Pirna
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Wie ein Friedhof zum Stadtpark wurde

Pirna hat die Umgestaltung des Friedensparks vollendet. Damit beginnt ein neues Kapitel einer sehr wechselvollen Geschichte. Ein Blick in die Stadtgeschichte.

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Portal des einstigen Nikolaifriedhofs auf dem Gelände des heutigen Friedensparks. Der Friedhof wurde 1870 aufgegeben und Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Stadtpark umgestaltet.
Portal des einstigen Nikolaifriedhofs auf dem Gelände des heutigen Friedensparks. Der Friedhof wurde 1870 aufgegeben und Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Stadtpark umgestaltet. © Repro: Archiv Boris Böhm

Bei dem Areal am Friedenspark handelt es sich um eines der ältesten und historisch interessantesten Gebiete der Stadt Pirna. 

Augenscheinlich ist dies aber kaum, da die dominierenden Schulgebäude und der Park eher auf eine Anlage und Gestaltung im 19. und 20. Jahrhundert hinweisen. Von der mittelalterlichen und neuzeitlichen Bebauung und Nutzung mit Kirche, Friedhof und Hospital blieb hier nichts mehr erhalten. Nur die von der Breiten Straße abgehende Nicolaistraße bewahrt mit dem Namen noch die Erinnerung an diesen Teil der alten Dohnaischen Vorstadt südlich der mittelalterlichen Stadtmauer.

Vermutlich bereits in der Phase der Stadtgründung um 1200 befand sich vor der im Aufbau befindlichen südlichen Stadtmauer mit dem Dohnaischen Tor eine kleine Kirche, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war. Möglicherweise stand sie in Verbindung zu einer hier bestehenden kleinen Kaufmannssiedlung an der Kreuzung wichtiger Handelswege nach Böhmen und in die Lausitz. Spätestens im darauffolgenden Jahrhundert etablierten sich neben dem Kirchlein ein Hospital und ein städtischer Friedhof. Das sakrale Gebäude diente als Hospital- und Begräbniskirche. Kirche und Hospital dürften nur einfache Fachwerkbauten gewesen sein, da sie in kriegerischen Zeiten zur Disposition standen.

Die 1666 geweihte zweite Nikolaikirche wurde 1875 abgerissen.
Die 1666 geweihte zweite Nikolaikirche wurde 1875 abgerissen. © Repro: Archiv Boris Böhm

Eine besondere Bedeutung erlangte das Areal in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, als sich infolge der seit 1620 einsetzenden Rekatholisierung Böhmens die sächsische Grenzstadt Pirna zu einem Hauptzufluchtsort für böhmische Protestanten entwickelte. Bereits acht Jahre später war jeder dritte Einwohner ein Flüchtling aus Böhmen: 1629 lebten in Pirna 2123 sogenannte Exulanten, in Dresden waren es gerade einmal 58. Pirna blieb bis 1639 deren wichtigster Emigrationsort und das politische, intellektuelle und religiöse Zentrum der Exulanten in Sachsen. Für diese Entwicklung war es besonders bedeutsam, dass der sächsische Kurfürst Johann Georg I. 1628 die Genehmigung von Gottesdiensten in tschechischer Sprache in der Nikolaikirche erteilt hatte.

Im April 1639 ereilte Pirna mit dem Anmarsch der schwedischen Armee unter Feldmarschall Banér die Katastrophe. Bereits vor der am 16. April beginnenden Belagerung der Stadt ließ der Festungs- und Stadtkommandant Johann Siegmund von Liebenau zur Verbesserung der Verteidigung alle Vorstädte abbrennen, auch das Hospital und die Nikolaikirche gingen in Flammen auf. Nach dem Abzug der Schweden erhielt das Hospital ein Gebäude in der Innenstadt zugewiesen, der völlig verwüstete Friedhof aber wurde wieder instand gesetzt und zwei Jahrzehnte später deutlich vergrößert. Er diente bis zum Jahr 1870 als Hauptbegräbnisplatz der Stadt Pirna.

Ort der Kriegserinnerung

Es sollte nach dem Dreißigjährigen Krieg noch ein Vierteljahrhundert bis zum Wiederaufbau der Nikolaikirche dauern. Das erneut als einfacher Fachwerkbau errichtete Kirchlein konnte 1666 geweiht werden, die Nikolaikirche diente jetzt ausschließlich als Begräbniskirche. Obwohl vor der Stadtmauer gelegen, gingen die kriegerischen Ereignisse des 18. und frühen 19. Jahrhunderts ohne Zerstörungen an Kirche und Friedhof vorüber. Allerdings musste die Kirche in der Napoleonzeit zwischen 1809 und 1813 militärischen Zwecken dienen, so als Magazin, Lazarett und sogar Gefängnis. Erst im Spätsommer 1816 war diese Episode vorbei und die Kirche diente nochmals über ein halbes Jahrhundert als Ort der Trauer und des Gedenkens.

