Vier Tote, Dutzende Schwerverletzte, sieben wie nach einem Krieg schwer zerstörte Dörfer unweit der Grenze zu Österreich - das ist die vorläufige Bilanz eines Tornados, der am Donnerstag Abend das Leben der Menschen im eigentlich so malerischen Weinanbaugebiet Südmährens mit einem Schlag verändert hat.
Eine Windhose, wie sie Tschechien nach Angaben von Meteorologen in solcher Stärke noch nie erlebt hat, schlägt eine Schneise der Verwüstung durch die Landschaft. Manch einer hat den Tornado kommen sehen - und als Video auf sein Mobiltelefon gebannt.
Gespenstisch dröhnend nähert sich der Kreisel, in seinem enormen Sog wirbelt er alles hoch, was nicht niet- und nagelfest ist. Ganze Dächer und andere Gebäudeteile, Produktionshallen in Leichtbauweise, die halben Türme einer Kirche, unzählige Bäume, massive Strommasten, jede Menge Autos. Woanders fällt das Aufgewirbelte wieder zu Boden, neuerlich mit zerstörerischer Wucht und ohrenbetäubendem Krachen.
Die wohl am meisten betroffene Gemeinde Hrušky ist zur Hälfte dem Erdboden gleichgemacht. Marek Babisz, der stellvertretende Bürgermeister, sagt fassungslos: „Geblieben sind nur die Mauern, ohne Dach, ohne Fenster“.
Das ganze Ausmaß der Verwüstung wird erst deutlich, als der Morgen graut und man etwas sieht. Retter, die gleich nach dem schweren Unwetter in die Gegend geeilt sind, nehmen immer wieder das Wort „Apokalypse“ in den Mund. Gesundheitsminister Adam Vojtěch vergleicht die Lage mit der in einem Kriegsgebiet.
Hunderte Einsatzkräfte der Feuerwehr gehen von Haus zu Haus, verschaffen sich zunächst einen Überblick darüber, wo die Bewohner sind und wer womöglich unter Trümmern vermisst wird. Spürhunde sind ihre wichtigen Helfer in den ersten Stunden. Die Armee rückt mit schwerer Technik an. Die Straßen müssen vom Schutt und völlig zerstörten Autos geräumt werden, um Rettungswege zu schaffen und zu sichern. In den Resten ihrer Häuser suchen Bewohner nach Habseligkeiten. Viele unter Schock stehend, traumatisiert von dem Geschehen und völlig übernächtigt. Und immer in der Angst, dass sie von herabfallenden Gebäudeteilen getroffen und womöglich verschüttet werden könnten.
Dass die Zahl der Todesopfer trotz allem relativ gering ist, verdanken die Menschen der Bauweise ihrer Häuser. Viele hatten sich in die Keller geflüchtet. Geistesgegenwärtig hatten sie sich an Bilder von Tornados erinnert, die man beispielsweise aus den USA kennt. Die dortigen Holzhäuser verfügen in der Regel nicht über Keller, was die dort gemeinhin sehr viel höheren Opferzahlen bei solchen Ereignissen erklärt.
Dennoch ist in den betroffenen Dörfern in Tschechien alles oberhalb der Keller häufig nur noch Ruine. Es wird längere Zeit dauern, bis dort wieder jemand wohnen kann - wenn überhaupt. Statiker sind in das Katastrophengebiet entsandt worden, um die Festigkeit der Gebäude, die stehen geblieben sind, zu prüfen. Vorrang hat im Hellen jedoch weiter die Suche nach womöglich Verschütteten.
Tschechien kommt bei den Aufräumarbeiten zugute, dass das Land über gut organisierte Rettungskräfte verfügt. Das Land hat in den vergangenen Jahrzehnten beispielsweise mehrere Hochwasserkatastrophen bewältigt. Diese früheren Geschehnisse haben auch eine große Hilfsbereitschaft unter der Bevölkerung gezeigt. Auch am Freitag waren auf einem Spendenkonto schon mehrere Millionen Kronen eingegangen.
Schnelle Hilfe für das Katastrophengebiet schickte auch das nahe Ausland: Österreich entsandte 20 Krankenwagen und 2 Rettungshubschrauber. Die Slowakei unterstützt die Arbeiten mit mehreren Rettungswagen. Koordiniert werden die Dinge vom tschechischen Innenminister Jan Hamáček, der von einer „gewaltigen Katastrophe“ spricht.
Am Nachmittag wurde auch Premier Andrej Babiš in der Krisenregion erwartet, der auf dem EU-Gipfel in Brüssel weilte und wegen des Wetters nicht eher nach Prag zurückfliegen konnte. Schnelle finanzielle Hilfe soll den Betroffenen, die im wahrsten Sinne des Wortes das Dach über dem Kopf verloren haben, über die erste Zeit hinweghelfen.
Der Tornado war Teil eines Gewittergebiets, das sich am Donnerstag über ganz Südmähren ausgebreitet hatte. Begleitet wurde es von schwerem Hagelschlag. Teilweise waren die Hagelkörner so groß wie Tennisbälle.
Die Menschen in den betroffenen Dörfern hoffen, dass sich wenigstens die Wetterlage in den kommenden Tagen beruhigt. Doch Gewitter drohen nach Auskunft der Meteorologen auch am Wochenende und den Tagen danach.
Und auch im benachbarten Österreich richteten Hagelunwetter schwere Schäden an. Extrem große Hagelkörner zerstörten auch dort Hunderte von Dächern und beschädigten zahlreiche Autos. Die Dächer seien regelrecht durchlöchert worden, hieß es.