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Mein Striezelmarkt: eine Händlerin erzählt 

In Marlene Schällers Glühwein wirken 16 Gewürze. Sie befeuern ein anregendes Rätselraten um die Rezeptur.

Von Nadja Laske
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Ruhe vor dem Ansturm: Noch kann Marlene Schäller das Treiben vor ihrem Glühweinstand beobachten.
Ruhe vor dem Ansturm: Noch kann Marlene Schäller das Treiben vor ihrem Glühweinstand beobachten. © Marion Döring

Duftend kündigt sich die Weihnachtszeit an, weit vor Markttreiben und erstem Advent. Im Weingut Haus Steinbach sind die guten Gerüche längst in alle Zimmer gezogen. Das Radebeuler Idyll ist der Geburtsort einer besonderen Würze. Die entfaltet sich nun auf dem Striezelmarkt – in Form des Glühweins, den Marlene Schäller dort in die Tassen füllt.

Sie gehört zu den Neulingen unter den Budenbetreibern auf dem Altmarkt. Zwar sammeln sie und ihr Lebenspartner, Winzer Lutz Gerhardt, schon viele Jahre lang in Altkötzschenbroda Markterfahrung. Auch auf ihrem Weingut sind die beiden versierte Gastgeber. Der altehrwürdige Striezelmarkt sorgt trotzdem für ordentlich Lampenfieber. Und für großen Neuerrergeist mit einer Portion Mut im Vorfeld. Denn Marlene und Lutz haben ihren Glühweinstand ganz neu gestaltet. „Spicy Friends“ steht nun über ihrem liebevoll dekorierten Holzhäuschen. Würzige Freunde.

Die Bude für Freunde der Gewürze und gewürzte Freude. 
Die Bude für Freunde der Gewürze und gewürzte Freude.  © Marion Doering

„Die Idee dazu kam von unserer Kundschaft“, erzählt Marlene Schäller. Noch hat sie ein wenig Zeit für Plaudereien über den Hüttentresen. Am Wochenende wird das anders sein. Spätestens dann erwachen auch bei den Dresdnern die Weihnachtsgefühle, und sie drängen durch die Striezelgassen. Der gemäßigte Start seit Markteröffnung am Mittwoch lässt noch einmal tief durchatmen. Er gibt Gelegenheit, die Logistik zu prüfen, bevor alle Abläufe funktionieren müssen, wie am Schnürchen. 300 genormte Striezelmarkttassen haben Marlene und Lutz geordert. Sie werden regelmäßig zur professionellen Reinigung in einer externen Waschstraße abgeholt. Im Austausch gibt es neue Pötte.

Die befüllen sie anders als die meisten Glühweinhändler. „Aus 16 verschiedenen Gewürzen kochen wir einen Sud und vermischen ihn mit dem kalten Wein“, erklärt Marlene. Bis zu dem Moment, in dem sich der Wein im Stand in Glühwein verwandelt, wurde er nie erhitzt. Heiß wird er erst, indem er die spezielle Zapfanlage durchläuft. „So bleibt der Alkohol im Wein und muss nicht später mit Rum ersetzt werden. Auch die Gewürze nehmen keinen Schaden.“ So lange der Vorrat reicht, schenken die Radebeuler Winzerleute ihren eigenen Weißwein aus. Rot- und Roséwein kaufen sie von einem pfälzer Weingut dazu.

„Da ist Ingwer drin, stimmts?“, fragt eine Frau und stellt ihre leere Tasse auf den Tresen. Ihr Mann ist sich sicher: „Und Anis!“ Richtig. Marlene freut sich. „Dieses Rätseln und die Gespräche über die Zutaten unseres Weines hatten wir in der Vergangenheit sehr oft.“ So seien sie auf die Idee gekommen, sich Spicy Friends zu nennen. Leicht hat es sich das Händlerpaar damit nicht gemacht. Schließlich strotzt der Striezelmarkt vor Tradition. Da gehört schon Selbstbewusstsein dazu, sich einen englischen Namen zu geben, den nicht alle Besucher gleich zuordnen können.

Erklärungshilfe bieten die lustigen Figuren, die auf dem Dach der Hütte sitzen: ein Anisstern, eine Zimtstange, ein Koreanderkorn, eine Weintraube – und eine geheime Zutat. Ihr Rezept verraten die Glühweinbrauer natürlich nicht. Entworfen und angefertigt hat die Gesellen der Dresdner Figurenbauer Peter Ardelt. „Das war fast wie die Geburt eines Kindes“, sagt Marlene: Immer wieder schauen, wie die Figur sich von der Skizze, zur Zeichnung, zum Rohbau entwickelt, Farbe, Gesichtszüge und Beleuchtung bekommt. Sich als Anwärter für einen Platz auf dem Striezelmarkt zu behaupten, ist mit viel Arbeit verbunden. Die Buden müssen kreativ und ausgestaltet sein und dennoch ins Gesamtbild passen. „Unsere Bewerbung war zwar eine halbe Doktorarbeit, so viel Aufwand hat sie gekostet. Aber es hat gleich beim ersten Mal geklappt“, freut sich Marlene.

Zimtstangen und Äpfel als Deko.
Zimtstangen und Äpfel als Deko. © Marion Doering

Dabei kennt sie sich bestens mit Regeln und Formularen in Amtsdeutsch aus. Von Montag bis Donnerstag arbeitet die 38-Jährige als Rechtsanwältin, der Rest der Woche gehört dem Weinberg, dem Gut und den Vorbereitungen der Feste, die Gäste dort feiern. Nicht zu vergessen die Patchworkfamilie mit insgesamt vier Kindern.

In fellgefütterten Stiefeln und der Nase im Schal steht Marlene am Ausschank. Die nächsten drei Wochen ist Skiunterwäsche angesagt. Nur gut, dass am Stand neben Glühwein auch Flammkuchen zu haben ist. Der Ofen wirkt als rettende Wärmequelle – so wie für die Marktbesucher der erhöhte Glühweingenuss.