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Wer bekommt die Träumende?

Für den 14. Wettbewerb um „Sachsens Unternehmer des Jahres“ gingen 95 Vorschläge ein. Der oder die Sieger(in) werden heute gekürt. Die SZ stellt die fünf Finalisten vor.

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Die Bronzestatue von Malgorzata Chodakowska wird an diesem Freitag in Dresdens Gläserner VW-Manufaktur zum 14. Mal vergeben.
Die Bronzestatue von Malgorzata Chodakowska wird an diesem Freitag in Dresdens Gläserner VW-Manufaktur zum 14. Mal vergeben. © Archivfoto: Michael Rothe

Von Lars Radau

Die Spannung steigt – wer wird „Sachsens Unternehmer des Jahres“? Die Jury hatte in diesem Jahr die Qual der Wahl: Das Feld der nominierten Unternehmen war so vielfältig wie die Persönlichkeiten, die mit Herzblut und Einsatz dahinterstehen. 

Die Chefs und Chefinnen aus dem ganzen Freistaat sind zwischen 26 und 75 Jahre alt, sie beschäftigen zwischen zehn und mehr als 660 Mitarbeiter, ihre Firmen erwirtschaften zwischen 600.000 und knapp 37 Millionen Euro Umsatz. Die Juroren haben das Teilnehmerfeld gründlich analysiert, viel diskutiert und am Ende ein preisverdächtiges Quintett ausgemacht. Wer die „Träumende“ schließlich mit ins Büro nehmen darf – dieses Geheimnis wird heute bei einer festlichen Gala in Dresdens Gläserner Manufaktur gelüftet.

Der Präzise: Peter Schiekel aus Dohna

© Foto: Kristin Richter

Erst Spanien, dann Osteuropa, jetzt Vietnam: Seine Lehrlinge holt Peter Schiekel, Geschäftsführender Gesellschafter der SPS Schiekel Präzisionssysteme, schon seit Jahren aus aller Welt nach Dohna. Mit einem Rundum-Betreuungspaket: Sprachkurse, Unterstützung bei Wohnraum-Suche und Alltags-Begleitung. Geboren war die Idee aus der Not – qualifizierte Kandidaten für die Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker waren und sind rar gesät. 

Inzwischen trägt die Idee erheblich zur Internationalität der Firma bei: Zehn Prozent der 145 Mitarbeiter sind nicht in Deutschland geboren. International ist längst auch das Geschäft, das Schiekel und sein 2016 verstorbener Bruder Gert 1992 neu starteten. SPS Schiekel ist Spezialist für Zerspanung und Oberflächenveredelung von Edelstahl, Titan und schwer zerspanbaren Teilen auf Nickelbasis. Der Fokus liegt dabei nicht auf hohen Stückzahlen, sondern auf Klein- und Mittelserien für individuelle Anforderungen. Schiekel-Teile werden von der Chemie-, der Lebensmittel- und Brauindustrie, der Pharma- und Medizintechnik geordert, fliegen aber auch im Airbus A380 oder Ariane-Raketen um die Welt. Der 65-jährige Chef bleibt bei all dem aber bodenständig, baut die Firma kontinuierlich aus – und investiert zurzeit in die Digitalisierung der Produktion.

Der Staubmesser: Holger Födisch aus Markranstädt

© Foto: Peter Endig

Als Praktikant im VEB Entstaubungstechnik in Markranstädt musste Holger Födisch Anfang der 80er-Jahre noch Bier für seine Kollegen holen, Ende der 80er war er bereits Betriebsleiter. Und nach der Wende übernahm er den Betrieb von der Treuhand – eines der Produkte, das bis heute läuft, ist ein Staubmessgerät für Kraftwerks- und Fabrikschornsteine, das er „quasi als Abfallprodukt meiner Doktorarbeit“ entwickelte. 

Doch so wenig, wie das schmucke Hauptquartier seiner Firmengruppe Dr. Födisch Umweltmesstechnik AG heute noch mit dem „Schrotthaufen“ von damals zu tun hat, so wenig ist auch die Entwicklung der Geräte stehengeblieben. Heute baut und verkauft die Firma auch neuere Generationen des Staubmessers, dazu kommen wesentlich komplexere Staubkonzentrations-Analysegeräte und Gasanalysegeräte für die Chemieindustrie. Deutlich mehr als die Hälfte der Produkte gehen in den Export, Hauptabsatzmarkt ist China. Dort hat Födisch schon seit 2005 ein Büro. Seit die Regierung 2015 die Reduzierung der Emissionen beschloss, ging das Geschäft im Reich der Mitte durch die Decke. Mittlerweile steht Holger Födisch einem kleinen Konzern mit 200 Mitarbeitern, sechs Tochtergesellschaften und zwei Beteiligungen vor. Und die Ideen gehen dem Ingenieur nicht aus.

