Von Annechristin Bonß
Kostenlos Passbilder machen, Hilfe beim Ausfüllen der Hartz-IV-Unterlagen, ein Notpaket mit Lebensmitteln, wenn kein Cent mehr übrig ist, eine Tasse heiße Suppe, ein warmes Wort, eine liebe Geste, ein bisschen Würde, ein Stück Aufmunterung. Wer im Haus an der Reicker Straße 89 strandet, der sucht Hilfe. Und bekommt sie. Manchmal in kleinen Gesten, manchmal in überlebenswichtigen Dingen. Seit sechs Jahren kümmern sich Gert und Rosi Scharf um die Station der Heilsarmee in Dresden. Die Liste der Hilfsangebote lässt sich beliebig verlängern. Die Zahl der Hilfsbedürftigen und -suchenden steigt ständig. Doch nun ist diese Anlaufstation bedroht. Die finanzielle Situation der Heilsarmee sieht schlecht aus. Allein für dieses Jahr fehlen 20 000 Euro, um die Kosten für den laufenden Betrieb zu decken. Im kommenden Jahr könnte die Finanzlücke noch größer ausfallen.
Grund für die Misere ist die Finanzstruktur der Heilsarmee. Die finanziert sich hauptsächlich aus Spenden. Die kommen aus den Mitgliedsbeiträgen, aber auch von Dauerspendern, die monatlich einen festen Betrag überweisen. Das Problem: Viele der Dauerspender sind immer älter. „In diesem Jahr sind fast 20 von ihnen gestorben“, sagt Rosi Scharf. Deren Kinder oder Angehörige übernehmen die Dauerspende meist nicht. „Das reißt ein großes Loch in unser Budget“, sagt sie. Zwar finanziert auch das Sozialamt einen kleinen Teil der Arbeit. Und aus dem Verkauf gespendeter Kleidungsstücke im Secondhand-Geschäft „Zweite Chance“ in Reick gehen auch alle Einnahmen in das Budget. Das wird aber kleiner, von Jahr zu Jahr, mit jeder Spende, die weniger kommt.
Dabei werden die Hilfsangebote dringend gebraucht. Knapp 1 400 Menschen haben zum Beispiel im September dieses Jahres kostenlos Kleidungsstücke bekommen. 28 600 Euro waren diese wert. 60 zahlende Kunden kommen pro Tag in das Geschäft, davon sind ein Drittel Bedürftige. Bis zu 900 Personen im Monat profitieren von den Notfallpaketen. Davon sind 40 Prozent Kinder und Jugendliche. Diese Pakete werden immer dann ausgegeben, wenn die Hilfesuchenden kein Geld mehr haben. Die Experten sprechen von finanzieller Not unterhalb der Hartz-IV-Not. 120 Mittagessen pro Tag werden ausgegeben. Dafür zahlen die Bedürftigen 1,50 Euro. Insgesamt werden 2 200 Mahlzeiten pro Monat ausgegeben, auch als kostenloses Frühstück und am mobilen Suppenwagen. Bei allen Angeboten kommt es den Helfern auf eines an. „Wir helfen schnell, damit die Menschen schnell wieder allein klarkommen“, sagt Gert Scharf. In kostenlosen Beratungen werden Anträge ausgefüllt und Unterstützung für den Alltag gegeben. Neben den acht Mitarbeitern helfen 50 Ehrenamtliche bei der Heilsarmee mit.
Die ist eine der 40 sogenannten Korps in ganz Deutschland. Drei Viertel davon haben ähnliche finanzielle Probleme. Sie bekommen Zuschüsse aus der Deutschlandzentrale. Das könnte auch den Dresdnern helfen. Soll aber nicht die Dauerlösung sein. Denn auch die Zentrale lebt vor allem von Spenden. „Dresden ist bundesweit eins der wichtigsten Korps“, sagt Poldi Walz von der Zentrale der Heilsarmee in Berlin. Deshalb sollen die Scharfs mit ihrem Standort unterstützt werden. Und dürfen natürlich auch träumen. Schon lange planen sie einen Neubau hinter dem Haupthaus an der Reicker Straße. Für 1,8 Millionen Euro soll ein neues Küchenhaus mit größerem Tagestreff entstehen. 300 Mahlzeiten pro Tag könnten hier gekocht und ausgegeben werden. 80 Prozent der Kosten müssen die Dresdner selbst aufbringen. Sie hoffen auf Unterstützung der Stadt, auf Fördermittel und auf Spenden. Den Rest würde die Deutschlandzentrale stellen. Ein Millionenprojekt trotz schlechter Finanzlage? Rosi Scharf ist optimistisch. Aufgeben kommt für sie nicht infrage. „Die Leute brauchen Hilfe und Hoffnung“, sagt sie.
Informationen für Spender und Unterstützer gibt es unter 0351 3179246 und www.heilsarmee.de/dresden