einig. Dieser erklärt, dass es aktuell noch 800.000 bis 850.000 Bienenvölker in Deutschland gibt. 1,1 Millionen sind es mal gewesen. Seit 1990 sei der Bestand um 20 Prozent gesunken.

Auch deshalb unterhalten die Stadtwerke Weißwasser jetzt ein eigenes Bienenvolk. Und das könnte 2022 sogar noch erweitert werden. Vor allem aber sei das Projekt als ein Bildungsangebot an Kinder zu verstehen, erklärt Bettina Brandt. An Ort und Stelle könne man vermitteln, warum Bienen so wichtig und zu schützen sind. „Wir freuen uns darauf, wenn Corona das wieder zulässt“, sagt sie. Eine spezielle Aktion soll es beispielsweise am 20. Mai, dem Welttag der Bienen, geben.

Auch freue man sich bei den Stadtwerken auf die erste Ernte. Der regionale, naturbelassene Bienenhonig soll ab Juni den eigenen Kunden zugutekommen – all jenen, die sich für ein Naturstromprodukt entscheiden. Damit leisten nicht nur die Kunden einen Beitrag zum Umweltschutz. Für jedes abgeschlossene Naturstromprodukt verpflichten sich die Stadtwerke, zusätzliche Maßnahmen im Natur- und Artenschutz in der Region umzusetzen.

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