Weißwasser
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Wird Weißwasser Garnisonsstadt?

Die Bundeswehr will eine Einheit in der sächsischen Lausitz stationieren. Nicht ihr einziger Beitrag zum Strukturwandel.

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Unter Einhaltung der Corona-Schutzvorschriften unterschrieben Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gestern in Boxberg eine gemeinsame Erklärung über den Beitrag der Bundeswehr zum St
Unter Einhaltung der Corona-Schutzvorschriften unterschrieben Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gestern in Boxberg eine gemeinsame Erklärung über den Beitrag der Bundeswehr zum St © Foto Gernot Menzel

Die Bundeswehr plant, einen Verband in die sächsische Lausitz zu bringen. Zudem soll hier ein wehrtechnisches Zentrum entstehen, was es bisher in den neuen Ländern noch nicht gibt. Und es soll der Truppenübungsplatz Oberlausitz weiter modernisiert werden. Das sind die Eckdaten einer gemeinsamen Erklärung, die die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gestern im Besucherzentrum des Kraftwerks Boxberg unterzeichnet haben. Es sei ein grundlegendes Dokument, welches beide Seiten verpflichtet, das in kürzester Zeit geschnürte strukturelle Maßnahmepaket gemeinsam umzusetzen. Als ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlands wisse sie nur zu gut, was ein Strukturwandel von Kohle und Stahl bedeutet, betonte Annegret Kramp-Karrenbauer. Auf die Lausitz bezogen erklärte sie in Boxberg: „Es braucht einen langen Atem. Mit der Stilllegung des letzten Blocks im Kraftwerk wollen wir fertig sein.“ Sie sei überzeugt, dass mit Hilfe der Bundeswehr eine Win-Win-Situation in der Lausitz zu schaffen sei.

Standortwahl fällt bis 2023

Die Stationierung einer Bundeswehreinheit in der Region war bereits Anfang 2020 Gegenstand der Bund-Länder-Einigung zum Kohleausstieg. Mit dem Arbeitstitel „Weißwasser wird Garnisonsstadt“ konkretisierten die Sächsische Staatskanzlei, das Staatsministerium für Regionalentwicklung und das Bundesverteidigungsministerium dieses Vorhaben. Wie es gestern hieß, werde der Freistaat die Bundeswehr bei der Bereitstellung eines geeigneten Areals, bei der Schaffung und Bereitstellung von Wohnraum und der sozialen Infrastruktur in der Nähe der Kaserne sowie bei der verkehrlichen Anbindung unterstützen. Die dafür erforderlichen Genehmigungsverfahren sollen zügig durchgeführt werden. Um das Ansiedlungsvorhaben bestmöglich zu koordinieren, wird der Freistaat beim Staatsministerium für Regionalentwicklung eine Task Force einrichten. Vertreter anderer Ressorts sollen daran beteiligt sein.

Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte an, dass bis 2031 bis zu 1.000 Bundeswehrangehörige am neuen Standort ihre Tätigkeit aufnehmen. Ob aber tatsächlich Weißwasser diese Garnisonsstadt wird, entscheidet sich bis 2023. Nach ihrer Aussage werde im Gegenzug „kein anderer Standort geschlossen“. Bislang betreibt die Bundeswehr in Sachsen acht Standorte mit 4.400 Dienstposten. Bis 2027 will das Bundesverteidigungsministerium 420 Millionen Euro im Freistaat investieren – und zwar unabhängig von der gestern unterzeichneten gemeinsamen Erklärung.

Mit dem wehrtechnischen Zentrum sei eine Einrichtung für Forschung und Technologie geplant, um in der Oberlausitz die Möglichkeiten zur Integration automatisierter und kooperativer Systeme in den Luftraum zu untersuchen. Oder anders gesagt, die Bundeswehr will hier in Zukunft autonome Systeme erproben. Dazu werde eine enge Zusammenarbeit mit der BTU in Cottbus/Senftenberg sowie den Hochschulen in Zittau und Dresden angestrebt. „Ob dieses Zentrum als Außenstelle eingerichtet oder direkt hier angesiedelt wird, hängt davon ab, wie wir vorankommen“, sagte Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Zentren in den alten Bundesländern seien historisch gewachsen, in den neuen Bundesländern gebe es da noch eine Lücke.

Tüp Oberlausitz weiter stärken

Das Maßnahmepaket des Verteidigungsministeriums zur Förderung der Strukturentwicklung sei ebenso auf Qualifizierung ausgerichtet. Das sei ein wichtiger Aspekte für all das, was die Bundeswehr im Lausitzer Revier vorhat. Demnach soll es hier vermehrt Angebote der zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung sowie der Ausbildungswerkstatt der Bundeswehr geben.

Und nicht zuletzt soll der Truppenübungsplatz Oberlausitz „mit der modernsten Schießbahn“ weiter modernisiert und von Einheiten aus dem In- und Ausland stärker genutzt werden. Etwa, um Truppenverlegungen und andere logistische Abläufe zu trainieren. Als Beispiel nannte die Verteidigungsministerin die Verlegung deutscher Truppen in die Sahelzone (Afrika). „Da hängt nach hinten immer eine Versorgungskette dran. Das können wir hier in der Oberlausitz üben“, erklärte sie. Deutschland sei eine Drehscheibe für Europa. Die neue Struktur auf dem Truppenübungsplatz sei dann ein klares Signal an die Nato-Partner. Eine deutliche Absage erteilte Annegret Kramp-Karrenbauer bezüglich der Einrichtung weiterer Übungsplätze auf ehemaligen Tagebauflächen. Neue Plätze zu installieren, sei auch im Hinblick auf die Genehmigungen viel zu kompliziert, da sei die Modernisierung der vorhandenen Übungsplätze der bessere Weg.

„Wir wissen, was wir mit dem Truppenübungsplatz hier haben“, erklärte Ministerpräsident Michael Kretschmer. Erneut betonte er, dass die Bundeswehr in Sachsen willkommen sei. Und das nicht nur wegen ihres Einsatzes in der Corona-Hilfe. In Sachen Strukturwandel setze der Freistaat darauf, „dass hier die Zukunft geschrieben wird, dass die Menschen hier gute Chancen haben, ihre Ideen zu verwirklichen.“ Zwar könnten Bund und Freistaat die Bedingungen für eine verbesserte Infrastruktur schaffen, aber nicht garantieren, dass wirklich Unternehmen kommen. „Garantieren können wir die Ansiedlung der Bundeswehr“, versicherte er. Auch Bürgermeister und Landräte würden darin einen Schub für die Strukturentwicklung sehen. „2023 ist übermorgen. Man kann es fast schon fassen“, so Michael Kretschmer.

Weißwassers OB Torsten Pötzsch (Klartext) begrüßte es auf Nachfrage von TAGEBLATT gestern sehr, dass die Glasmacherstadt Garnisonsstadt werden könnte. Im vergangenen Jahr hätten sich Vertreter der Bundeswehr in der Stadt umgeschaut, um die Gegebenheiten zu sondieren. „Wir haben Platz in der Südstadt und die Infrastruktur. Ich bin guter Hoffnung“, sagte er.