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Wer folgt auf Michael Harig?

Bautzens Landrat zieht es zum Sparkassenverband nach Berlin. Eine Entscheidung fällt im Oktober. Die politische Konkurrenz scheint überrascht.

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© Uwe Soeder

Von Jens Fritzsche

Bautzen. An der Pleiße fliegen die politischen Fetzen. An der Spree hingegen nicht mal Papierkügelchen. Leipzigs OB Burkhard Jung (SPD) ist massiv in die Schusslinie geraten, nachdem er ankündigte, Chef des ostdeutschen Sparkassenverbandes werden zu wollen. Ein Posten, den auch Bautzens Landrat Michael Harig (CDU) anstrebt. Harig wird vom Landkreistag unterstützt, Jung vom sächsischen Städte- und Gemeindetag. In Leipzig heißt es nun, Jung verrate die Stadt für einen bestens dotierten Posten. Immerhin sollen rund 500 000 Euro Jahresgehalt locken. Im Landkreis Bautzen hält sich die Aufregung derweil in Grenzen; eigentlich gibt es gar keine. Überraschend. Schließlich steht gleichzeitig die Frage im politischen Raum: Wer kommt im Fall seines Weggangs nach Harig?

CDU steht hinter Witschas

Diese Frage ist zumindest für die CDU geklärt. Das jedenfalls sagt Thomas Israel, der Kreisgeschäftsführer der Partei: „Wir stehen hinter Udo Witschas.“ Der politisch angezählte Vize-Landrat Witschas gilt als Harigs Wunschkandidat für eine Nachfolge, heißt es auch aus dem Landratsamt. Ihm traue er das Amt zu, weil Witschas ein absoluter Fachmann sei und auch schwierige Entscheidungen nicht scheue. Allerdings weiß auch Harig, dass sein Vize einen –  zumindest politischen – Fehler gemacht hat. Im Zusammenhang mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen deutschen Jugendlichen und Asylbewerbern in Bautzen im vergangenen Jahr hatte Witschas vertraut wirkende Facebook-Nachrichten mit dem ehemaligen NPD-Kreischef Marco Wruck ausgetauscht. Die Staatsanwaltschaft hatte im Anschluss wegen möglichen Verrats von Dienstgeheimnissen ermittelt, in der vergangenen Woche das Ganze allerdings zu den Akten gelegt. Unabhängig, ob Witschas Geheimnisse preisgegeben habe, es sei ihm um Deeskalation gegangen, so die Begründung.

Für die Linken ist Witschas jedenfalls „kein geeigneter Kandidat“, macht Landtagsabgeordneter und Kreisrat Heiko Kosel deutlich. Eine Vertrauensbasis im Kreistag gebe es aktuell nicht, „aber die braucht ein Landrat“. Nicht zuletzt habe sich Witschas in seinen Nachrichten an Wruck auch despektierlich über die linke Szene geäußert, ärgert sich Kosel. Die Linke würde – Stand jetzt – also einen eigenen Kandidaten bevorzugen. Einen Namen gibt es aber nicht; „wir sind schon sehr überrascht von Harigs Abwanderungswünschen“, fühlt sich Kosel vom Landrat durchaus vor den Kopf gestoßen. Und: „Sollte Herr Harig diese Gedanken tatsächlich schon länger haben, wird im Nachhinein klar, warum er zuletzt eine so zurückhaltende Performance hingelegt hat.“ Gerade mit Blick auf Witschas.

Möglich wäre, dass es wie schon 2015 zu einem Dreierbündnis aus Linken, Grünen und SPD kommt. Aber auch bei den Sozialdemokraten gibt es bisher noch kein konkretes Szenario, erklärt Gerhard Lemm – Radeberger OB und Chef der Kreistagsfraktion von SPD/Grünen. „Es bleibt ja zunächst abzuwarten, wie der ‚Zweikampf‘ Harig/Jung ausgeht.“ Für Lemm kommen die Wechselabsichten Harigs dabei nicht überraschend, sagt er. Harig habe schon bei der Landratswahl im Juni 2015 erklärt, es werde seine letzte Amtszeit. Der nun wesentlich frühere Zeitpunkt für eine anstehende Kandidatensuche scheint dann aber doch unvermittelt zu kommen. Aber man müsse nicht lamentieren, so Lemm: „Es ist das legitime Recht von Michael Harig, sich nach langer erfolgreicher Arbeit für den Landkreis nach einer neuen beruflichen Herausforderung umzusehen.“

Kreisweit bekannte Namen fehlen

2015 war der Grüne Jens Bitzka als gemeinsamer und letztlich auch einziger Kontrahent Harigs ins Rennen gegangen. In politischen Kreisen wurde damals hitzig gemunkelt, Linke und SPD hätten sich hinter ihm „versteckt“, um mit Blick auf den Harig-Bonus bei der Wählerschaft eigene Kandidaten nicht „zu verbrennen“. Der aus Lauta stammende Bitzka holte 27,6 Prozent der Stimmen; was nicht an der Dominanz Harigs rüttelte. Ob Jens Bitzka erneut bereitstehen würde, lässt er offen. „Die Ankündigung von Michael Harig kam für uns sehr überraschend“, gibt er zu. „Dass Herr Harig keine Lust mehr hat, wundert mich aber – schließlich ist er ja für die komplette Amtszeit angetreten“, will sich Jens Bitzka einen Seitenhieb dann doch nicht verkneifen.

Abgesehen von den Grünen haben es die Parteien rund um die CDU versäumt, kreisweit bekannte Namen aufzubauen. Wobei eines für alle gilt: In diesem regional zerklüfteten Landkreis ist es ein schwieriges Unterfangen, einen für alle Regionen passenden Kandidaten zu finden. Zunächst dürften dabei Bürgermeister ins Blickfeld rücken. Aber auch deren Problem ist, dass sie meist über ihre Region hinaus kaum bekannt sind. Nicht auszuschließen ist, dass die Parteien eher Kandidaten von außerhalb ins Rennen schicken. Schließlich ist die Wahl von enormer politischer Bedeutung. Bei der jüngsten Bundestagswahl hatte die CDU den Bautzener Wahlkreis an die AfD verloren. Sicher haben die Christdemokraten keine Lust, auch noch den Landratsposten an Konkurrenten abzugeben.

Und überhaupt die AfD. Wie stark ist die Partei vor Ort wirklich? Honorieren die Wähler vor allem den Protest in Richtung Berlin oder sehen sie die AfD auch als kommunalpolitische Kraft? Diese Fragen werden nun auch über einer möglicherweise vorgezogenen Landratswahl stehen. „Es können alle davon ausgehen, dass wir im Fall einer Wahl mit einem eigenen Kandidaten antreten“, sagt Eugen von Broen, der stellvertretende Kreischef. Namen will aber auch die AfD noch keine nennen.

Die vermeintliche Gelassenheit im Landkreis ist wohl tatsächlich eher Überraschung. In den politischen Hinterzimmern dürften bereits die Köpfe rauchen. Und spätestens ab 24. Oktober werden dann auch hier die Fetzen fliegen. Zumindest dann, wenn Harig die Wahl im Sparkassenverband gewinnt. Denn bis zur Landratswahl – die mit der Kommunalwahl im Frühjahr stattfinden könnte – wäre dann nicht mehr viel Zeit. Und dann wird sicher auch der Umgang mit Harigs Wechselwunsch ruppiger.