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46 Festnahmen nach Bombenanschlag in Istanbul

Mitten im touristischen Zentrum Istanbuls explodiert eine Bombe und reißt mehrere Menschen in den Tod. Fast 50 Menschen wurden festgenommen, darunter die Hauptverdächtige.

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Ein Mann trauert am Ort der Explosion auf der Fußgängerzone Istiklal in Istanbul. Bei dem Anschlag am Sonntag waren mehrere Menschen getötet und viele verletzt worden.
Ein Mann trauert am Ort der Explosion auf der Fußgängerzone Istiklal in Istanbul. Bei dem Anschlag am Sonntag waren mehrere Menschen getötet und viele verletzt worden. © Khalil Hamra/AP/dpa

Istanbul. Nach dem Bombenanschlag in der türkischen Metropole Istanbul mit sechs Todesopfern und über 80 Verletzten haben die Behörden nach eigener Darstellung die Person festgenommen, die die Bombe auf der Einkaufsstraße Istiklal hinterlegt haben soll. Das teilte Innenminister Süleyman Soylu am Montagmorgen nach Angaben des staatlichen Senders TRT mit. Es gebe Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Soylu kündigte laut TRT Vergeltung an. (Video von der Festnahme)

Die mutmaßliche Attentäterin sei Syrerin und habe Verbindungen zur syrischen Kurdenmiliz YPG zugegeben, teilte die Polizei mit. Die Türkei setzt die YPG mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gleich. Auf Videos sei zu sehen, dass die Frau etwa 40 Minuten lang auf einer Bank auf der Einkaufsstraße gesessen habe und kurz vor der Detonation aufstand, so Justizminister Bekir Bozdag.

Die Attentäterin gestand nach Angaben der Polizei auch, über Syrien illegal in die Türkei eingereist zu sein. Es habe im Zusammenhang mit dem gestrigen Anschlag 46 Festnahmen gegeben. Innenminister Süleyman Soylu hatte zuvor, zusammen mit der Hauptverdächtigen, noch von 22 Festnahmen gesprochen.

Türkischer Innenminister lehnt US-Kondolenzwünsche zu Anschlag ab

Der türkische Innenminister Soylu hat scharfe Worte an die USA gerichtet. Er wiederholte seinen Vorwurf an Washington, "Terrororganisationen" in Nordsyrien zu unterstützen und erklärte am Montag: "Wir nehmen die Kondolenzwünsche des amerikanischen Botschafters nicht an, wir weisen sie zurück." US-Konsulat und Botschaft hatten den Anschlag mit sechs Toten, wie andere Auslandsvertretungen auch, scharf verurteilt und Opfern Beileid ausgesprochen.

Die festgenommene Hauptverdächtige habe erklärt, ihren "Befehl" von der syrischen Kurdenmiliz YPG erhalten zu haben. Die Türkei sieht die YPG als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die USA wiederum sieht die YPG im syrischen Bürgerkrieg als Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Sicherheitskräfte stehen am Ort der Explosion auf der beliebten Fußgängerzone Istiklal in Istanbul.
Sicherheitskräfte stehen am Ort der Explosion auf der beliebten Fußgängerzone Istiklal in Istanbul. © Emrah Gurel/AP/dpa

Bei dem Anschlag am Sonntagnachmittag starben nach offiziellen Angaben mindestens sechs Menschen, weitere 81 wurden verletzt. Vizepräsident Fuat Oktay sprach am Abend von einem "Terroranschlag". Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem "hinterhältigen Anschlag" auf die Metropole, in der rund 16 Millionen Menschen leben.

Unter anderem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock drückte ihr Mitgefühl aus. "Furchtbare Bilder kommen aus Istanbul", erklärte die Grünen-Politikerin über Twitter. "Meine Gedanken sind bei den Menschen, die einfach nur an einem Sonntag auf der Einkaufsstraße Istiklal flanieren wollten und nun Opfer einer schweren Explosion wurden." Die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre, verurteilte die "Gewalttat". "Wir stehen im Kampf gegen Terrorismus Seite an Seite mit unserem Nato-Verbündeten Türkei", erklärte sie weiter für das Weiße Haus.

© dpa Grafik

Die Einkaufsstraße Istiklal ist ein touristischer Hotspot im Zentrum des europäischen Teils der türkischen Metropole, auf der auch am Sonntag häufig großes Gedränge herrscht. Ob Deutsche oder Angehörige anderer Nationen unter den Opfern waren, war zunächst unklar.

Rundfunkbehörde verhängt Nachrichtensperre

In türkischen Medien wurde die Berichterstattung zu dem Anschlag größtenteils eingestellt. Die Rundfunkbehörde Rtük verhängte eine vorläufige Nachrichtensperre für Medien. Berichte über die Explosion sollten vermieden werden, um nicht für Angst und Panik in der Bevölkerung zu sorgen, hieß es in dem Schreiben am Nachmittag. Die Behörde für Informationstechnologie und Kommunikation (BTK) reduzierte am Abend Berichten zufolge zudem die Bandbreite für Social-Media-Plattformen. Für Nutzer bedeutete das, dass Seiten deutlich langsamer oder nur noch via VPN erreichbar waren.

In der Türkei ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen gekommen - auch im Zentrum Istanbuls. 2016 hatte sich etwa ein Selbstmordattentäter auf der Istiklal in die Luft gesprengt und vier Menschen getötet, 39 weitere wurden verletzt. Nach Angaben der türkischen Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Gruppe selbst bekannte sich damals nicht zu der Tat.

Auch die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verübt immer wieder Anschläge in der Türkei. Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste und unterhält Stellungen in der Südosttürkei und im Nordirak. Ihr Hauptquartier liegt in den nordirakischen Kandil-Bergen. Ankara geht regelmäßig gegen die PKK vor und unterhält seit 2016 auch Militärposten im Nordirak.

Der seit 1984 andauernde Konflikt kostete bislang Zehntausenden Menschen das Leben. Ein Waffenstillstand war im Sommer 2015 gescheitert. (dpa)

PKK weist Verantwortung für Anschlag zurück

Die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK hat die Verantwortung für den Anschlag von sich gewiesen. Ein Angriff auf die Zivilbevölkerung auf türkischem Boden käme in keinem Fall infrage, hieß es am Montag in einer von der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF veröffentlichten Erklärung. Die Gruppierung unterstütze keine Angriffe, die direkt gegen Zivilisten gerichtet seien.

In der Erklärung hieß es weiter, die türkische Regierung wolle unter anderem von dem Einsatz von Chemiewaffen gegen kurdische Milizen ablenken. Ankara war zuletzt mit dem Vorwurf konfrontiert worden, bei einem Militäreinsatz im Nordirak Chemiewaffen gegen Stellungen der PKK eingesetzt zu haben. Die Türkei dementiert die Anschuldigungen.