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Wenn Küchen sterben

Zum Jahresende schließen die Essenversorger in Klitten und Boxberg. Für die Kunden wird das eine Umstellung.

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© André Schulze

Von Steffen Gerhardt

Unterricht wird in der Klittener Schule schon lange nicht mehr gegeben. Aber die Schulküche sorgt dafür, dass noch Leben in dem alten und unter Denkmalschutz stehenden Gebäude herrscht. In diesem kocht Ilona Medack nicht nur für die Rentner aus Klitten und Umgebung, sondern auch für den Kindergarten und eine Autowerkstatt im Ort. Doch damit soll es zum Jahresschluss vorbei sein. Denn ab neuem Jahr bleibt der Herd kalt.

Ein Entschluss, der Ilona Medack nicht leichtgefallen ist, aber die Umstände zwangen sie dazu, erklärt die 55-Jährige im Gespräch mit der SZ. „Mehrere Dinge führen dazu: meine eigene Gesundheit, die hohen Betriebskosten und die dringende Sanierung der Räume.“ Das alles nimmt ihr die Lust am Kochen, obwohl sie gern am Herd steht, betont die gelernte Köchin.

Für die Klittener ist Ilona Medack zu einer Institution geworden, was die Essenversorgung betrifft. 1987 hat sie als Köchin im alten Klittener Kindergarten angefangen. Als dort die Küche zugemacht wurde, wechselte sie in die Schulküche. Mit der Wende stand sie vor der Entscheidung, arbeitslos zu werden oder sich selbstständig zu machen. Also führte sie als Jungunternehmerin die Küche in der Schule fort. Dazu stellte sie zwei Kolleginnen ein. Als es die Klittener 1993 schafften, eine Mittelschule in ihren Ort zu holen, stieg die Zahl der Schüler und damit der Essenteilnehmer. Doch dieses Glück hielt nicht lange an. 2004 wurde der Schulstandort Klitten aufgegeben – „und ich musste mir neue Kunden suchen“, ergänzt Ilona Medack. Das wurden die Rentner in Klitten und Umgebung. Das bedeutete aber auch, mobil zu sein, um das Mittagessen in die Häuser bringen zu können.

Inzwischen sind es zwischen 35 und 40 Senioren, die ihr Mittagsmahl aus Klitten bekommen. Ein auf Stundenbasis beschäftigter Fahrer übernimmt den Transport der Menüs. Halb elf beginnt seine Tour, damit das Essen frisch in die Haushalte kommt. Über die Jahre hätte Ilona Medack mehr Leute versorgen können, aber das ist für sie logistisch nicht zu händeln. „Da hätte ich mir ein zweites Fahrzeug samt Fahrer anschaffen und die Preise erhöhen müssen“, sagt sie. Schon die jetzige Transportvariante belastet das Budget sehr.

Derzeit kostet ein Mittagessen aus der Klittener Küche zwischen vier und 4,70 Euro. Zwischen 90 und 100 Portionen werden täglich gekocht. Dabei achtet die Köchin darauf, auch kindgerechte Speisen anzubieten. Denn ein Drittel ihrer Essen liefert sie in die Kindereinrichtung des Ortes.

Mit der Schließung müssen sich nicht nur die Senioren und Werkstattbeschäftigten nach einem neuen Lieferanten umschauen, sondern auch die Kita. Ihr Träger ist der Martinshof Rothenburg und dieser ist auf der Suche nach neuen Anbietern. Das bestätigt Andreas Drese. Der Bereichsleiter ist zuständig für die Kindereinrichtungen des Diakoniewerkes. „Die Kündigung ist für uns ziemlich kurz gekommen, denn zum neuen Jahr brauchen wir schon einen neuen Versorger. Inzwischen haben wir mehrere angeschrieben und um Angebote gebeten“, erklärt Andreas Drese. Er fügt hinzu, dass sich auch weitere Küchen für die Essenversorgung bewerben können. Zusammen mit dem Kita-Personal, dem Elternrat und natürlich den Kindern als Hauptabnehmer soll entschieden werden, wer für das „Spatzennest“ kochen darf. Zwar hat der Martinshof eine eigene Küche, die auch mobil versorgt. „Aber der Weg von Rothenburg nach Klitten ist uns zu weit und zu teuer. Wir setzen auf einen Anbieter aus der Nähe“, sagt Drese.

Das könnte auch einer aus dem benachbarten Boxberg sein, aber auch dort wird es einen Versorger ab neuem Jahr weniger geben. Monika Weier schließt im Kraftwerksgelände zum Jahresende ihre Küche. „Ich gehe in Rente“, begründet sie ihren Entschluss. Dabei ist sie froh, ihren Küchenbetrieb bis zu ihrer Rente aufrechterhalten zu haben. „Das hat sehr nachgelassen“ nimmt sie Bezug auf ihre Kunden aus den vielen Betrieben, die sich einst um das Kraftwerk angesiedelt hatten. Doch nach und nach verschwanden sie wieder – und mit ihnen auch die Beschäftigten. Hinzu kommt, dass das Gewerbegebiet, in dem sie ihre Küche betreibt, eingezäunt wurde und nicht mehr öffentlich zugänglich ist. „Wegen der fehlenden Leute hatte ich bereits im August meinen Imbiss geschlossen. Seitdem koche ich nur noch für außerhalb.“ Ein Fahrer bringt täglich rund 90 Essen zu den Kunden in Boxberg, Reichwalde, Uhyst und weiteren Orten.

Dass ihre Küche schließt, hat Monika Weier schon im August publik gemacht. „Somit bleibt meinen Kunden genügend Zeit, sich nach einem neuen Essenanbieter umzuschauen.“ Wie die ausgebildete Küchenmeisterin inzwischen erfahren hat, ist das bei vielen Abnehmern bereits passiert. Auch ihre Mitarbeiterin hat – wie die Kollegin von Ilona Medack in Klitten – bereits einen neuen Arbeitsplatz in Aussicht. Damit haben beide Köchinnen wenigstens eine Sorge weniger.