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Wenn der Pflegebeitrag explodiert

Die ASB-Heime in Königsbrück und Bernsdorf heben die Betreuungskosten stark an. Bewohner sind schockiert.

Von Frank Oehl
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Im ASB-Pflegeheim „Am Schlosspark“ in Königsbrück leben 62 Pflegebedürftige.
Im ASB-Pflegeheim „Am Schlosspark“ in Königsbrück leben 62 Pflegebedürftige. © Aircontrol

Edeltraud Enders und Heidrun Lode sind verzweifelt. Die Schwestern, beide schon Rentnerinnen, haben ihre Mutter seit zwei Jahren im ASB Pflegeheim „Am Schlosspark“ in Königsbrück untergebracht. Die 91-Jährige habe sich zuletzt gut eingelebt, sagen sie. Seit ein paar Wochen aber durchleben nicht nur die Mutter, sondern auch die Töchter „eine besonders schwere Zeit“, wie es heißt.

Das hat ein Schreiben der ASB Dresden & Kamenz gGmbH ausgelöst. Das kleine „g“ steht bekanntlich für „gemeinnützig“, was aber nicht davor schützt, ordentlich zur Kasse gebeten zu werden. „Bislang hat die Mutter einen Eigenbeitrag zum Pflegegrad 3 von 1.434 Euro bezahlt. Ab 1. November könnten es 2.290 Euro sein“, heißt es. „Das wäre eine unglaubliche Erhöhung“, sagt Heidrun Lode. Und die 70-Jährige fügt hinzu: „Das kann die Mutter niemals bezahlen. Und wir auch nicht.“ Natürlich habe man gleich Widerspruch eingelegt, aber am Ende müsste es eigentlich auf die Beendigung des Pflegevertrages hinauslaufen. „Aber unsere Mutter will in kein anderes Heim mehr. Also bliebe uns nur der Gang zum Sozialamt.“

Die Schreiben des Arbeitersamariterbundes sind Ende September raus. Sie haben den Betreff „Neue Heimentgelte ab 1. November 2019“. Dem „massiven Fachkräftemangel“ könne man nur durch eine „faire und auskömmliche Bezahlung der Pflegekräfte“ entgegentreten, heißt es. „Wir haben uns daher entschlossen, unsere Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung, die täglich für Sie und Ihre Angehörigen da sind, ab 1. November in Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes zu bezahlen.“ Inzwischen wurde bekannt, dass der Termin der Einführung der neuen Pflegesätze vom 1. November 2019 auf den 1. Januar 2020 verschoben wird. Damit trete die Entlohnung der Mitarbeiter mit Gehältern nach Tarif des öffentlichen Dienstes auch erst ab Januar in Kraft. Das ist übrigens die erste Erhöhung seit fast drei Jahren, wie ASB-Geschäftsführer Peter Großpietsch mitteilt.

Man gehe aber schon jetzt davon aus, dass nicht alle Bewohner und deren Angehörige die höheren Belastungen aus eigener Kraft werden bezahlen können. Zu einer Veranstaltung im Heim am 29. Oktober werde man deshalb auf die Sozialhilfemöglichkeiten hinweisen, heißt es. Dabei dürfte sich auch der allgemeine Frust über die Pflegekostenexplosion artikulieren. „Eine Bezahlung nach der Höhe des öffentlichen Dienstes sei den Pflegekräften ja gegönnt“, heißt es in den sozialen Netzwerken schon jetzt. „Allerdings müsste dann auch die öffentliche Hand beteiligt sein.“ Der Fingerzeig geht in Richtung kommunaler bzw. staatlicher Verantwortung. Krankenkassen wie die DAK haben die Forderung bereits aufgemacht, dass die Pflegekosten gedeckelt werden müssten und der Rest mit Steuerzuschüssen auszugleichen ist.

Auch für den Arbeitersamariterbund wäre der Sockelbetrag richtig, aber dennoch nur ein Teil der Lösung, wie Peter Großpietsch im SZ-Gespräch sagt. Ebenso wichtig wäre endlich ein überall gültiger Pflegetarifvertrag. „Der ist alternativlos!“

Auch, um dem Konkurrenzdruck entgegenzuwirken, habe man sich jetzt zu einem wirklich großen Schritt durchgerungen. Ab Januar erhalte jeder Mitarbeiter je nach Tätigkeit zwischen 20 bis 40 Prozent mehr Gehalt. Die bisherigen Informationsveranstaltungen zu den neuen Pflegesätzen seien schwierig verlaufen, räumt der Geschäftsführer Peter Großpietsch ein. „Immer wieder wird uns vorgeworfen, wir würden uns die Taschen vollstopfen. Dabei müssen wir über jeden Posten exakt Rechenschaft ablegen. Zum Beispiel auch gegenüber dem Finanzamt, was notwendige Rücklagen betrifft.“ Und man wolle ab 1. November sogar in Vorleistungen gehen, so Großpietsch. „Wer uns signalisiert, dass er das Sozialamt einbezogen hat, bekommt zunächst nur den bisherigen Pflegebeitrag abgezogen.“ Dies dürfte auch auf Edeltraud Enders und Heidrun Lode und ihre 91-jährige Mutter zutreffen.