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Wenn der Einsatz Geld kostet

Das Gerücht hält sich hartnäckig – Feuerwehreinsätze sind kostenlos. Doch das stimmt nicht. Aber wann muss der Bürger wirklich zahlen?

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© Fotos/Montage: Hübschmann/Archiv

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Der Schreck war heftig. Jochen Dreetz – Architekt aus Kaiserpfalz in Sachsen-Anhalt – stand im Juli 2015 nicht nur völlig fassungslos vor der früheren Panzerwerkstatt an der Elsterwerdaer Straße, die komplett ausgebrannt war. Einer seiner ersten Gedanken war auch, dass er für seine Immobilie keine Feuerversicherung hatte. Vor gut zehn Jahren hat der Grünenpolitiker das Gelände günstig vom Pleite gegangenen Betreiber der ehemaligen Sachsenflug GmbH Michael Kilian gekauft. Doch mehr war daraus nie geworden. Nun drohte eine saftige Rechnung, immerhin waren über 60 Feuerwehrleute im Einsatz, mit der Drehleiter und jeder Menge anderer Technik. Denn laut Blaulichtgesetz, das seit 2004 den Einsatz aller Rettungskräfte regelt, müssen viele Einsätze der Feuerwehren tatsächlich von Bürgern, Unternehmern, Veranstaltern oder Nachbargemeinden selbst bezahlt werden. Großenhain hat da seit Jahren durch seine strenge Gebührensatzung von sich Reden gemacht. Für Jochen Dreetz wäre das ein Fiasko gewesen. Sein Glück im Unglück: Ermittler stellten schnell fest, dass hier Brandstiftung vorlag. Die Stadt hätte die Rechnung also dem Brandstifter präsentiert. Ist der verurteilt, kann aber nicht zahlen, bleibt die Kommune aber auch auf den Kosten sitzen.

Brandstifter sind oft mittellos

Jetzt ist der Fall aber zu den Akten gelegt: der Täter wurde nicht gefunden. Die Stadt Großenhain konnte keine Rechnung schicken. Über 36 500 Euro Gebühren hat sich die Stadt Großenhain im letzten Jahr von den Bürgern für Hilfseinsätze zahlen lassen. „Nach der Feuerwehr kommt die Rechnung“ titelte die SZ vor Kurzem nach dem Großbrand in der Bäckerei Raddatz. Doch wann müssen Bürger eigentlich zahlen? In Großenhain und für jeden Einsatz, zu dem Großenhainer Feuerwehren zu Hilfe gerufen werden, ist das ganz klar in der Gebührensatzung der Stadt geregelt. Brandstifter müssen natürlich zahlen, das ist klar. Wer grob fahrlässig einen Brand oder einen Unfall verursacht, muss ebenfalls löhnen.

Ob es jedoch als grob fahrlässig gilt, das Bügeleisen am Netzstecker zu vergessen, müsste im Zweifelsfall erst ein Gericht entscheiden. Auch für ungenehmigte Lagerfeuer oder die Beseitigung von Unwetterschäden ist zu zahlen, wenn die Kameraden helfen. Zahlen müssen zum Beispiel auch stets die Halter von Fahrzeugen, wenn etwas passiert. Egal, ob Kabelbrand, ausgelaufenes Öl oder sonstiger Defekt. Im Normalfall springt hier die Versicherung ein. Dumm nur, wenn jemand ohne Versicherung fährt oder eine Anlage betreibt. Denn: auch Betreiber oder Eigentümer von Anlagen wie Tankstellen, Chemiebetriebe, Maschinen, etc. sind kostenpflichtig. Genauso Veranstalter von Flugshows, Konzerten oder Discos. Wird ein Tier gerettet, kommt auch eine Rechnung – wenn es um einen Menschen geht, dagegen nicht.

Auch Fehlalarme müssen bezahlt werden – egal ob ein Kochtopf gequalmt hat oder Staub auf der Baustelle den Melder schrillen lässt. Teuer wird es, wenn die Rettungsleitstelle die Drehleiter losschickt. 393 Euro kostet die Großenhainer Drehleiter pro angefangene Stunde. Umgelegt werden dabei nur die laufenden Wartungs- und Betriebskosten. Fördergelder bei der Anschaffung sind herausgerechnet. Dazu kommen aber auch die Kosten für sämtliche Verbrauchsmittel, Pumpen, Schläuche, Personalkosten. Für kontaminiertes Material fallen dazu die tatsächlichen Entsorgungskosten an. Alleine das kann heutzutage teuer werden. Jede Einsatzstunde eines Kameraden kostet extra – 38,07 Euro.

Ein Verzicht auf jegliche Gebühren, wie vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag vorgeschlagen, hieße auch, dass die Bürger nichts zahlen. Denn man kann schwerlich von Bürgern und Firmen verlangen, was man als Kommune nicht tut. Doch diesen Weg ist Großenhain 2010 unter dem Ex-OB Burkhard Müller nicht gegangen. Während die Gemeinden im Osten sich nur die anfallenden Sachkosten erstatten, erhebt Großenhain auch von seinen Nachbarn Gebühren. Im Meißner Land verzichten die Kommunen untereinander gänzlich aufs Rechnung schreiben.