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Wenn die Versicherung 8 000 Euro kostet ...

... müssen immer mehr Hebammen ihren Job aufgeben. Warum Christina König trotzdem weitermacht.

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© René Meinig

Von Julia Vollmer

Ihre Arbeitstage beginnen manchmal um 2 Uhr morgens oder enden im Morgengrauen. Ihre Tage lassen sich schwer planen, Babys kommen eben dann zur Welt, wann sie es wollen. Und trotz aller Unplanbarkeit, Alltagsstress und manchmal wenig Schlaf: Hebamme Christina König liebt ihren Job. „Ich möchte momentan keinen anderen auf der Welt machen, es ist jedes Mal toll, bei einer Geburt dabei sein zu können.“ Die 32-Jährige ist freiberufliche Hebamme und arbeitet in der Praxis Adebar in der Johannstadt.

Doch die Zahlen der freiberuflichen Hebammen sinken, nicht nur in Dresden, sondern bundesweit. Denn die Haftpflichtprämien steigen immer weiter. Eine Geburtshelferin braucht so eine Versicherung, um arbeiten zu dürfen. Als Grund nennen die Versicherungen die steigenden Regress-Ansprüche der Eltern. Stirbt ein Baby bei einer Geburt oder entstehen bleibende Schäden durch Sauerstoffmangel während der Geburt, muss die Versicherung der Hebamme zahlen. Doch diese Fälle sind extrem selten.

Rund 8 000 Euro pro Jahr überweist die freiberufliche Geburtshelferin Christina König seit dem 1. Juli an ihre Versicherung . Und die Summe steigt immer weiter. Ab 1. Juli 2020 werden es für die Geburtshelferinnen rund 9 097 bis 11 371 Euro sein, je nach Hebamme und deren Vorgeschichte. Dass diese Summen für Geburtshelferinnen schwer zu bewältigen sind, erzählten auch Annett Lorenz und Heike Erlenkämper aus dem Hebammenhaus auf der Louisenstraße am Montagabend im Rahmen der SPD-Veranstaltung „Geburtenhauptstadt ohne Helferinnen?“

Bis Ende Juni 2016 betrug die Versicherungssumme noch 6 270 Euro, 2004 rund 1 370 Euro. Rund 270 Euro bekommt eine Hebamme von der Krankenkasse für eine sogenannte Beleggeburt. Das heißt, wenn eine freie Hebamme eine Schwangere in die Klinik zur Geburt begleitet und die ganze Zeit an ihrer Seite bleibt. 450 Euro zahlt die Kasse für eine Geburt im Geburtshaus, 445 Euro für eine Hausgeburt. Vier Geburten schafft eine Hebamme pro Monat, erzählt Christina König. Jede einzelne sei sehr zeitaufwendig, dazu gehören viele Vor- und Nachuntersuchungen.

Kredit für Hebammen

Immer mehr Hebammen müssen ihren Beruf aufgeben. Das merkt auch Stephanie Hahn-Schaffarczyk, Vorsitzende des sächsischen Hebammen-Verbandes. „Viele werdende Mamas finden keine Hebamme mehr, die ihre Geburt im Geburtshaus oder zu Hause betreuen.“ Oder sie müssen schon ab positivem Schwangerschaftstest mit der Suche beginnen. Die Kapazitäten sind erschöpft. Einige Hebammen bieten keine Geburtenbetreuung mehr an, sondern nur noch Vor- und Nachsorge. Wie hoch die Zahl der Berufsaufgaben in Dresden ist, kann Hahn-Schaffarczyk nicht sagen, da sich die Freiberuflerinnen nicht abmelden müssen. Die Vorsitzende berichtet von Hebammen, die einen Kredit aufnehmen müssen, um für die Versicherung in Vorleistung zu gehen.

Doch es gibt einen Lichtblick. Der Spitzenverband der Krankenkassen hat den sogenannten Sicherstellungszuschlag beschlossen. Freie Hebammen können Unterstützung zur Haftpflichtprämie beantragen. „Der Sicherstellungszuschlag bedeutet eine Entlastung für Hebammen in der Geburtshilfe. Er ist für uns jedoch nur eine Zwischenlösung“, so Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands (DHV). Von Juli 2015 bis April 2018 wurden nach Aussage der Bundesregierung 20,56 Millionen Euro Zuschlag an 3 040 Hebammen ausgezahlt. Der DHV geht jedoch auf Basis der bei ihm rund 2 600 mit Geburtshilfe versicherten Hebammen davon aus, dass der bisher ausbezahlte Zuschlag nur rund die Hälfte der Kosten abdeckt.

Auch das Gesundheitsamt Dresden bestätigt die ernste Lage für den Beruf der Geburtshelferin. „Prinzipiell hat der Hebammenberuf an Attraktivität eingebüßt – sowohl als selbstständige Tätigkeit wie auch im Angestelltenverhältnis“, so Stadtsprecherin Anke Hoffmann. In den letzten Jahren seien deutschlandweit in Kliniken aus Kostengründen Stellen gestrichen und Geburtsabteilungen geschlossen worden. Die verbliebenen Geburtsabteilungen seien mitunter überlastet.

Was würde helfen?

Es gibt auch gute Nachrichten. „Wir konnten die Kapazitäten für die Hebammen- Ausbildung um 24 Plätze erhöhen“, sagt Stephanie Hahn-Schaffarczyk. „Ein kleiner, aber wichtiger Schritt.“ Denn das Interesse der jungen Frauen an dem Beruf sei weiterhin vorhanden.

Das hofft auch Christina König für ihren Berufsstand. Und was wünscht sie sich, um mehr Frauen als Hebamme zu halten? „Toll wäre es, wenn alle jungen Frauen einen Existenzgründungszuschuss bekämen. Das hätte mir damals geholfen.“ Und auch wichtig: eine Lösung für eine ganz alltägliche Sorge – die Parkplatzsuche. „Mit reservierten Parkplätzen könnte man uns Hebammen auch helfen. Damit wir bei Hausbesuchen nicht immer lange um den Block fahren müssen.“