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Wenn Nachbarschaft in Hass umschlägt

Zwei Streithähne sitzen sich gegenüber. Eine Vermittlung scheint unmöglich. Das Meißner Gericht versucht sie dennoch.

Von Jürgen Müller
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Wenn aus Nachbarschaft Feindschaft wird, endet dies oft in Tätlichkeiten wie auf diesem nachgestellten Foto.
Wenn aus Nachbarschaft Feindschaft wird, endet dies oft in Tätlichkeiten wie auf diesem nachgestellten Foto. © Andrea Warnecke/dpa

Meißen. Richter Michael Falk ist sichtlich genervt: „So wie Sie sich hier vor Gericht aufführen, kann ich mir sehr gut vorstellen, wie es bei Ihnen zugeht.“ Der angeklagte 60-jährige Meißner und sein drei Jahre jüngerer Nachbar sind sich seit Jahren spinnefeind. 

Die anfangs normale Nachbarschaft ist inzwischen einem tiefsitzenden Hass gewichen. Beide zeigen sich seit längerer Zeit gegenseitig an. Alle bisherigen Verfahren wurden eingestellt. Nun landet eine Sache mal vor Gericht. 

Körperverletzung und mehrfache Beleidigung seines Nachbarn wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor. Als sein Nachbar mit seinem Auto aus dem Grundstück fahren wollte, habe dieser sich vor das Fahrzeug gestellt und an die Heckscheibe gespukt. 

Dieser habe daraufhin das Fahrzeug verlassen, woraufhin ihm der Angeklagte ins Gesicht gespukt und ihn getreten und geschlagen habe. Er habe eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Hämatome erlitten. Brille und Uhr des Geschädigten seien kaputt gegangen. Der Geschädigte fuhr zur Polizei, zeigte den Mann an. Mal wieder.

Unklar ist, wann sich der Vorfall ereignet haben soll. Laut Anklage am 12. oder 13. Oktober 2017. Der Angeklagte hat ein vermeintliches Alibi. An beiden Tagen sei er zu dieser Zeit auf Arbeit gewesen. Als Kraftfahrer beliefert er Autohäuser, fährt seine Tour täglich ab 16 Uhr und ist um 22 Uhr wieder zurück. Zum Tatzeitpunkt um 17 Uhr sei er in Dresden gewesen. Dies bestätigt schriftlich seine Beifahrerin. Es ist seine geschiedene Ehefrau.

Der Geschädigte, der als Zeuge geladen wurde, ist aber auch kein Engel. Er gibt zu, dass auch er ausfällig geworden ist. „Ich muss mich zusammenreißen. Wenn ich richtig zuhaue, ist alles zu spät“, sagt er. 

Der Angeklagte mache ihm das Leben zur Hölle. Seine Freundin habe schon das Haus verkaufen und wegziehen wollen. Der Streit zwischen den beiden entzündete sich übrigens daran, dass der Angeklagte seinen Lkw vor dem Grundstück parkte, und zwar so, dass er mit seinem Transporter nicht oder nur schwer herausfahren konnte, sagt der Zeuge. 

Er wäscht mehrere Kübel voller dreckiger Wäsche, berichtet von Vorfällen, um die es bei der Verhandlung gar nicht geht. „Es wird Zeit, dass der mal einen Dämpfer kriegt, sonst hört das nie auf“, sagt er, während der Angeklagte im Gerichtssaal derart herumschreit, dass ihn die Staatsanwältin zur Mäßigung auffordert.

Klar ist, dass es die Situation weiter verschärft, wenn ein Urteil gesprochen würde. Richter Michael Falk und Staatsanwältin Yvonne Birke reden mit Engelszungen auf die beiden ein, eine Lösung zu finden.

 „Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten sind in aller Regel die schwarzen Peter relativ gleichmäßig verteilt“, sagt der Richter. „Sie müssen ja keine Freunde werden. Doch wenn sie so weitermachen, sehen wir uns noch jahrelang hier wieder“, appelliert die Staatsanwältin. 

Nach langen Verhandlungen stimmen die Streithähne schließlich einem Vermittlungsgespräch zu. Ein Mitarbeiter des sozialen Dienstes soll eine Schlichtung versuchen. Scheitert dies, wird das Verfahren wieder aufgenommen.