Die Einrichtung des zentralen Impfzentrums in Löbau ist für die dortige Region eine schöne Option, für den Rest des Landkreises aber eine kaum praktikable Lösung. Darüber ist man sich im Nordkreis einig. Denn abgesehen von einer Stunde Fahrzeit bleibt die Frage, wie Impfwillige dorthin gelangen.
Sammeltaxen oder Busse sind keine Lösung, da insbesondere Ältere, Schwächere und Risikogruppen nicht mit vielen anderen zusammen nach Löbau gefahren werden sollten, um dort dann einige Zeit auf ihren persönlichen Termin warten zu dürfen, fasste Weißwassers Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) in der jüngsten Sitzung des Stadtrats die Situation zusammen. Individuallösungen seien auch nicht ideal, fügte er hinzu. Aufwand, Fahrzeiten und Kosten sind daher bislang der Hauptgrund, warum Impfberechtigte der Altersgruppe Ü 80 aus dem Nordkreis ihre Termine in Löbau nicht wahrnehmen wollen oder können und lieber warten, bis sie die Covid-19-Impfung in der Nähe ihres Wohnortes erhalten.
Kommunen und Kreis einig
Bei einer Beratung des Sächsischen Städte- und Gemeindetags in Weißwasser war man sich übergreifend einig, dass mittels mobiler Impfzentren – in kommunalen Gebäuden oder angemieteten Räumen – die Möglichkeit der Impfung auch im Norden des Landkreises Görlitz geschaffen werden müsse. Die Kreisverwaltung sieht es jetzt ebenso und bat Kommunen, die Impfbereitschaft abzufragen und Bürgerfahrdienste zu organisieren.
Weißwasser hat nach OB-Aussage Räume in seinem Vereinspavillon angeboten. Darüber habe er sich mit dem Stadtvereins-Chef Frank Schwarzkopf verständigt. Auch das Soziale Netzwerk Lausitz würde in der Stadt Räume für ein temporäres Impfzentrum zur Verfügung stellen. Zudem habe er eine Ärztin vermittelt, die sich bereiterklärte, an zwei Tagen in der Woche hier in der Region Impfungen vorzunehmen, erklärte Torsten Pötzsch.
Die Bereitschaft, ein lokales Impfzentrum einzurichten, signalisierte ebenso die Gemeinde Boxberg dem Landkreis. Dafür infrage kämen, laut Bürgermeister Achim Junker (CDU), verschiedene Objekte wie das Dorfgemeinschaftshaus oder die Gemeindeverwaltung. Man habe aber noch nicht abgefragt, wie viele der ungefähr 400 Einwohner über 80 Jahre sich impfen lassen wollen oder als Bewohner eines Pflegeheims bereits geimpft sind. Derzeit überlege man, wie in der Flächengemeinde mit 18 Ortsteilen der Fahrdienst zu sichern sei.
Zentrum zum Testen und Impfen
Die Gemeinde Schleife plant im Sorbischen Kulturzentrums (SKC) eine zentrale Stelle zu schaffen, wo sich das Kita-Personal regelmäßig testen lassen kann, so Bürgermeister Jörg Funda (CDU) im Gemeinderat. Damit soll ein „Test-Tourismus“ in die einzelnen Einrichtungen verhindert werden. Zur fachlichen Unterstützung hätten sich Mitglieder der First-Responder-Gruppe „in hoher Zahl gemeldet“. Die Gruppe war 2014 von speziell ausgebildeten Bürgern in Schleife gegründet worden, um im Ernstfall die Zeit bis zum Eintreffen von Rettungskräften zu überbrücken. Außerdem soll für jene, die sich impfen lassen möchten, im Saal des SKC ein Impfzentrum eingerichtet werden. „Idealerweise für die ganze Verwaltungsgemeinschaft“, so Funda, da eine gewisse Zahl an Impfwilligen erforderlich sei.
Das habe er auch mit Groß Dübens Bürgermeister Helmut Krautz (SPD) so besprochen. In der Gemeinde Gablenz könne man sich ebenfalls vorstellen, das Impfzentrum in Schleife zu nutzen, ließ er wissen. Der Landkreis sei darüber informiert. Jetzt warte man nur auf den Termin, wann es losgehen kann. Wenn es nach dem dann vorgegebenen Impfplan funktioniert, sei eine Wiederholung vier Wochen später gut vorstellbar.
