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Wenn die Neiße eher trennt als verbindet

Fortschritte und Rückschritte, Erfolge und Schwierigkeiten, die bis heute nicht gelöst sind – darum ging es am Dienstag im Schlesischen Museum in Görlitz.

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© Jens Trenkler

Von Susanne Sodan

Görlitz. Es ist lange her, aber es hat den Fall schon gegeben, bei Bad Muskau. Ein Mann aus Deutschland war in einem polnischen Markt einkaufen, erkrankte dort plötzlich schwer. Polnischer und deutscher Rettungsdienst wurden alarmiert. Der deutsche war näher dran, stoppte aber an der Grenze, wohl aus Unsicherheit über die Kompetenzen. „Das war noch, bevor Polen zur EU gehörte“, erzählt Andreas Wünsche vom ASB Görlitz. „Die deutsch-polnische Zusammenarbeit steckte noch in den Kinderschuhen.“ Der polnische Rettungsdienst fuhr zu dem Mann, brauchte aber länger. Kann so etwas heute noch einmal passieren? „Wir haben große Fortschritte gemacht in der Zusammenarbeit“, erzählt Andreas Wünsche. Fortschritte und Rückschritte, Erfolge und Schwierigkeiten, die bis heute nicht gelöst sind – darum ging es am Dienstag im Schlesischen Museum. Das sächsische Innenministerium hatte zu einer Tagung für Gemeinden aus Sachsen und Niederschlesien im Grenzraum geladen. Gesprochen wurde über die Kooperation in drei Bereichen: Katastrophenschutz, Gesundheitsversorgung und gemeinsame Trink- und Abwassernetze. Themen, die nicht nur an der deutsch-polnischen Grenze bewegen. Manche Gäste hatten eine weite Reise hinter sich: Es waren auch Vertreter von der deutsch-dänischen Grenze und vom Dreiländereck Schweiz-Deutschland-Frankreich vor Ort. Manche ihrer Grenzschwierigkeiten hörten sich ganz ähnlich an, Sprachbarrieren zum Beispiel. Ein Blick auf aktuelle Grenzprobleme und darauf, wie andere damit umgehen.

