Weißwasser
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Wo Freude und Trauer ganz nah liegen

Wer sind die Menschen, die eine Klinik am Laufen halten und was machen sie? Wir stellen sie vor. Heute: Palliativstation.

Von Sabine Larbig
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Daniel Pluta, Leiter der Palliativ-Station am Krankenhaus Weißwasser, kümmert sich mit seinem Pflegeteam sowie vielen Spezialisten tagtäglich um Patienten mit fortgeschrittenen unheilbaren Krankheiten. Um sich diesen Menschen intensiv widmen zu können, ha
Daniel Pluta, Leiter der Palliativ-Station am Krankenhaus Weißwasser, kümmert sich mit seinem Pflegeteam sowie vielen Spezialisten tagtäglich um Patienten mit fortgeschrittenen unheilbaren Krankheiten. Um sich diesen Menschen intensiv widmen zu können, ha © Sabine Larbig

Liebevoll streicht Daniel Pluta der Patientin im Aufenthaltsraum über den Arm. „Möchten Sie fernsehen und dabei etwas trinken? Einen Saft, Kaffee oder ein Wasser vielleicht?“, fragt er die Frau mit ruhiger, angenehm beruhigender Stimme. Die Angesprochene bejaht beides, entscheidet sich für Wasser, welches Daniel Pluta ihr kurz danach bringt. Ins Glas hat er einen Strohhalm gesteckt, damit die Patientin, während er ihr Getränk hält, einfacher und entspannter trinken kann. Daniel Pluta bleibt bei ihr, bis sie ausgetrunken hat, plaudert währenddessen mit der Patientin, die sich sichtlich über die Zuwendung freut, über dies und das.

Besuchszeit rund um die Uhr

Es ist eine von vielen anderen Alltagsszenen auf der Palliativstation des Kreiskrankenhauses Weißwasser. Erkennbaren Stress und Hektik beim Personal gibt es hier ebenso wenig wie typisches Krankenhausmobiliar oder sterile Räume. Alles ist eingerichtet wie das gemütliche Zuhause einer Wohngemeinschaft, in der selbst Zimmerpflanzen und ein mit Saft, Bier und Sekt gefüllter Kühlschrank, Schalen mit Früchten und Süßigkeiten nicht fehlen. Maximal sechs Patienten können auf Station betreut werden. Besuchszeit ist rund um die Uhr. Angehörige können sogar auf Station schlafen, um ihren Familienmitgliedern nah sein und Beistand leisten zu können. Denn schwerste Erkrankungen gibt es in jedem Alter und viele Familien wohnen weit voneinander entfernt, weshalb das Angebot unverzichtbar ist.

Wohlfühlambiente rundum

Doch trotz Wohlfühlambiente ist und bleibt die Station ein Krankenhausbereich, in dem ausschließlich Patienten mit fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankungen durch ein spezialisiertes Team von Ärzten, Pflegenden, Mitarbeitern der Bereiche Psychoonkologie, Sozialdienst, Seelsorge, Physio- und Ergotherapie, Hospizdienst und dem SAPV-Team betreut werden, um ihre Lebensqualität zu verbessern.

Deshalb hat sogar die Krankenhausküche in Kooperation mit dem Team der Palliativstation eine individuelle Speisekarte erstellt, von der nahezu zu jeder Zeit Speisen bestellt werden können. Egal, ob sich der Patient Milchreis, Rouladen, Bauernfrühstück oder Eis und Torte wünscht. Sogar selbst kochen ist in der Stationsküche möglich sowie das Essen im Familienkreis im wohnzimmerartigen Aufenthaltsraum. Die Waren dafür werden ebenfalls auf Bestellung angeliefert oder aber die Angehörigen bringen sie mit. All diese stationstypischen Besonderheiten dienen dem Wohlbefinden der Patienten. Denn eine Entlassung nach Symptomkontrolle oder Stabilisierung des Allgemeinzustandes steht auf der Palliativstation im Vordergrund. Leider gelingt das nicht immer. Dennoch ist die Palliativstation keine Sterbestation.

Die Mitarbeiter sind zwar sehr nah an trauernden Patienten und Angehörigen dran, müssen mit Leid, Schmerz und Tod umgehen können, ein besonderes Fingerspitzengefühl und psychische Widerstandskraft haben. Denn, so Daniel Pluta, Leiter der Palliativstation, nichts im Krankenhaus sei so sensibel wie die Arbeit und der Alltag auf dieser Station, wo jeder Fall und Patient, jede Kommunikation und jeder Sterbefall anders seien.

