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Wie aus Holz Kohle wird

Silvio Gläser ist Köhler im Erzgebirge – einer der letzten in Deutschland. Doch die Tradition wird von vielen gepflegt.

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© dpa

Von Christiane Raatz

Asche und Kohlestückchen wirbeln durch die Luft, als Silvio Gläser die Holzkohle erst auf die Schubkarre und dann in Säcke schaufelt. Sein Gesicht ist mit einem Hauch Ruß überzogen, die Hände sind schwarz. „Bei uns geht es eben ein bisschen dreckig zu“, sagt Gläser und wischt sich lachend über die Stirn. Der 47-Jährige betreibt eine der letzten gewerblichen Köhlereien in Deutschland. Auf dem Gelände im sächsischen Sosa türmen sich meterhoch die Holzstapel, mehrere Kessel, überzogen von Rost, stehen in einer Reihe. In der Luft hängt ein schwerer, rauchiger Geruch. Der kleine Ort liegt mitten im Erzgebirge – umgeben von dichten Wäldern.

Aus der Region kommt auch das meiste Holz für die Köhlerei: Zwei Drittel Laubholz, der Rest sind Nadelhölzer. Das hacken und spalten Gläser und seine zwei Mitarbeiter und füllen mit den Scheiten die Stahlkessel bis obenhin. Dann wird der mächtige Stapel im Inneren entzündet und das Feuer durch Luftschächte reguliert. „Es darf nicht brennen, sonst haben wir Asche und keine Holzkohle“, erklärt Gläser. Alle drei Stunden muss er dann nach der Glut schauen. Nach 24 Stunden haben sich die Scheite in schwarze Holzkohle verwandelt.

Wenn auch mittlerweile Stahlkessel die traditionellen Erdmeiler ersetzen, die Köhler einst im Wald aufschichteten: „Das Prinzip ist das gleiche wie vor Hunderten Jahren“, sagt Gläser. Er verkauft den Großteil seiner Ware als Grillkohle. Nur fünf Prozent gehen an die Industrie, um damit Schmelzöfen zu befeuern. Hauptsaison ist in der Grillzeit von März bis August. „Dann haben wir richtig zu tun.“

Allerdings machen steigende Holzpreise dem Köhler zu schaffen. „Wir haben zu kämpfen, dass wir über die Runden kommen.“ Die meisten Kunden greifen in der Saison zur preiswerten Grillkohle aus dem Baumarkt, die vor allem aus der Ukraine, Polen und Rumänien kommt. Holz und Arbeitskräfte seien dort billiger, sagt Gläser. Mit den Preisen zu konkurrieren sei kaum möglich. Auch Ralf Marggraf war bis 2011 Köhler in Sosa. Als er in Rente ging, gab er seinen Beruf auf. Heute betreibt der 73-Jährige das Handwerk als Hobby, ist Vorsitzender des Köhlervereins Erzgebirge und engagiert sich im Europäischen Köhlerverein. Letzterer zählt 1 700 Mitglieder, die meisten arbeiten im Nebenerwerb. Hauptberuflich gebe es heute vielleicht noch eine Handvoll Köhler in Deutschland, so Marggraf. „Deshalb wollen wir das alte Handwerk erhalten.“ Seit 2014 gehört es zum immateriellen Kulturerbe in Deutschland.

Die Köhlerei am Eisenhammer nahe Bad Düben in Sachsen-Anhalt hat Glück – und einen Nachfolger gefunden: Der Leipziger Jörn Austinat übernahm Anfang April mit seiner Frau Norma das Gelände. In der Woche wird Buchenholzkohle gebrannt und vom Hof verkauft. Am Wochenende und an Feiertagen lockt die Köhlerei als Ausflugsziel: Mit Besichtigung der Köhlerei, Kinderspielplatz und Erlebnisgrill. Geplant ist auch eine Bühne für Hoffeste. „Ich will, dass die Menschen hier entschleunigen und miteinander ins Gespräch kommen“, sagt Austinat.

Der Qualm entscheidet

Einen Einblick in das Köhlerleben bekommen Besucher auch zum Köhlertag in Sosa am 11. Juni. Dafür baut Marggraf derzeit einen traditionellen Erdmeiler auf: Er schichtet Holz, deckt es mit Heu ab, obendrauf kommt eine Schicht Erde. Angezündet wird der Meiler dann mit dem traditionellen Ruf „Gut Brand!“. „Sechs Tage schwelt es bei einer Temperatur von 500 Grad, dann ist die Holzkohle perfekt.“ Am Qualm erkennt der Köhler, wie weit die Holzkohle ist: Am Anfang enthält der Rauch viel Wasserdampf und ist weiß. Erst wenn aus den kleinen Löchern ein wenig blauer Rauch kommt, ist die Kohle fertig.

Zu Zeiten des Silberbergbaus galt das Erzgebirge als Köhler-Hochburg. Holzkohle war gefragt, um Metalle und Erze zu schmelzen. Knapp 150 historische Meilerstätten in der Nähe von Sosa hat der Köhlerverein ausfindig gemacht – die ältesten wurden auf das 15. Jahrhundert datiert.

In der Familie Gläser hat das Köhlerhandwerk Tradition: 1937 gründete der Großvater den Betrieb, später übernahm ihn der Vater, seit 16 Jahren ist Silvio Gläser der Chef. Weil das Köhlerhandwerk kein Lehrberuf ist, wird das Wissen einfach von Generation zu Generation weitergegeben. „Ich bin da von klein auf reingewachsen“, sagt Gläser. Ob auch in Zukunft die Meiler in der Sosaer Köhlerei brennen, ist jedoch unklar. „Wir haben nur Töchter, aber vielleicht kommt ja mal ein Schwiegersohn.“ Und dennoch: Irgendwann, fürchtet er, wird es das Köhlerhandwerk nicht mehr geben. (dpa)