Drei Beispiele aus der Praxis

Notärzte warten auf Klarheit  Wenn an der Dreiradenmühle in Zgorzelec jemand zusammenbrechen würde und ein deutscher Rettungswagen stünde zufällig gerade in der Nähe der Altstadtbrücke – würde er rüber fahren auf die polnische Seite. „Mit großer Wahrscheinlichkeit“, sagt Gerold Noack, zuständig fürs Rettungswesen des Landkreises. Zu hundert Prozent Ja sagen kann er aber einfach noch nicht. Der Kooperationsvertrag für die lokale Zusammenarbeit ist noch nicht unterschrieben. „Wir sind im grenzüberschreitenden Rettungswesen sehr vorangekommen“,sagt er. Schon seit vielen Jahren fahren deutsche Rettungsdienste für Krankentransporte zu polnischen Hospitälern und andersrum. Versicherungen und Wegerechte für solche Einsätze sind fürs Personal geklärt. Seit 2011 gibt es ein übergeordnetes Rahmenabkommen zur Notfallrettung zwischen dem Bund und Polen. Aber um die Regeln direkt vor Ort festzulegen, braucht es die Kooperationsvereinbarung. „Die ist in den letzten Bearbeitungen, aber die Unterschriften fehlen eben noch. Ich hoffe, es klappt dieses Jahr“, erzählt Noack. Bis dahin aber ist die grenzüberschreitende Notfallrettung rein formal noch immer Grauzone. „In der Praxis können wir aber nicht auf Tag X warten.“
Notärzte warten auf Klarheit Wenn an der Dreiradenmühle in Zgorzelec jemand zusammenbrechen würde und ein deutscher Rettungswagen stünde zufällig gerade in der Nähe der Altstadtbrücke – würde er rüber fahren auf die polnische Seite. „Mit großer Wahrscheinlichkeit“, sagt Gerold Noack, zuständig fürs Rettungswesen des Landkreises. Zu hundert Prozent Ja sagen kann er aber einfach noch nicht. Der Kooperationsvertrag für die lokale Zusammenarbeit ist noch nicht unterschrieben. „Wir sind im grenzüberschreitenden Rettungswesen sehr vorangekommen“,sagt er. Schon seit vielen Jahren fahren deutsche Rettungsdienste für Krankentransporte zu polnischen Hospitälern und andersrum. Versicherungen und Wegerechte für solche Einsätze sind fürs Personal geklärt. Seit 2011 gibt es ein übergeordnetes Rahmenabkommen zur Notfallrettung zwischen dem Bund und Polen. Aber um die Regeln direkt vor Ort festzulegen, braucht es die Kooperationsvereinbarung. „Die ist in den letzten Bearbeitungen, aber die Unterschriften fehlen eben noch. Ich hoffe, es klappt dieses Jahr“, erzählt Noack. Bis dahin aber ist die grenzüberschreitende Notfallrettung rein formal noch immer Grauzone. „In der Praxis können wir aber nicht auf Tag X warten.“
Taxifahrer scheitern an Bürokratie  Rein theoretisch könnten Görlitzer Taxis nach Zgorzelec fahren. In der Praxis aber machen sie es nicht. „Es wäre derart kompliziert, das tut sich keiner an“, sagt Andreas Gritzner. „Wir müssten im Grunde alles doppelt haben“, erzählt er. Es fängt mit der Technik an. „Es ist rechtlich so festgelegt, wir müssten in Zgorzelec mit in Polen zugelassenen Taxometern fahren.“ Die Taxifahrer müssen außerdem bei der polnischen Steuerbehörde gemeldet sein. „Nach meinem letzten Kenntnisstand kostet die Anmeldung um die 900 Euro. Dazu würden die Kosten für ein polnisches Steuerbüro kommen.“ Und man müsste immer genau auseinanderhalten, wie viele Kilometer man nun in welchem Land gefahren ist. Andersrum ist es übrigens leichter, erklärt Andreas Gritzner. „Die polnische Kollegen haben das Glück, dass sie nach deutscher Gesetzgebung zehn Kilometer über die Grenze fahren können, ohne dafür in Deutschland Steuern zahlen zu müssen.“ Würde er sich so eine Regelung auch andersrum wünschen, zehn Kilometer steuerfrei nach Polen? „Es wäre ein Anfang. Am liebsten wäre mir aber, dass jeder Fahrer seine Steuern in dem Land bezahlt, in dem er sein Gewerbe angemeldet hat. Es würde sich doch ausgleichen.“
Taxifahrer scheitern an Bürokratie Rein theoretisch könnten Görlitzer Taxis nach Zgorzelec fahren. In der Praxis aber machen sie es nicht. „Es wäre derart kompliziert, das tut sich keiner an“, sagt Andreas Gritzner. „Wir müssten im Grunde alles doppelt haben“, erzählt er. Es fängt mit der Technik an. „Es ist rechtlich so festgelegt, wir müssten in Zgorzelec mit in Polen zugelassenen Taxometern fahren.“ Die Taxifahrer müssen außerdem bei der polnischen Steuerbehörde gemeldet sein. „Nach meinem letzten Kenntnisstand kostet die Anmeldung um die 900 Euro. Dazu würden die Kosten für ein polnisches Steuerbüro kommen.“ Und man müsste immer genau auseinanderhalten, wie viele Kilometer man nun in welchem Land gefahren ist. Andersrum ist es übrigens leichter, erklärt Andreas Gritzner. „Die polnische Kollegen haben das Glück, dass sie nach deutscher Gesetzgebung zehn Kilometer über die Grenze fahren können, ohne dafür in Deutschland Steuern zahlen zu müssen.“ Würde er sich so eine Regelung auch andersrum wünschen, zehn Kilometer steuerfrei nach Polen? „Es wäre ein Anfang. Am liebsten wäre mir aber, dass jeder Fahrer seine Steuern in dem Land bezahlt, in dem er sein Gewerbe angemeldet hat. Es würde sich doch ausgleichen.“
Pizzabäcker liefern nur bis zur Grenze  Bei Pizza muss die grenzübergreifende Zusammenarbeit doch einfach stimmen. Es gibt ja auch auf beiden Seiten beliebte Pizzerien, die jeweils auch Kunden von der anderen Neißeseite anziehen. Nur, deutsche Lieferfahrzeuge in Polen und polnische in Deutschland, das sieht man kaum. „Nein, wir fahren nicht nach Görlitz“ und „Nein, wir liefern nicht nach Zgorzelec“ heißt es bei „Hallo Pizza“ wie bei „Bazylia – Pizza & Pasta“ gleichermaßen. „Ich könnte es theoretisch machen“, sagt René Nerling von der Pizzeria Portofino in Görlitz. „Man kann eine internationale Steuernummer beantragen, das habe ich getan“, erzählt er. Er hätte sogar Personal bei der Hand, das sich in Zgorzelec auskennt, um die Pizzen zu liefern. „Aber ich würde es einfach nicht schaffen“, erzählt er. „Ich habe einen kleinen Laden und mache alles alleine. Ich bin schon voll ausgelastet mit den Görlitzer Kunden.“ Bei einer anderen Görlitzer Pizzeria liegt der Fall anders. „Wir liefern nur im Stadtgebiet von Görlitz aus“, erzählt ein Mitarbeiter. Kunnerwitz fällt also auch raus. Auch wenn es anders wäre, könnte er sich vorstellen, dass sich Schwierigkeiten ergeben würden. Probleme bei der Verständigung vielleicht oder bei der Suche nach der richtigen Adresse.
Pizzabäcker liefern nur bis zur Grenze Bei Pizza muss die grenzübergreifende Zusammenarbeit doch einfach stimmen. Es gibt ja auch auf beiden Seiten beliebte Pizzerien, die jeweils auch Kunden von der anderen Neißeseite anziehen. Nur, deutsche Lieferfahrzeuge in Polen und polnische in Deutschland, das sieht man kaum. „Nein, wir fahren nicht nach Görlitz“ und „Nein, wir liefern nicht nach Zgorzelec“ heißt es bei „Hallo Pizza“ wie bei „Bazylia – Pizza & Pasta“ gleichermaßen. „Ich könnte es theoretisch machen“, sagt René Nerling von der Pizzeria Portofino in Görlitz. „Man kann eine internationale Steuernummer beantragen, das habe ich getan“, erzählt er. Er hätte sogar Personal bei der Hand, das sich in Zgorzelec auskennt, um die Pizzen zu liefern. „Aber ich würde es einfach nicht schaffen“, erzählt er. „Ich habe einen kleinen Laden und mache alles alleine. Ich bin schon voll ausgelastet mit den Görlitzer Kunden.“ Bei einer anderen Görlitzer Pizzeria liegt der Fall anders. „Wir liefern nur im Stadtgebiet von Görlitz aus“, erzählt ein Mitarbeiter. Kunnerwitz fällt also auch raus. Auch wenn es anders wäre, könnte er sich vorstellen, dass sich Schwierigkeiten ergeben würden. Probleme bei der Verständigung vielleicht oder bei der Suche nach der richtigen Adresse.