Baureferatsleiter Thomas Böse hatte gestern seinen letzten Arbeitstag. Fast ein halbes Leben hat er für die Stadt Weißwasser gearbeitet. Es hätte auch anders kommen können, sagte er im Rückblick. Wenn er nach dem Studium in einer anderen Stadt gelandet und dort nicht mehr weggekommen wäre zum Beispiel. Oder wenn er in der Wirtschaft geblieben und relativ sicher Niederlassungsleiter im Tiefbaukombinat geworden wäre.
Doch Thomas Böse kam nach Weißwasser zurück, weil er sich in seiner Heimatstadt verwurzelt fühlt. Wie viele andere habe auch er zur Wendezeit vor der Entscheidung gestanden, in die Wirtschaft zu gehen, wo man viel Geld verdient, wie es damals hieß, oder aber einen relativ sicheren Arbeitsplatz bei der Stadt anzutreten. „Es war keine einfache Entscheidung. Aber nach 30 Jahren kann ich sagen, sie war richtig.“ Und ebenso die, sich nicht vom Landkreis locken zu lassen, wie er am Mittwoch im Stadtrat bekannte.
Thomas Böse hat Höhen und Tiefen der Stadt Weißwasser miterlebt und gestaltet, deren Unschönste erst der Abriss von Kitas und dann eines ganzen Stadtteils waren. Er trug Verantwortung beim Neubau der Eisarena wie auch bei der Kita Regenbogen. Die Liste der Vorhaben ist viel länger. „Wir konnten in der Innenstadt sämtliche Straßen sanieren und trotz sehr schwieriger Prozesse die Schulen am Leben halten. Ich bin zufrieden“, so fasst er es zusammen.
Dass man statt der 1991 für 50.000 Einwohnergleichwerte gebauten Kläranlage später nur noch ein halb so große brauchte, konnte niemand voraussehen. Ebenso wenig, dass Weißwasser von 38.000 Einwohner auf 16.000 schrumpft. Dem musste die Infrastruktur angepasst werden. Es sei aber viel schwerer, eine Stadt so weit runterzufahren, als eine Stadt mit konstant 20.000 Bürgern zu entwickeln. Heute gebe es ein Drittel mehr Grundstücke als zur Wende und mit 65 Kilometern auch viel mehr Straßen als 1991. Dies sei zum großen Teil nicht bevölkerungsabhängig, aber mit viel Verwaltungsaufwand verbunden. Vehement wehrte er sich deshalb gegen den Personalabbau im Rathaus.
Mit Beharrlichkeit für seine Stadt
„Wenn ich König wäre, hätte ich mit 500.000 Euro versucht, alle unbefestigten Straßen in einem Jahr zu befestigen“, erklärte er rückblickend. Das hätte viel Bürgerärger erspart. Die Eigenmittel der Stadt ließen das aber nicht zu, zudem stand das Kommunalabgabegesetz von 1993 mit den Straßenausbaubeiträgen dagegen. Somit war der Spielraum nicht gegeben. Von Anfang an hat Thomas Böse alle Beitragsbescheide für den Straßenausbau unterschrieben und auch die meisten fürs Abwasser. Er ließ sich dabei immer von seinem Grundsatz leiten: „Eine ordentliche Straße vor der Tür ist was wert.“ Dafür bekam er keineswegs nur Zuspruch.
Weißwasser wäre ohne Thomas Böse und sein Team heute nicht eine so lebens- und liebenswerte Stadt, betonte Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext). Er lobte Beharrlichkeit und Heimatverbundenheit, mit der der Baureferatsleiter an jeder Ecke, jedem Platz, jeder Straße und jedem Haus aktiv gewesen sei. „Oft nach Dienstschluss, mit dem Fahrrad, einfach weil er sich für seine Stadt wirklich interessiert hat“, so Pötzsch. Ausdrücklich verwies er auf Böses Einsatz für Sportanlagen, Radwege, geschichtliche Orte der Stadt und verkehrsberuhigte Bereiche. „Es ist kein Geheimnis, dass wir beide viele Male völlig unterschiedlicher Ansicht waren. Aber unser gemeinsamer Weg war vertrauensvoll und voller Respekt“, fügte der OB hinzu. Und er hofft, dass Thomas Böse trotz seines sportlichen Bewegungsdranges die Stadt auch aus dem Unruhestand begleitet.
Böse selber fand es „etwas zu dick aufgetragen“. Dass all das gelingen konnte, brauchte auch Glück. „Und ich hatte viel Glück“, sagte er. Glück, dass er Verwaltung von Null auf lernen durfte. Dass er nach 15 Jahren seinen Chef beerben durfte, ohne sich einer Ausschreibung stellen zu müssen. Dass er gesund geblieben ist und einen kurzen Arbeitsweg hatte, auch wenn es bis zum durchgehenden Radweg lange dauerte. Vor allem aber habe er Glück mit seinen Mitarbeitern gehabt. „Das hat gepasst“, sagt er. Und: „Vielen Dank.“
Schwerer Start für die Nachfolgerin

Aus persönlichen Gründen wollte er als Jungpensionär gehen. Das kündigte er im Mai 2020 an. Froh ist er, an vielen Dingen in seiner Heimatstadt beteiligt gewesen zu sein, die man lange sieht. Andererseits sei es anstrengend, wegen Geldknappheit Bürger immer wieder vertrösten zu müssen. Und er habe „keine Ahnung, wie der Strukturwandel die Stadt prägen, welche Erfolge und Enttäuschungen es geben wird“. Persönlich würde sich Thomas Böse wünschen, dass die Umgestaltung des Stadions der Kraftwerker gelingt.
Seine Nachfolgerin wird die Sanierung der Kita Ulja vorantreiben. Dorit Baumeister hat einen schweren Start „Es ist nicht möglich, ein Lebenswerk in drei Tagen zu übergeben“, sagte sie. Bei einer „Stadtrundfahrt“ sei sie positiv erstaunt gewesen, dass Thomas Böse „fast die gesamte Infrastruktur auf die Reihe gekriegt hat“, das erleichtere den Einstieg. Es sei international eine der größten Herausforderungen, Innenstädte urban zu machen. Da sehe sie in Weißwasser „enormen Handlungsbedarf“.