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Wenn Bauland nicht zum Ort gehört

Doreen Bodenberger und Nico Kaltschmidt haben ihr Haus im ehemaligen Außenbereich gebaut. Das darf nicht jeder.

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© André Braun

Von Maria Fricke

Gleisberg. Bis Weihnachten soll ihr Haus fertig sein. Zumindest soweit, dass sich Doreen Bodenberger und Nico Kaltschmidt darin einrichten können, um im nächsten Jahr offiziell ihre erste gemeinsame Bleibe in Gleisberg zu beziehen. Von außen ist das Haus fertig. Die Fassade ist gestrichen. Dach und Fenster sind eingebaut. Innen hat gerade der Fliesenleger losgelegt. Am 7. Juli war Spatenstich für das Traumhaus des Bormitzers und der Gleisbergerin. Doch der Weg dahin war lang. Denn eigentlich hätte das Paar auf dem Stück Land gar nicht bauen dürfen.

Die Fläche zwischen dem alten Gasthof in Gleisberg sowie der Kita Kinderburg entlang des Weges zum Sportplatz gehörte bis vor einiger Zeit zum sogenannten Außenbereich. Und in dem ist Bauen so ohne Weiteres nicht möglich. Schon mancher Bauherr ist damit gescheitert (siehe Beitrag unten). Doch das Paar hat eine Lösung gefunden, gemeinsam mit der Stadt Roßwein. „Wir haben für rund 6 000 Euro eine Abrundungssatzung für die Fläche gemacht“, sagt Bauamtsleiterin Petra Steurer. Mit dieser ist die Fläche dem Innenbereich zugeordnet worden und damit stand dem Bauvorhaben der Familie, zu der auch der siebenjährige Lysias Joel gehört, zumindest aus diesem Grund nichts mehr im Wege.

Doch die Abrundungssatzung hatte ihren Preis: „Die Kosten haben wir mit auf den Kaufpreis für das Grundstück umgelegt“, sagt Petra Steurer. Trotzdem blieb das Land für die jungen Leute bezahlbar. Anders als andere Flächen, über die sich die Familie informiert hatte. „Die anderen Grundstückspreise waren teilweise enorm hoch“, sagt Doreen Bodenberger. Die finanzielle Belastung durch die Abrundungssatzung hielt sich in Grenzen. Dafür musste das Paar viel Geduld für diese mitbringen.

Bisher zehn Bauvorhaben abgelehnt

Für den Laien ist es meist nicht nachvollziehbar, weshalb ein Grundstück sich im sogenannten Außenbereich befindet und dort nicht gebaut werden kann. Die Diskussion mit Bauwilligen seien daher oft sehr emotional, sagt Petra Wein, Leiterin des Bereichs Kreisentwicklung und Bauen im Landratsamt Mittelsachsen.

Oftmals erreiche sie der Vorwurf, dass das Amt seinen Spielraum nicht nutze und gegen die Bauherren entscheide. Doch dem sei nicht so. „Die gesetzlichen Grundlagen lassen kein Ermessen zu. Im Baurecht gibt es kein kann oder kann nicht, darf oder darf nicht. Es sind nur gebundene Entscheidungen zu treffen: Es ist, es wird, es muss“, so Wein.

Über wie viele Bauanträge den Außenbereich betreffend das Amt pro Jahr entscheidet, werde statistisch nicht erfasst. Dafür aber, wie viele Ablehnungen von Anträgen zur Errichtung von Einfamilienhäusern, die überwiegend im ländlichen Raum beantragt werden und wegen der Lage im Außenbereich keine Genehmigung erhalten, sagt Kreissprecher André Kaiser. 2015 und 2016 waren dies jeweils 13. In diesem Jahr sind es bis Ende Oktober zehn gewesen. Demgegenüber wurden durch die Bauaufsicht 2015 insgesamt über 800 Baugenehmigungen erteilt, 2016 über 920.

Generell verboten ist das Bauen im Außenbereich nicht. „In einigen Fällen lässt sich in der Diskussion mit dem Bauherrn eine Lösung finden. Dazu gehört aber auch, dass der Bauherr diese kooperativ mit unterstützt und gegebenenfalls seine ursprünglichen Pläne auch ändert“, sagt Kaiser. Entspreche der individuelle Bauwunsch der Ortsentwicklung, könne die Kommune eine Klarstellungs- und Ergänzungssatzung in die Wege leiten. Mit jener würden Freiflächen mit zur Ortentwicklung einbezogen. Möglich ist auch ein Bebauungsplan zur Innenentwicklung. Damit können größere Wiesenflächen zwischen vorhandener Bebauung in Anlehnung an den ländlichen Charakter zum Bauland erklärt werden, informiert Kaiser.