Die Internationalen: Rüdiger School und Melissa Blankenship-Küttner aus Glauchau

© Andreas Kretschel

Ein klassisches Unternehmen ist es nicht, das Rüdiger School (66) und Melissa Blankenship-Küttner (30) gemeinsam führen – ihr Produkt ist aber für die Gesellschaft essentiell: Bildung und gelebte Internationalität. Die Saxony International School Carl Hahn gemeinnützige GmbH und die mit ihr verbundene Gesellschaft zur ganzheitlichen Bildung GmbH betreiben 15 freie Schulen mit rund 2.500 Schülern und 18 Kitas und Hort-Einrichtungen im Freistaat, mit Schwerpunkten in West- und Mittelsachsen. Ein wesentliches Prinzip ist die Mehrsprachigkeit – schon im Krippenalter wird mit den Kindern auch Englisch gesprochen, weitere Sprachen kommen später hinzu. Das zieht sich über die Grund- und Oberschulen des Verbundes bis hin zum Internationalen Abitur, das an zwei Gymnasien abgelegt werden kann. 

„Zukunftsgewandt, weltoffen, an den Herausforderungen der neuen Arbeitswelt orientiert“ – so möchte Rüdiger School seine Absolventen ins (Berufs-)Leben schicken. Die wirtschaftsnahe Orientierung spiegelt sich nicht nur darin, dass der langjährige VW-Chef Carl Hahn, der aus Chemnitz stammt, Namenspatron ist. Die Drähte zu Firmen und Konzernen in Sachsen und dem Rest der Republik sind kurz, auch über einen prominent besetzten wissenschaftlichen Beirat.

Gleichzeitig ist der Bildungsverbund selbst ein Wirtschaftsfaktor im Freistaat: Was Rüdiger School 1997 mit einer freien Kita in Glauchau startete, ist heute ein Arbeitgeber, der 663 Mitarbeiter beschäftigt und im Jahr reichlich 23 Millionen Euro umsetzt. Der Wert des Produkts aber ist um ein unzählbares Vielfaches höher.

Der Dreher: Christoph Herbrig aus Bärenstein

© Foto: privat

Wenn es in den Hallen von Christoph Herbrig bollert, ist das in der Regel der hubraumstarke Motor eines amerikanischen Boliden aus den 60er-Jahren. Der 36-jährige Chef selbst ist eher ruhig und überlegt. Und das V8-Werk, ein Restaurations- und Handelsbetrieb für Oldtimer, den er gemeinsam mit seiner Frau betreibt, ist eher Nebengeschäft und zuweilen Marketing-Gag für den Hauptbetrieb. Der arbeitet auch viel für die Automobilindustrie, aber auch für Kunden aus dem Maschinenbau, der Mobilfunk-Branche oder selbst dem Uhrenbau. 

Die Dreherei Herbrig & Co ist auf die Herstellung kleiner Präszisionsdrehteile bis zu einem Durchmesser von 42 Millimetern spezialisiert. Bis zu 120 Millionen Teile im Jahr kann das Unternehmen jetzt herstellen – 2018 hat Herbrig kräftig erweitert. Rund 16,5 Millionen Euro investierte er in neue Maschinen, die bauliche Erweiterung der Fertigung und nicht zuletzt in die denkmalgerechte Sanierung eines alten Gasthofes, der jetzt als Sozialgebäude für die 168 Mitarbeiter dient. Räumlich sind damit die Kapazitäten des Betriebs an der Müglitztalstraße in Bärenstein erschöpft. 

Christoph Herbrig, der das Familienunternehmen 2009 übernahm, denkt aber weit über den Tellerrand hinaus. Unter anderem führt er einen Interessenverband metallverarbeitender Firmen im Müglitztal, der auch Jugendliche an die Branche heranführen will. Großen Wert legt er auf Klimaschutz, ein angenehmes Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter – und deren stetige Weiterbildung.

Der Aufrüster: Jörg Wappler aus Weinböhla, Coswig

© Foto: privat

Das Geschäftsjahr 2018, sagt Jörg Wappler, hatte es in sich. Nicht allein, weil der Gründer und Inhaber der gleichnamigen Werkzeugmaschinenfirma reichlich fünf Millionen Euro in ein komplett neues Domizil an einem zweiten Standort investiert hat. Neben dem Stammsitz in Weinböhla gibt es jetzt im Coswiger Ortsteil Sörnewitz einen schmucken Neubau mit jeweils rund 1.400 Quadratmetern Büro- und Produktionsfläche. 

Dieser zusätzliche Platz wird dringend gebraucht – Wapplers Unternehmen, 1994 als Ein-Mann-Firma gegründet, vertreibt als Exklusiv-Händler für den südkoreanischen Konzern Doosan CNC-gestützte Werkzeugmaschinen in Nord- und Ostdeutschland. Dabei ist „vertreibt“ reichlich untertrieben: Die Maschinen werden vor allem in der Coswiger Halle je nach Bedarf des jeweiligen Kunden konfiguriert, um- und aufgerüstet. Wappler liefert unter anderem Drehmaschinen und Bohrwerke für die Luft- und Raumfahrtindustrie, für die Automobilindustrie und die Medizintechnik. 

Parallel zur Erweiterung der Produktion wurde ein ERP-System eingeführt, außerdem bereitet der 64-Jährige gemeinsam mit seinen Söhnen Franz und Max, die als Prokuristen im Betrieb arbeiten, den Generationswechsel vor. Das Fundament ist mehr als solide: Mit der Erweiterung stieg die Mitarbeiterzahl auf 60, darunter drei Azubis. Das sich der Kraftakt im laufenden Betrieb auch auszahlt, freut Jörg Wappler besonders. Mit einem Umsatzplus von 47 Prozent war 2018 „ein sehr starkes Jahr“.


Die fünf Finalisten im Video:

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