Gezielt für die Station entschieden

Trotz der Herausforderungen hat sich der 30-Jährige bewusst für diesen Krankenhausbereich entschieden. Den Anstoß dafür gab ein Freiwilliges Soziales Jahr im Carolus-Krankenhaus in Görlitz, wo er auf der Palliativ arbeitete. Später, bei der Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger, verfestigte sich sein Berufsziel, weshalb er noch die Zusatzausbildung „Palliativ-Care“ absolvierte. Als im September 2018 die Palliativstation im Krankenhaus Weißwasser öffnete und Stellen ausgeschrieben wurden, bewarb sich Daniel Pluta, wurde angenommen und nur ein Jahr später zum Stationsleiter befähigt. Im Gegenzug musste sich der Ehemann und Vater eines elf Monate alten Sohnes parallel zum Beruf und Schichtdienst erneut weiterbilden. Dank seiner Frau, die aktuell zwar in Elternzeit ist, sonst aber als Krankenschwester im Psychiatriebereich arbeitet, und eines intakten familiären Umfeldes habe er die Mehrfachbelastungen schultern und auch gut abschalten können. „Man darf durch die Erlebnisse und Schicksale auf Station zwar mal traurig sein, muss aber auch Grenzen ziehen, darf nicht zu viel mit nach Hause nehmen und man muss in der Familie und im Team darüber reden können. Sonst kann die Arbeit zum Burnout führen“, erklärt der Weißwasseraner.

Ein Job, der Personal mental fordert

Dass er mit seiner Frau reden, sich bei ihr öffnen und auch mal fallenlassen könne, dafür sei er sehr dankbar. Ebenso für das Team, bei dem ihm und anderen dies ebenfalls möglich sei und gelinge. Das sei für den Alltag sehr wichtig. „Unsere Aufgabe ist es schließlich, den Menschen beste Lebensqualität und größtes Wohlbefinden an ihrem Lebensabend zu ermöglichen, Schmerzen zu lindern, ihnen beizustehen. Bei uns ist es daher nicht unüblich, dass wir auch mal mehrere Stunden an einem Patientenbett sitzen, weil Gesprächsbedarf besteht oder wir so erfahren, welche Probleme und Wünsche die Patienten haben. Auch eine Umarmung ist normal. Doch eigene psychische Labilität und Floskeln sind fehl am Platze.“

Stattdessen, so der Stationsleiter, müsse man Zuversicht, Einfühlungsvermögen, Verständnis, Empathie und soziale Kompetenz gegenüber Patienten und Angehörigen rüberbringen, sichere und unsichere Zeichen des Todes – beispielsweise, wenn ein Bettlägeriger plötzlich aufstehe, seine Tasche packe und auf Reise gehen wolle – erkennen und damit umgehen können. Und ja, manchmal passiere es, dass man erlebe, wie noch vormittags ein Patient am Tisch frühstückte und sich unterhielt, aber mittags verstirbt. „So was macht einem schon zu schaffen.“

Täglich Umgang mit Freud und Leid

Doch Daniel Pluta und seine sieben Kollegen sind gleichermaßen erfahren im Umgang mit Freud und Leid und dem, was sie sich selbst an psychischer Belastung zumuten können. Und sie wissen zudem genau, wann ein Patient eine Massage, etwas Musik oder einen Besuch braucht. Sie tun im Team alles dafür, damit es den zu pflegenden Menschen dadurch und auf andere Weise besser geht, sie sich wohlfühlen und Kraft schöpfen.

Doch der Job auf einer Station, wo Mitarbeiter letztlich mehr mit Tod und Trauer zu tun haben als in anderen Krankenhausbereichen, fordert: mental und, durch den Schichtdienst, ebenso zeitlich. Für frühere Hobbys hat der junge Stationsleiter und einstige Kampfsportler daher schon lange viel weniger Zeit, weshalb er Boxen und Thai-Boxen bereits aufgab. Die Zeit widmet er nun lieber seiner Familie. „Besonders freue ich mich darauf, in diesem Sommer einen Teil der Elternzeit mit meinem Sohn verbringen zu können. Ich will ihn aufwachsen sehen, bei seinen ersten Schritten und Worten dabei sein“, begründet der Vater die Inanspruchnahme der gesetzlich möglichen Auszeit trotz seiner verantwortungsvollen Leitungstätigkeit.

Familie und Hobbys als Ausgleich

Und er hat ein Hobby, welches er aus persönlichem Interesse und wegen des nötigen Ausgleichs zur Arbeit auf der Palliativstation nicht aufgibt, weshalb ihn bei der Ausübung auch Frau und Familie unterstützen. Diese Leidenschaft ist die Jagd und ein dazugehöriges großes Revier nahe Niesky. Im Revier sei er, sagt Daniel Pluta, sooft er könne mit seiner belgischen Schäferhündin unterwegs. „Es ist dort einfach toll nach einem anstrengenden Dienst. Wenn ich auf der Kanzel sitze und die Natur und Ruhe genießen kann, komme ich runter. Außerdem ist nicht geschossen für mich trotzdem gejagt“, erklärt der Mann, bei dem nach eigener Aussage im Dienst durchaus mal eine Träne im Auge stehe, weshalb die Jagd für ihn „zum Kopf frei machen und zur psychischen Selbsthygiene“ sehr wichtig sei. Die Jagd werde zudem von seiner Frau nicht nur toleriert, sondern unterstützt. „Sie geht nicht mit mir auf Pirsch, was wegen unseres Sohnes auch kaum möglich wäre. Aber sie hat mir und meiner Passion zu Liebe unser Zuhause im jagdlichen Landhausstil eingerichtet und dazu noch so, dass mein Hobby samt Jagdbrauchtum zur Geltung kommt.“

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