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Wer lässt hinter Gittern arbeiten?

Im Internet kursiert eine Liste von Firmen, die in Gefängnissen produzieren lassen sollen. Auch Zeithain spielt dabei eine Rolle. Aber warum tauchte die Liste jetzt auf?

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© Archiv/Uwe Soeder

Von Christoph Scharf

Zeithain. Ein Spezialist für Gebäudetechnik aus Machern. Ein Glaubitzer Ventilatoren-Hersteller. Ein Wattestäbchen-Produzent aus Oederan. Ein Pharma-Dienstleister aus Zeithain. Die vier Unternehmen haben etwas gemeinsam: Sie tauchen auf einer Liste auf, die anonym auf der Plattform indymedia.org veröffentlicht wurde – einem Portal, das auch für Bekennerschreiben aus der linksextremen Szene genutzt wird.

Im Internet wurde anonym eine Liste mit Firmen veröffentlicht, die angeblich teils seit Jahren Verträge mit JVAs haben.
Im Internet wurde anonym eine Liste mit Firmen veröffentlicht, die angeblich teils seit Jahren Verträge mit JVAs haben. © Screenshot/SZ

Veröffentlicht wurde der Beitrag unter den Rubriken „Arbeits- und Klassenkampf“ und „Repression“. Warum, bleibt unklar. Tatsächlich sei es wichtig, Arbeitsgelegenheiten hinter Gittern zu bieten, sagt Benno Kretzschmar von der Justizvollzugsanstalt (JVA) Zeithain. „Die Gefangenen erhalten damit die Möglichkeit, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen. Sie erhalten dadurch eine geordnete Tagesstruktur, eine Vergütung sowie in Gesprächen auch eine Wertschätzung ihrer Arbeit.“

Ob die Liste echt und aktuell ist – sie enthält neben Zeithain sechs weitere JVAs und knapp 20 Firmennamen – teilt das Justizministerium nicht mit. Firmen dürfe der Freistaat nur öffentlich nennen, wenn die Unternehmen ihre Zustimmung erteilt hätten. Die läge sachsenweit nur von drei Unternehmen vor – etwa von der Bautzener Firma V. D. Ledermann, die in der dortigen JVA Edding-Stifte montieren lässt.

In Zeithain arbeiten aktuell zwölf Strafgefangene für lediglich zwei Unternehmerbetriebe, sagt Benno Kretzschmar. Sie würden in einer Werkhalle auf dem JVA-Gelände leichte Tätigkeiten ausführen – etwa Kleinteile sortieren, Bauteile zusammenfügen, Materialien verpacken. Von den vier auf der Liste genannten Unternehmen ließen zwei eine Anfrage der SZ unbeantwortet. Die Lemoine Germany GmbH mit Sitz in Oederan bestätigt, dass Zeithainer Gefangene für sie zeitweise medizinische Wattepads gewogen und verpackt haben. „Wir arbeiten vorrangig mit den Behindertenwerkstätten in der Region zusammen“, sagt Nancy Weiße von Lemoine. „Die Kapazitäten waren aber ausgeschöpft, deshalb haben wir uns zunächst an die JVA Chemnitz gewandt. Dadurch sind die Justizvollzugsanstalten Waldheim und Zeithain auf uns aufmerksam geworden, sodass wir dorthin ebenfalls Aufträge vergeben haben.“ Das sei eine Win-win-Situation. „Für die Häftlinge ist es eine leichte Tätigkeit, und für uns ist die Produktion kostengünstig“, sagt sie. Jeweils einen Monat hätte die Zusammenarbeit 2016 mit den Anstalten in Waldheim und Zeithain gedauert. „Mit dem Ergebnis der Arbeit waren wir zufrieden“, so Nancy Weiße.

Auch Wolfgang Pradella von Pharma Solutions aus Zeithain kann nur Positives über die Arbeit berichten. „Die Jungs haben das super gemacht, ich habe ihnen dafür auch Danke gesagt“, erinnert sich der Unternehmer. Er war von der JVA angesprochen worden, ob er eine Arbeit an Gefangene vergeben könne. Er konnte: Bei einem seiner Produkte, dem Mückenmittel Doctan, waren zuvor bei Zehntausenden Flaschen die Etiketten falsch bedruckt worden. Die Gefangenen halfen, das Malheur in Ordnung zu bringen. „Ich hätte diesen Auftrag auch woandershin vergeben können“, sagt Pradella. „Aber als Unternehmer habe ich auch eine soziale Verantwortung.“ Gefangene bräuchten eine sinnvolle Aufgabe und eine Wertschätzung.

Die JVA wirbt, dass Unternehmen kurzfristige Arbeitsaufträge oder Kleinserien auslagern und dadurch auf dem Markt flexibel bleiben könnten. Gleichzeitig sei es für die Resozialisierung wichtig, dass Gefangene einen Tagesablauf bekämen, der sich am Leben draußen orientiert. „Durch die Arbeit in einer JVA werden berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten erhalten, gefestigt und mitunter erweitert“, sagt Benno Kretzschmar.

Eine Arbeitspflicht gibt es nicht mehr – ganz im Gegenteil. Man bräuchte mehr Unternehmerbetriebe, um die Nachfrage der Gefangenen nach einer Beschäftigung zu ermöglichen. Die wird auch entlohnt – allerdings überschaubar. Gefangene bekommen nicht den üblichen Mindestlohn, sondern eine per Verordnung geregelte Vergütung. Laut Gefangenengewerkschaft maximal 15 Euro pro Tag. Über einen Teil des Gelds können sie selbst verfügen, ein Teil kann als Überbrückungsgeld angespart werden: für die ersten Ausgaben nach der Entlassung, etwa für Einrichtungsgegenstände. (mit SZ/sol)