Blick in den Friedenspark auf einer Postkarte um 1905.
Blick in den Friedenspark auf einer Postkarte um 1905. © Repro: Archiv Boris Böhm

Das Jahr 1870 brachte einen tiefen Einschnitt. Der neue Friedhof an der Dippoldiswalder Straße wurde seiner Bestimmung übergeben und der Nikolaifriedhof geschlossen. Noch im gleichen Jahr begannen die Bauarbeiten für die Bürgerschule am Königsplatz (heute Dohnaischer Platz) vis-a-vis zur Nikolaikirche. Ein zweiter Einschnitt folgte 1875 mit der Fertigstellung der Kapelle auf dem neuen Friedhof und der Genehmigung zum Abriss der Nikolaikirche, den man bald darauf vollzog. Ansonsten blieb das äußerliche Bild erhalten, da der Friedhof zur Wahrung der Totenruhe zunächst noch drei Jahrzehnte fast unverändert blieb. Erst in den 1890er-Jahren änderte sich dies durch den Abriss der Friedhofsmauer und die Anhängung eines Ostflügels an das Gebäude der Bürgerschule, heute Goethe-Oberschule.

Die Einweihung eines imposanten Kriegerdenkmals für die Gefallenen der Feldzüge 1866 und 1870/71 im Mai 1896 auf dem ehemaligen Friedhofsgelände könnte in den Augen der Bürger als passend zu der bisherigen Nutzung empfunden worden sein. Nach der Fertigstellung der Mittleren Volks- und Höheren Mädchenschule an der Nikolaistraße Ostern 1899 wurde der ehemalige Friedhof von zwei großen Schulbauten flankiert. Es ist anzunehmen, dass der Stadtrat den etwa 1 300 Schülern beider Schulen den täglichen Blick auf Grabsteine ersparen wollte.

Das erhöhte sicherlich den Handlungsdruck, die Säkularisierung des Friedhofs zu vollenden. Diese erfolgte dann in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts. Gruftbauten und Grabdenkmäler wurden entfernt, mit der Anlage von Wegen und eines Teichs sowie Baumpflanzungen nahm der neue Stadtpark Gestalt an. Diese der Erholung dienende Nutzung wurde von der Bürgerschaft gern angenommen, zumal es im innerstädtischen Bereich so viele Grünflächen nicht gab. Bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges blieb der Friedenspark eine beliebte Erholungsanlage. Im Krieg legte man einen Splittergraben als Schutz gegen Bomben an, der Teich war bereits zum Feuerlöschteich bestimmt worden.

Spielplatz-Eröffnung, Vorträge und ein neues Buch

Zum fünften Mal findet am 11. Mai der Tag der Städtebauförderung statt, an dem sich bundesweit mehr als 500 Städte und Gemeinden beteiligen.

Mit Veranstaltungen wird auf das Engagement und die Vielfalt der Städtebauförderung hingewiesen. Die Bürger sind dazu eingeladen.

In Pirna steht am 11. Mai, von 13 bis 17 Uhr, der Friedenspark im Mittelpunkt des Tages der Städtebauförderung. Der Park wird nach seiner Umgestaltung offiziell eröffnet.

Nun ist auch der Geschichtenspielplatz zum Thema „Seilerei“ für die Kleinen zum Entdecken und Bespielen offen. Führungen und Vorträge für Erwachsene und Kinder beleuchten ab 13.30 Uhr die wechselvolle Geschichte des Parks.

Um 15 Uhr stellt Dr. Boris Böhm ein neues 50-seitiges Heft über die Geschichte des Friedensparks vor, das mit Unterstützung der Volksbank Pirna erscheint. (SZ/ce)

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Bald nach der Besetzung Pirnas durch die Rote Armee am 8. Mai 1945 ließen die neuen Machthaber das Kriegerdenkmal entfernen. Am 29. September 1945 wurde auf dem Areal des zugeschütteten Teiches eine Gedenktafel für 13 in den letzten Kriegswochen verstorbene Häftlinge enthüllt. Der Gedenkstein verblieb dort bis zum Jahr 2015. Der Charakter des Friedensparks als Erinnerungsstätte für Kriegstote wurde dann 1953 noch deutlicher wieder etabliert. Damals stellte die Stadt Pirna ein Ehrenmal für die in der Pirnaer Region gefallenen sowjetischen Soldaten auf. Es stand hier fast 60 Jahre, bis zum Abbau und der Versetzung Ende 2012.

Nach 1990 gab es in Stadtrat und Bürgerschaft erste Initiativen zur Umgestaltung des Parks, in deren Fokus besonders die Entfernung des sowjetischen Ehrenmals stand. Es dauerte noch bis zum Jahr 2014, bis entsprechende Planungen der Stadtverwaltung auch durch eine Mehrheit im Stadtrat unterstützt wurden. Von 2016 bis Anfang dieses Jahres erfolgte eine völlige Neugestaltung des Areals, das nun als Parkanlage mit großer Wiese, Spielplatz und Wasserspiel wieder eröffnet wird. (Boris Böhm)