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Wenn die Schufa den Schlaf raubt

Nach einem BGH-Urteil muss die Schufa nicht offenlegen, wie sie die Bonität von Verbrauchern berechnet. Geklagt hatte eine Frau, nachdem ein Autokauf wegen ihrer Schufa-Auskunft geplatzt war.

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© dpa

Peter Zschunke

Karlsruhe. Für die Schufa war sie „ein unbeschriebenes Blatt“. Gestern hätte die 54-Jährige Rechtsgeschichte schreiben können. Doch der Bundesgerichtshof wies ihr Verlangen nach umfassender Transparenz zurück. Die Angestellte aus Hessen ging vergeblich durch drei Instanzen, um zu erfahren, wie die Wirtschaftsauskunftei die Werte für ihre Kreditwürdigkeit berechnet hat.

Während der knapp einstündigen Verhandlung wirken die Rechtsgelehrten in den roten Roben nachdenklich. „Die Sache hat doch ein paar Ecken“, sagt der Vorsitzende Richter Gregor Galke. Er fragt nach, will von Schufa-Anwalt Matthias Siegmann wissen, wie die Firma denn zu ihrem „Scoring“, zur Bewertung der Bonität, gekommen ist, wenn gar keine Daten über das Zahlungsverhalten der Klägerin vorlagen – „nur um es zu verstehen“.

Genau das verlangt das Bundesdatenschutzgesetz: Scoring-Stellen wie die Schufa müssen „in allgemein verständlicher Form“ darlegen, wie die Wahrscheinlichkeitswerte zur Kreditwürdigkeit zustande gekommen sind. Der Anwalt holt weit aus, verweist auf „wissenschaftlich anerkannte statistisch-mathematische Verfahrensweisen“. Die Klägerin sei bei der ersten Auskunft „ein unbeschriebenes Blatt“ gewesen. Deswegen sei ihre Bewertung anhand einer Vergleichsgruppe ermittelt worden, zu der es ebenfalls keine weiteren Daten gebe. Die genaue Formel müsse Geschäftsgeheimnis bleiben.

Die Schufa-Regeln

Was wird gespeichert?

In der Regel Name, Geburtsdatum und die Anschrift, außerdem Daten zu Bankkonten, Kreditkarten, Krediten oder Bürgschaften, Mobilfunk- und Leasingverträge sowie Ratenzahlungsgeschäfte.

Was wird nicht gespeichert?

Kontostände, Einkommen, Vermögen, Beruf, Familienstand, Nationalität und Kaufverhalten.

Wer darf die Daten anfordern?

Kreditinstitute, Leasingunternehmen, Telekommunikationsanbieter, Versand- und Handelshäuser, Energieunternehmen. Umgekehrt liefern auch die Unternehmen Informationen.

Wann darf abgefragt werden?

Bei Geschäften mit nennenswertem Umfang, an die ein wirtschaftliches Risiko geknüpft ist. Wenn ein Vertrag abgeschlossen werden soll oder schon besteht. Bei Krediten, wenn der Weitergabe der Information zugestimmt wird (Schufa-Klausel). (dpa)

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Warum aber waren die Ergebnisse für drei Branchen unterschiedlich? Von 81,14 Prozent bei Geschäften mit Telekommunikationsunternehmen bis 92,94 Prozent bei Banken reichten die Scoring-Werte der Klägerin. Je geringer der Wert, desto höher soll die Wahrscheinlichkeit sein, dass sie einen Kredit nicht zurückzahlen kann. „Wie diese unterschiedlichen Werte zustande kommen, ist nicht nachvollziehbar“, sagt ihr Anwalt Wendt Nassall.

Der Klägerin schwirrt nach dem Schlagabtausch der Juristen der Kopf: „Für mich ging das zu schnell.“ Als sie im Oktober 2011 einen Kredit für ein Auto aufnehmen wollte, bekam sie ihn nicht. Die Schufa hatte eine Negativauskunft erteilt. Vor dem Sitzungssaal beschreibt sie, wie verletzend das war: „Das ist eine unvorstellbare nervliche Belastung. Sie kommen sich vor wie abgewertet, Sie haben schlaflose Nächte.“

Grund für die schlechte Bewertung war zwar nur eine Verwechslung seitens der Schufa, aber mit der Richtigstellung und der dann doch zustande gekommenen Finanzierung war die Sache für die Büroangestellte nicht erledigt. Sie hakt nach, bleibt hartnäckig.

Im Datenschutzrecht gehe es oft um Abwägungsentscheidungen, erklärt Fachanwältin Astrid Luedtke von der Hamburger Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. „Es gibt eine deutliche Tendenz, dass es in der Gesetzgebung in Richtung Transparenz geht. In der Rechtsprechung gibt es bislang aber nur wenige Entscheidungen dazu.“

Am Nachmittag verkündet Richter Galke die Entscheidung: „Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom März 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.“ Die Schufa darf also ihre Geheimnisse weiter für sich behalten. Verbraucher können auf Anfrage erfahren, was über sie gespeichert ist, nicht aber, mit welcher Gewichtung diese Daten bewertet werden.

Die Bewertungen von Auskunfteien wie der Schufa sind für Millionen Menschen wichtig, die Kredite aufnehmen oder Mietverträge abschließen wollen. Die Schufa-Werte sind nichts als Mathematik, wie Schufa-Anwalt Siegmann mit Blick auf die Klägerin sagt: „Das sind reine Wahrscheinlichkeitsaussagen. Es ist keinerlei Aussage über Sie als Person.“ (dpa)