Liegen für das Grundstück weder Satzung noch Bebauungsplan vor, prüfe die Bauaufsichtsbehörde die Lage des Vorhabens in Hinblick auf die umgebende Bebauung. Dabei werde geschaut, ob sich links, rechts, vor oder hinter dem Areal Wohngebäude befinden und in welchem Abstand diese zum Vorhaben stehen. Gartenlauben oder Garagen hätten als Nebenanlagen keinen Einfluss auf die Bewertung.

Doch warum lehnt die Bauaufsicht in einigen Fällen das Bauen im Außenbereich ab? Meist komme die Ablehnung, wenn öffentliche Belange dem Vorhaben entgegenstehen. Dies sei zum Beispiel dann der Fall, wenn durch das Vorhaben eine Splittersiedlung entstehe, sich verfestige oder erweitere. „Eine Splittersiedlung ist eine lose Ansammlung von einigen wenigen Häusern, die abseits der verdichteten Ortsbebauung liegt“, erklärt Kaiser. (DA/mf)

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„Im Oktober 2015 haben wir uns für den Hausbau entschieden, im Januar 2016 haben wir das Haus gekauft“, erzählt Doreen Bodenberger. Im Sommer 2016 sei dann der Grundstückskauf erfolgt. Aber erst ein Jahr später ist mit dem Bau des Hauses durch die Firma Wachsbau aus Roßwein begonnen worden. „Solange haben die Umschreibung und der anschließende Bauantrag gedauert“, sagt die 30-Jährige, die zurzeit noch nur wenige Meter entfernt von ihrem neuen Zuhause lebt. „Wir haben immer wieder nach dem Stand der Dinge gefragt“, sagt Nico Kaltschmidt.

Um die 100 Seiten habe der Schriftverkehr allein bezüglich der Satzung umfasst. Auch die umliegenden Gemeinden und Landkreise seien dazu befragt worden, wie Nico Kaltschmidt sagt. Um diese Art „kleinen Bebauungsplan“ zu erstellen, würden sämtliche Behörden angeschrieben, bestätigt Petra Steurer. Auch das Landratsamt musste seine Stellungnahme abgegeben. „Zudem muss der Stadtrat die Satzung abwägen“, so Roßweins Bauamtsleiterin. Im November 2016 hätte das Paar endlich den Bauantrag abgegeben können, sagt Nico Kaltschmidt

Zum Glück sei das Paar vom Bauunternehmen gut beraten worden. „Wir haben unsere Wohnungen noch nicht gekündigt. Die Bauleiter geben uns ein Zeichen, wann wir dies tun sollen“, sagt Doreen Bodenberger. Kurz vor dem Einzug zählt die Familie die Tage. Zwischendurch erscheint die Zeit bis zur Schlüsselübergabe sehr langwierig. Die Wartezeit auf die fertige Abrundungssatzung hat das Paar aber nicht sinnlos verstreichen lassen. „Wir haben unsere Wunschliste fürs Haus erstellt, alles mit dem Kredit geklärt und mehrfach das Musterhaus besucht“, erzählen die beiden. Alles in allem seien Bodenberger und Kaltschmidt froh, dass es überhaupt geklappt hat und auch über die gute Zusammenarbeit mit der Stadt. „Die Mitarbeiter im Bauamt waren total nett“, so Bodenberger.

„Satzung ist kein Allheilmittel“

Dass sie einmal mit ihrer Familie auf dem Land bleiben will, stand für die junge Frau, die in Döbeln arbeitet, früh fest. „Ich gebe doch nicht auf, was ich jetzt schon hier habe. Die Anbindung zur Arbeit und zur Autobahn ist super. Wir haben gleich einen Spiel- und einen Sportplatz hier“, zählt die 30-Jährige die Vorteile auf. „Wir haben hier Ruhe und sind trotzdem schnell überall“, ergänzt ihr Lebensgefährte. Und auch Lysias Joel habe seine Freunde im Ort, spielt Fußball in Gleisberg und kommt mit dem Bus gut zur Grundschule Am Weinberg nach Roßwein. „Er hat den kürzesten Weg zur Bushaltestelle“, sagt Doreen Bodenberger. Denn der Haltepunkt ist nur wenige Meter vom neuen Haus entfernt.

Dass sich die Familie statt für eine Wohnung für den Hausbau entschieden hat, hat einen einfachen Grund: „Für eine ordentliche Wohnung zahlt man auch viel Miete. Und so haben wir etwas Eigenes“, begründet Kaltschmidt, der in Nossen arbeitet.

Für die Gleisberger stellte der Außenbereich keine unüberwindbare Hürde da. Doch das ist nicht überall so. „Die Abrundungssatzung ist kein Allheilmittel“, betont Bauamtsleiterin Petra Steurer. „Die Zahl der Anträge hat nicht zugenommen, aber ich habe das Gefühl, dass es früher einfacher gewesen ist“, ergänzt sie. Als Stadt sei man froh über jeden Bauwilligen. „Wir haben den Leuten bisher immer unsere Hilfe zugesagt“, so Steurer. Die Entscheidungshoheit liege aber beim Landratsamt.