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Rätsel über Aussterben von Neandertalern

Eine These, die das Aussterben der Neandertaler erklärt, lautet, dass die Mütter ihre Babys vergleichsweise lange stillten. Milchzähne zeigen etwas anderes.

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Die Nachbildung eines älteren Neandertalers steht im Neanderthal-Museum.
Die Nachbildung eines älteren Neandertalers steht im Neanderthal-Museum. © dpa

Frankfurt/Main. Neandertaler-Mütter haben ihre Kinder wohl ähnlich lange gestillt wie Mütter heute. Das schließen Forscher aus Italien und Frankfurt aus der Analyse von 40.000 bis 70.000 Jahre alten Milchzähnen. An der in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlichten Studie waren Anthropologen, Archäologen, Chemiker, Physiker und Geologen beteiligt.

Die Ergebnisse weisen laut Goethe-Universität darauf hin, dass spätes Abstillen vermutlich nicht zum Aussterben der Neandertaler beigetragen hat. Die Zähne, die das Forscherteam untersuchte, ähnelten chemisch jenen heutiger Babys - "ein Hinweis darauf, dass die Ernährung und Entwicklung erstaunlich ähnlich verliefen", wie die Hochschule am Montag mitteilte.

Die Forscher widerlegen damit eine von anderen Experten vertretene These, der zufolge die Neandertaler ausgestorben sein könnten, weil die Mütter ihre Säuglinge vergleichsweise lange stillten und die Säuglinge nicht früh genug vielfältige Nährstoffe für eine Höherentwicklung des Gehirns erhielten.

Die Neandertaler-Milchzähne stammen aus Höhlen in Nordostitalien und gehörten vier Kindern. Wissenschaftler des Instituts für Geowissenschaften der Goethe-Universität betteten die Zähne in Harz ein und schnitten sie in hauchdünne Schichten. Mit Hilfe der Massenspektrometrie suchten sie nach Elementen wie Strontium und Kalzium.

Die Zähne erzählen noch mehr

Deren Verhältnis gebe Hinweise auf die Nahrung, erklärte der Leiter der Arbeitsgruppe, Wolfgang Müller: Bei Muttermilch ist das Verhältnis anders als bei Körnern, Gemüse, Fleisch oder Milch. Ähnlich wie bei den Wachstumsringen eines Baumes lagert sich bei Milchzähnen jeden Tag eine Schicht Zahnschmelz ab, so dass jeder Zahn die Lebenstage widerspiegelt.

Wird das Kind gestillt, gibt es mehr Kalzium und weniger Strontium. Mit Beginn des Abstillens sieht man höhere Konzentrationen von Strontium. Die Arbeitsgruppen konnten diesen Zeitpunkt sehr genau datieren: auf 3,8 bis 5,3 Monate, je nach Individuum.

Aber die Zähne erzählen noch mehr: Das Strontium-Isotopen-Verhältnis liefert auch Informationen über den Boden der Umgebung, in der die Menschen lebten. Drei der vier Mütter lebten mit ihren Kindern demnach die ganze Zeit in der Region, eine der Mütter war wohl am Ende der Schwangerschaft sowie die ersten 25 Tage nach Geburt nicht am Fundort. Dieser Zahn ist der jüngste der vier Funde (40.000 Jahre), er weist auf unterschiedliche Nahrung und größere Migration in einem kälteren Klima hin. (dpa)