So ganz unkommentiert will das sein Amtskollege Waldemar Locke (CDU) in Trebendorf nicht stehenlassen. Mitnichten habe es eine Abstimmung der drei Bürgermeister in der Verwaltungsgemeinschaft gegeben. Trebendorf habe sich selbst um ein Impfzentrum beworben, erklärte er gegenüber TAGEBLATT. Das Haus der Vereine bietet mit seiner Halle viel Platz für die etwa 400 Über-80-Jährigen in der Verwaltungsgemeinschaft und der Gemeinde Gablenz. Auch käme das Objekt den Vorstellungen der Kreisverwaltung entgegen, die in den Kommunen vor allem Sporthallen favorisiert. Kreis und DRK Löbau werden sich beide Objekte – SKC Schleife und Haus der Vereine Trebendorf – anschauen und entscheiden, welches das Geeignetere ist. Er habe Kontakt mit dem DRK-Kreisverband in Weißwasser aufgenommen und von dort die Zusage zur Unterstützung erhalten. Logistische Fragen wie den Fahrdienst würden Feuerwehr und Bauhof absichern. Der Trebendorfer Bürgermeister hat alle über 80-Jährigen in seiner Gemeinde angeschrieben. Einige seien bereits zum Impfen in Löbau gewesen.
Fahrdienst-Anfragen der Bürger
Post aus ihrem Rathaus erhalten auch Bürger in Bad Muskau. „Wir haben am Mittwoch 400 Informations- und Abfragebriefe an unsere über 80-jährigen Einwohner versandt“, erklärt Bürgermeister Thomas Krahl (CDU). „Wir hoffen, sehr zeitnah vom Kreis zu erfahren, ab wann und wo die mobilen Impfzentren tätig sein werden, um den Shuttledienst mit Fahrzeugen von Stadtverwaltung und Vereinen organisieren zu können.“
Ganz soweit ist man in Krauschwitz noch nicht. Hier wird das Anschreiben an die Bürger erst vorbereitet. „Aber natürlich unterstützen wir das Vorhaben. Alles, was viel näher als Löbau ist, ist eine Hilfe für unsere Einwohner“, bekennt Bürgermeister Tristan Mühl (Freie Wähler), dem schon lange Fahrdienst-Anfragen seitens Bürgern und Ortsvorsteher vorliegen. Da ging es aber noch um die Strecke nach Löbau.
Auf Zustimmung stoßen die Pläne für mobile Impfzentren oder die Möglichkeit der Impfung bei niedergelassenen Hausärzten ebenfalls in Weißkeißel. Auch hier werden in den nächsten Tagen Bürgerbriefe versandt, will man einen Fahrdienst – notfalls auf Kosten der Gemeinde – einrichten. „Aus unserer Sicht wäre in dem Fall eine Fahrt nach Weißwasser angemessen“, sagte Bürgermeister Andreas Lysk (Freie Wählergemeinschaft) jüngst in der Ratssitzung.
Kritik an Bürokratie und Service
Der Hinweis angemessener Wege zu mobilen Impfzentren ist berechtigt, weil noch offen ist, wer die Kosten für den rollenden Bürgerservice trägt. Noch unklar ist gleichfalls, inwiefern zeitnahes Impfen bei Hausärzten klappt. Hier spielen Anzahl der zur Verfügung stehenden und zu verteilenden Impfdosen im Kreis ebenso eine Rolle wie die Zahl der zu Impfungen bereiten Hausärzte, welche Zeit sie dafür haben und wie viele Impfberechtigte in ihrem Versorgungsgebiet sind. Denn schon jetzt unterstützen sie Impfaktionen in Senioren- und Pflegeeinrichtungen – zusätzlich zu Sprechstunden und Hausbesuchen. Erschwerend hinzu kommt der bürokratische Aufwand für die Hausärzte.
„Bei einer Erstimpfung muss ich, abgesehen von Informationsgesprächen mit den Bürgern, fünf Bögen Dokumentation ausfüllen, die alle auch zu unterschreiben sind. Bei der zweiten Impfung sind es noch drei. Das frisst Zeit, in der ich eigentlich mehr Menschen impfen könnte“, erzählt der Krauschwitzer Landarzt Peter Lippold, der seit einiger Zeit in Senioren- und Pflegeheimen mit impft, von seinen Erfahrungen.
Wegen der Verunsicherung der Menschen hoffen die Kommunen im Nordkreis, dass sich der Landkreis möglichst schnell entscheidet und es bald eine vernünftige Lösung gibt. Weißwassers OB Torsten Pötzsch sieht „auf Freistaatebene erste Anzeichen zur verbesserten Organisation“. Auch, weil für ältere Mitbürger der Impftermin-Service verbessert werden soll.