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Trotz Parkinson nicht klein beigeben

Hans-Jürgen Buder hilft anderen Betroffenen, nicht den Mut zu verlieren. Tischtennis heißt sein Rezept dafür. Morgen stellt sich die Selbsthilfegruppe im Vereinspavillon Weißwasser vor.

Von Constanze Knappe
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Hans-Jürgen Buder macht sich schon mal warm. Im Mai möchte der Weißwasseraner bei den GermanOpen 2022 des PingPongParkinson-Vereins starten.
Hans-Jürgen Buder macht sich schon mal warm. Im Mai möchte der Weißwasseraner bei den GermanOpen 2022 des PingPongParkinson-Vereins starten. © Constanze Knappe

Sein Leben lang war Hans-Jürgen Buder eine Sportskanone. Dass er jetzt jeden Mittwoch Tischtennis spielt, hilft ihm, beweglich zu bleiben. Denn der 62-Jährige hat Parkinson. Die Diagnose traf ihn 2015 wie ein Schlag. Doch er hat sich aus einem tiefen Loch wieder aufgerappelt. Als Stützpunktleiter einer Selbsthilfegruppe in Weißwasser möchte er anderen Betroffenen helfen, aus eben jenem Loch herauszufinden. Morgen stellt sich die Gruppe der Öffentlichkeit vor. Am 6. April veranstaltet die von der Deutschen Gesellschaft für Parkinson (DPG) gegründete Stiftung einen bundesweiten Aktionstag – vor dem Welt-Parkinson-Tag (jedes Jahr am 11. April).

Hans-Jürgen Buder hat nicht dieses Zittern, was man allgemein mit Parkinson verbindet; nicht jenen Tremor, der als eine Störung des Nervensystems das rhythmische Zittern zumeist der Hände hervorruft. Ihm macht eine Steifigkeit das Leben schwer und, dass er in Stresssituationen Probleme mit dem Sprechen hat. Selbst der Brötchenkauf beim Bäcker kann da zur unüberwindlichen Hürde werden.

Bei dem gebürtigen Muskauer, der seit 1982 in Weißwasser lebt, fing es 2011 vermeintlich harmlos an. Mit Verspannungsproblemen. Heute weiß er, warum ihm seinerzeit die Erwärmung beim Fußballtraining in Trebendorf zunehmend Probleme bereitete. Damals konnte er sich das nicht erklären. Er ging von einer Physiotherapie-Behandlung zur nächsten. Besser wurde es nicht. Schleichend stellten sich noch andere Symptome ein: Das rechte Bein und die rechte Hand machten nicht mehr so richtig mit, ständig schliefen die Finger ein. Die Vermutung, dass es sich um eine Quetschung der Halswirbelsäule handelte, bestätigte sich nicht. Es folgten viele Untersuchungen. Dem inzwischen verstorbenen Chirurgen Detlef Mansfeld in Weißwasser habe er zu verdanken, dass er schließlich an die richtige Adresse vermittelt wurde. Im Helios Klinikum Bad Saarow bekam er dann die Diagnose: Parkinson. „Das war der Hammer“, erinnert er sich noch.

Große Angst vor dem Rollstuhl

Der Versicherungsfachmann versuchte, trotzdem ein normales Leben zu führen. Doch selbst Kundengesprächen fühlte er sich immer weniger gewachsen, da ihm zuweilen die Wortfindung versagte. Bis es gar nicht mehr ging. Ein Jahr musste er darum kämpfen, als arbeitsunfähig anerkannt zu werden. Seit 2020 ist er EU-Rentner. Er sei immer gerne unter Leuten gewesen, habe gern seinen Job gemacht, erzählt er. Beides funktioniert nicht mehr. Das ärgert ihn. Selbst das Anziehen der Socken werde zu einer Herausforderung. Zwölf Tabletten täglich helfen ihm, über die Runden zu kommen. Und dennoch geht an manchen Tagen gar nichts. Hans-Jürgen Buder hat große Angst davor, im Rollstuhl zu landen.

So weit will er es nicht kommen lassen. Er macht Wassergymnastik in Krauschwitz, kickt bei der Ü 60 in Trebendorf Fußball, geht zur Physiotherapie. „Tischtennis verlangsamt die fortschreitende Verschlechterung“, weiß er aus seiner Komplextherapie, zu der er jedes Jahr einige Wochen fährt. Dort hatte ihn ein Mitpatient auf PingPongParkinson (PPP) Deutschland aufmerksam gemacht. Der bundesweit agierende Verein ist ein Zusammenschluss von Einzelpersonen und Selbsthilfegruppen. Dahinter steht das Angebot für Betroffene, wohnortnah Tischtennis zu spielen. Dabei wirke als großer psychologischer Vorteil, dass man eben nicht zur Selbsthilfe geht, sondern zum Tischtennis. Hans-Jürgen Buder hat Selbsthilfegruppen immer gemieden. „Das Jammern zieht nur runter, es bringt einen nicht weiter“, begründet er. Bei PingPongParkinson hingegen steht die Bewegung im Vordergrund.

Unterstützer fand er beim Stadtverein in Weißwasser. Quasi unter dessen Dach wurde die Selbsthilfegruppe im September 2021 gegründet. Doch die Pandemie mit ihren Einschränkungen kam dazwischen. Über Weihnachten stellte er zu Hause in seinem Keller eine Tischtennisplatte auf. Mit einem Fußballkumpel fing er an, dort die Kellen zu schwingen. Als sie Anfang März den Kellerraum im Vereinspavillon als Treffpunkt einweihten, waren sie schon zu acht. Mittlerweile zählt die Gruppe 18 Mitglieder, darunter elf von Parkinson Betroffene, Begleitpersonen und Menschen mit anderen neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall oder Multiple Sklerose. Tischtennis fördere Beweglichkeit und Kondition, sagt Hans-Jürgen Buder. Körperlich und geistig fit zu bleiben, sei der Sinn der Gruppe. Natürlich gehe es dabei auch um den Austausch über die Krankheit unter dem Motto „Wir helfen uns selber“.

Die Mitglieder sind zwischen 51 und 83 Jahren alt, sind auch aus Sagar, Döbern, Lohsa ... Die Dunkelziffer der Betroffenen sei riesig, vermutet Hans-Jürgen Buder. Bei so manchem auf der Straße habe er „einen Blick dafür“. Dass die Symptome so verschieden sind – wohl ein Grund, warum es bis zur Diagnose oft recht lange dauert.

Die Gruppe trifft sich jeden Mittwoch. Ein fester Zeitpunkt sei sehr wichtig. Dass bei Parkinson-Betroffenen die Verlässlichkeit nachlässt, erfordert eine große Umstellung in der Familie. Seine steht fest zu ihm, sagt er dankbar – auch im Hinblick auf die vier Enkel, mit denen er kaum noch mithalten kann. „Mach mal schnell“, geht eben nicht mehr, das macht auch ihm zu schaffen. Doch klein beigeben – das will er ganz und gar nicht!

Parkinson-Aktionstag

Infos über Krankheit und Selbsthilfegruppe am 6. April im Vereinspavillon, Sorauer Platz 2, in Weißwasser:

10.30 Uhr: Begrüßung mit anschließender Fragerunde und Diskussion

11.15 Uhr: Filmschau einer Arte-Dokumentation „Parkinson – Eine tückische Krankheit“

11.45 Uhr: Tischtennis

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