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Wie Europa Geld ins Dorf bringt

Im Kreis profitieren viele Häuslebauer und Kommunen von EU-Förderung. Sachsens Umweltminister will das sichern.

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© Rafael Sampedro

Von Anja Beutler

Landkreis. Am schmucken Umgebindehaus am Brückenweg 9 in Obercunnersdorf ist keine Klingel zu finden. „War wohl in der Förderung nicht enthalten“, tönt es aus der Gruppe von Menschen mit Schlips und Kragen, die den sächsischen Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt auf seinem Spaziergang durch das Dorf begleiten. Lautes Gelächter – und schon stehen Katharina und Dirk Hoffmann in der Tür. Das Ehepaar wohnt seit September vergangenen Jahres mit seinen zwei kleinen Kindern im frisch sanierten und innen modern umgebauten Häuschen. Hier und da fehlen noch Kleinigkeiten – wie das eben so ist, bei einem großen Projekt. Die beiden 39-Jährigen konnten ihr Traumhaus dank Europäischer Union und Freistaat mit Unterstützung der sogenannten Leader-Förderung stemmen. Das Programm ist für den ländlichen Raum gedacht. „Ja, ich würde mich wieder für die Sanierung eines Umgebindehauses entscheiden“, sagt Katharina Hoffmann, schiebt aber sofort nach: „aber nur mit einer solchen Förderung.“ Denn für das Geld, das die Veterinärmedizinerin und ihr Mann, der bei Fit in Hirschfelde beschäftigt ist, in ihr denkmalgeschütztes Umgebinde investiert haben, hätte man sich auch ein schmuckes neues Häuschen bauen können. Ohne Auflagen des Denkmalschutzes.

Schönau-Berzdorfs Turnhalle auf dem Hutberg wird dank EU-Förderung zum Sport und Begegnungszentrum ausgebaut.
Schönau-Berzdorfs Turnhalle auf dem Hutberg wird dank EU-Förderung zum Sport und Begegnungszentrum ausgebaut. © Rafael Sampedro
Minister Thomas Schmidt wagte auch einen Blick in die Zukunft des Förderprogrammes.
Minister Thomas Schmidt wagte auch einen Blick in die Zukunft des Förderprogrammes. © Rafael Sampedro
Vor einem Jahr eröffnete Daniel Neuer den einstigen Herrnhuter Bahnhof als Einkaufszentrum. Auch frühere Bahner freut das.
Vor einem Jahr eröffnete Daniel Neuer den einstigen Herrnhuter Bahnhof als Einkaufszentrum. Auch frühere Bahner freut das. © Thomas Eichler

Wie wichtig die Gelder aus Brüssel für die Dörfer und den Erhalt ihrer typischen Baukultur sind, zeigte der Besuch des christdemokratischen Ministers an diesem Montag deutlich. Auch der Herrnhuter Bahnhof, der seit September 2017 als kleines Einkaufszentrum mit Café viele Gäste anzieht, hat von der Förderung profitiert. Und Segen soll das Geld nun auch in Schönau-Berzdorf bringen, denn der Minister machte am Mittag hier Station und übergab einen Scheck in Höhe von 1,17 Millionen Euro. Dafür wird die Turnhalle zum Sport- und Begegnungszentrum auf dem Hutberg umgebaut – nach jahrelanger Suche nach finanzieller Unterstützung. Kein Wunder, dass die Gemeinde den Minister besonders fröhlich empfangen hat.

Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt hört auf seiner Rundreise durch den Landkreis lange zu, nickt zustimmend, zückt sein Handy, um besonders hübsche Details zu fotografieren – und wagt am Ende einen Blick in die Zukunft. Denn die interessiert vor allem Leute wie Andreas Worbs. Sein Job ist es, die Millionen, die der Freistaat von der EU erhält, auch in die Region, zu den Menschen zu bringen. Für die sogenannte Leaderregion Kottmar, bei der sich neben Kottmar auch Herrnhut, Oderwitz und Ebersbach-Neugersdorf zusammengeschlossen haben, klappt das ganz gut. Vielleicht auch, weil dieses Gebiet mit 33 000 Einwohnern auf 177 Quadratkilometern recht überschaubar ist. Im Vergleich dazu: Das Leadergebiet Östliche Oberlausitz, dem sich als südlichste Orte Schönau-Berzdorf, Ostritz und Bernstadt angeschlossen haben, hat 117 000 Einwohnern auf einer Fläche von mehr als 1 000 Quadratkilometern. Bis hoch in den Kreis-Norden nach Krauschwitz, Gablenz und Bad Muskau reicht diese Region.

Die 6,35 Millionen Euro, die für das Gebiet Kottmar von 2014 bis 2020 verteilt werden können, werden jedenfalls gut genutzt: 3,58 Millionen Euro sind für 110 Projekte schon ausgereicht worden, weitere 720 000 Euro sind bereits in neuen Anträgen gebunden. „Wir würden uns über Nachschlag freuen“, sagt Andreas Worbs.

Ob es den tatsächlich gibt, kann Minister Schmidt nicht versprechen. Denn diesen Wunsch hätten derzeit mehrere Regionen in Sachsen. Außerdem muss auch EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger mitspielen. Und der hat bereits erste Andeutungen zur Zukunft gemacht: „Durch den Brexit ist absehbar, dass es nach 2020 weniger Geld für die Regionen geben wird“, sagt Minister Schmidt. Das EU-Parlament werde in dieser Woche dazu entscheiden. Einfluss werde zudem die Europawahl in einem Jahr haben. Für die neue Phase des aktuellen Programmes gebe es deswegen noch viele offene Fragen, bedauert Schmidt. Denn er weiß – von den vielen Gesprächen aus seinem Rundgang – dass es einige Zeit dauert, bis sich ein solches Förderprogramm bei den Menschen vor Ort herumgesprochen hat und die ersten einen Antrag stellen. Umso bedauerlicher sei es dann, betont auch Andreas Worbs, wenn es genau dann nicht weitergeht, wenn gerade alles ins Laufen gekommen ist.