Merken

Wie der Wolf

Nach zwei Jahren in der vierten Liga schafft Energie Cottbus den Aufstieg – und manches ist wie in den besten Zeiten.

Teilen
Folgen
© Worbser

Von Sven Geisler, Cottbus

Er ist so schnell weg, nicht mal die Fans bekommen ihn zu fassen. Dabei gibt es für sie mit dem Schlusspfiff kein Halten mehr, die Tore werden geöffnet, ein geplanter Platzsturm. Was es zu feiern gibt, ist nicht vergleichbar mit den Erfolgen von einst, aber es ist der erste vernünftige Schritt zurück für Energie Cottbus. So sagt das Claus-Dieter „Pele“ Wollitz später, nachdem er sich in der Kabine gesammelt hat – und bevor er bei der Pressekonferenz von seinen Spielern mit Bier geduscht wird. Den Trainer als Vater des Erfolges zu bezeichnen, ist mehr als angemessen.

Der Wunsch in Reimform wurde von der Mannschaft erhört.
Der Wunsch in Reimform wurde von der Mannschaft erhört. © Worbser

Er hat die Lausitzer 2016 zwar nicht mehr retten können vor dem Absturz in die Viertklassigkeit, sich aber dem Neuanfang gestellt. Mit einem klaren Konzept und stets markanten Worten. Selbst, als der Aufstieg in die 3. Liga perfekt ist, kann er sich aufregen über die Relegation, die er als Regel der Unvernunft und Schwachsinn bezeichnet. Irgendwie ist es bei ihm noch nicht angekommen, was er mit seiner Mannschaft erreicht hat, oder es ist einfach nur ein kompletter Spannungsabfall.

Noch mal, meint er, hätten weder er noch der Verein die Kräfte mobilisieren können für einen weiteren, den dritten Anlauf. „Wir haben zwei Jahre lang 24 Stunden am Tag alles rausgepustet, was rauszupusten war“, sagt er. „Ich hätte meinen Rücktritt erklären müssen.“ Nun ist er dabei, sich in Cottbus einen Namen als Erfolgstrainer zu machen wie einst Eduard Geyer. Er weiß allerdings auch, wie schnell die Stimmung kippen kann.

Schließlich hatten sie ihn schon mal geholt als Aufbauhelfer Ost, damals scheiterte er jedoch an den überzogenen Ansprüchen, die noch an der Bundesliga orientiert waren. „Jetzt gibt es wieder ein Fundament“, sagt Wollitz, aber: „Die Frage ist: Wie geht's weiter? Wenn man morgen schon anfängt zu denken, wir müssten am besten gestern schon in der zweiten Liga sein, wird es nicht funktionieren.“ Die Mannschaft bleibt zusammen, da lässt er sich nicht reinreden. Die Verantwortlichkeiten sind klar geregelt wie einst im Dreigestirn mit Trainer Geyer, Manager Klaus Stabach und Präsident Dieter Krein, der am Sonntagnachmittag einer von 20 056 Zuschauern im ausverkauften Stadion der Freundschaft ist.

„Mein Herz schlägt richtig hoch, wenn ich die Gesänge der Fans höre“, sagt Krein. „Da fühle ich mich zurückversetzt in alte Zeiten, an Spiele wie im DFB-Pokal gegen Karlsruhe oder als wir in der Bundesliga die Bayern zweimal geschlagen haben.“ Diesmal ist es „nur“ der SC Weiche Flensburg 08, das Spiel selbst reine Nervensache und kaum mehr darüber zu sagen, als dass dieses 0:0 nach Chancen auch 2:1 für Energie hätte ausgehen können. Mit dem 3:2-Sieg auswärts hatten die Lausitzer den Grundstein gelegt. Wie verdient ihr Aufstieg ist, zeigt die Bilanz der vergangenen zwei Jahre: Von 83 Pflichtspielen hat Energie nur sieben verloren, diese Saison nur eins. Zeit für die Party. „Jetzt wird einfach nur gefeiert, die ganze Nacht durch. Dann geht es morgen nach Malle, dort wird weitergefeiert“, meint Mittelfeldspieler Fabio Viteritti.

Energie hat geschafft, was die Fans vor dem Spiel als Choreografie auf der Nordwand schrieben: „Ungewollt, kampfstark und mit festem Blick: Wie einst der Wolf kehren wir nun zurück.“ Es ist genauso trotzig gemeint, wie es klingt. Vor neun Jahren waren sie noch ganz oben, aber nach dem Sturz in die Niederungen des Fußballs haben sie in der Lausitz ein neues Wir-Gefühl entwickelt und das, wie es sich für einen modernen Klub gehört, mit einem Hashtag internettauglich formuliert, ein schlichtes wie ausdrucksstarkes: #WIR.

Wollitz nennt die zwei Jahre in der Regionalliga einen Tanz auf der Rasierklinge für den Verein. „Wir sind noch mal von der Schippe gesprungen.“ Wie hoch der Etat sein wird, verrät Präsident Michael Wahlich nicht, sagt nur: „Wenn man weniger einnimmt, sollte man auch weniger ausgeben, da sind wir sehr streng mit uns selbst.“ Mehr als 100 Sponsoren halten Energie die Treue, das Fernsehgeld steigt mit dem Aufstieg von null auf gut eine Million Euro.