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Wie die Kinder wachsen

Seit 13 Jahren fotografiert André Schulze Familien jedes Jahr neu. Im Klinikum Görlitz zeigt er Fotos in der Magistrale.

Von Ines Eifler
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Der Nieskyer Fotograf André Schulze begleitet Familien wie Hendrik, Silvana und Emilia Willner über viele Jahre. Dazu läuft gerade eine Ausstellung.
Der Nieskyer Fotograf André Schulze begleitet Familien wie Hendrik, Silvana und Emilia Willner über viele Jahre. Dazu läuft gerade eine Ausstellung. © P. Sosnowski

Als sich Emilia Willner diesmal neben ihre Eltern vor den Spiegel stellt, ist sie fast schon zu groß für das Motiv der bisherigen Jahre. 2005 hat der Görlitzer Fotograf André Schulze die Familie zum ersten Mal aufgenommen. Auf dem ersten Foto war Emilia noch nicht zu sehen, nur ihre hochschwangere Mutter und ihr Vater voller Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt mit Kind.

Nun ist Emilia gerade 13 geworden und kann mit ihren Eltern in mehreren Fotoserien ihre eigene Familiengeschichte nachvollziehen. Die erzählt vom Wachsen und vom Verändern: Auf dem zweiten Foto schaut Emilia als sechs Monate altes Baby verwundert in ihr eigenes Spiegelbild. Als Zweijährige will sie nicht fotografiert werden und wehrt sich dagegen. Auf einigen Bildern haben Hendrik und Silvana Willner ihre Tochter auf einen Hocker gestellt. Irgendwann brauchte sie den nicht mehr, um über den Tisch schauen zu können.

Parallel dazu wachsen Haare und Wohlstand. Eine Fotoserie zeigt Emilia und ihre Mutter zu Hause am Esstisch. Mit den Jahren wird die Wohnung in der Görlitzer Innenstadt zu einem gemütlichen Haus in Biesnitz mit Blick auf weite, grüne Wiesen, die Küche zum Wohn- und Esszimmer, die karierte Wachstuchdecke zum weißen Tischtuch und der wechselnde Wandkalender zur gerahmten Bildergalerie.

Mit solchen Fotoreihen begleitet André Schulze ein ganzes Dutzend Familien, die sich über Jahre hinweg immer zur etwa gleichen Zeit fotografieren und damit zumindest die Äußerlichkeiten ihres Lebens dokumentieren lassen. „Am Beginn der Fotoreihen stand meist der Wunsch der werdenden Mütter, ihre Schwangerschaft mit einem professionellen Foto in Erinnerung zu behalten“, sagt André Schulze. Das Angebot, sich von da an immer weiter von dem Fotografen begleiten zu lassen, nahmen einige Familien an. Noch bis Januar sind etwa 15 der so entstandenen Fotoreihen in der Magistrale des Städtischen Klinikums Görlitz zu sehen.

Manche Paare fanden Spaß daran, sich Bauch an Bauch fotografieren zu lassen, später mit Sohn und Tochter auf den Armen. Andere zeigt André Schulze, wie sie verträumt auf einem Laken liegen, erst als Paar, dann ein Baby zwischen sich, später in Erwartung eines zweiten Babys, schließlich mit zwei Kindern. Manche Paare wollten ihre Fotos für sich behalten, andere waren einverstanden, dass die Aufnahmen Teil einer Ausstellung wurden.

So auch Silvana und Hendrik Willner. Sie sind die Familie, mit der André Schulze im Jahr 2005 sein Langzeitvorhaben begonnen hat. Damals waren sie 25 und 27 Jahre alt. Und sie sind die Einzigen, die sich bis heute in ihren eigenen vier Wänden fotografieren lassen. Alle anderen Familien kommen Jahr für Jahr in André Schulzes Fotostudio in der Görlitzer Innenstadt.

„Für uns ist sein Besuch jedes Mal etwas Besonderes“, sagt Silvana Willner. Zunächst bemüht sich die ganze Familie, genau die gleiche Einstellung wiederzufinden wie in den vergangenen Jahren. „Aber vor allem lassen wir Revue passieren, wie wir alle uns inzwischen verändert haben.“

Die Tradition, das Leben in Fotoalben zu dokumentieren, sei leider heute fast vergessen, sagt Hendrik Willner. Doch Qualität und Zahl digitaler Fotos schwanke, viele Bilder sehe man sich nie wieder an. Deshalb sei er froh über André Schulzes dokumentierende Fotoreihen. Davon angeregt hat die Familie zum Fotoalbum zurückgefunden. Silvana Willner fertigt in diesem Jahr das fünfte Fotojahresbuch ihrer Familie zum Verschenken an. Das Titelbild ist in jedem Jahr ähnlich: Ihr Mann und sie mit Emilia vorm Spiegel.

Ausstellung bis Januar im Klinikum Görlitz