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Wie gefährlich ist Elb-Stehpaddeln?

Nach einem tödlichen Unfall an der Gierseilfähre in Kurort Rathen werden Konsequenzen gefordert.

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© Norbert Millauer

Von Gunnar Klehm und Jörg Stock

Die Strömung war zu stark. Minutenlang drückte sie den Paddler auf der Elbe unter Wasser. Der 50-jährige Dresdner war zuvor am frühen Sonntagnachmittag mit seinem Paddelboard gekentert, vermutlich nach einer Kollision mit dem Halteseil der Rathener Gierseilfähre. Dabei verfing sich die Leine, die ihn mit seinem Board verband, an einer Boje des Fährseils. Zwar konnten Zeugen des Unglücks ihn befreien. Der Mann verstarb jedoch später im Krankenhaus.

Das tragische Unglück macht Jan Diestel nachdenklich. Der Pirnaer sagt von sich, er habe das Stand-up-Paddling ins Dresdner Elbtal geholt. Nun fürchtet er, dass der tödliche Unfall an der Fähre den neuen Trendsport in ein schlechtes Licht rücken könnte. Er ist überzeugt: Wenn man die Regeln beachtet, kann beim Stehpaddeln nichts schiefgehen.

Diestel ist Inhaber eines Wassersportladens in Dresden und ehemaliger Profi-Surfer. Auf Paddelboards fährt er seit acht Jahren. Mehrmals in der Woche trainiert er auf der Elbe. Dabei sieht er immer wieder, wie Boote trotz des Verbots das Seil der Rathener Fähre kreuzen. Das lautlose Wasserfahrzeug sei ungewöhnlich, und viele Leute könnten mit der gelben Bojenkette, die das Halteseil markiert, nichts anfangen. „Die wissen einfach nicht, was das ist.“

Für den Profi ist es offenkundig, dass die Fähre für fremde Wassersportler eine Gefahr darstellt. Da man kein Geländer um sie herum bauen könne, sagt er, müssten Warnschilder her, die auch für Schifffahrtslaien verständlich seien. Es reiche nicht, sagt Diestel, wenn die Wasserschutzpolizei jenseits der Fährstelle auf der Lauer liege und Strafzettel verteile.

Belehrung durch Bootsvermieter

Für die Beschilderung entlang der Elbe ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt zuständig. Die Gierseilfähre in Kurort Rathen wird in beiden Fahrtrichtungen mit dem offiziellen Hinweiszeichen „Nicht frei fahrende Fähre“ angekündigt. Wer auf der Elbe fährt, sollte sich damit vertraut machen, sagt der Leiter des Amtes in Dresden, Klaus Kautz. „Alles andere ist grobe Selbstüberschätzung“, sagt er. Extra Warnschilder für Laien seien nicht vorgesehen.

Nicht amtliche Schilder will auch die Gemeinde nicht aufstellen. Die Gierseilfähre sei nicht gefährlicher als jede Boje oder jeder Anleger, den es entlang der Elbe gibt, sagt Rathens parteiloser Bürgermeister Thomas Richter. „So tragisch der Fall auch ist: Ein zusätzliches Schild hätte das sicher nicht verhindert“, sagt er. In seiner 16-jährigen Amtszeit ist das der erste tödliche Unfall an der Gierseilfähre. Ein ähnlicher Fall sei ihm nicht bekannt.

Wie man sich beim Vorbeifahren an der Gierseilfähre zu verhalten hat, ist auch Bestandteil jeder Belehrung der Ausleihstationen von Paddel- oder Schlauchbooten entlang der Elbe. Inwieweit sich der Verunglückte an der Stelle auskannte, ist unklar. Zu den laufenden Ermittlungen gab die Polizei keine Auskunft. „Bootsvermieter werden aber regelmäßig darauf kontrolliert, dass es ordentliche Belehrungen gibt“, sagt Stefan Walther, Pressesprecher der zuständigen Bereitschaftspolizei.

Gierseilfähren sind an der Elbe auch gar nicht so selten. In Sachsen gibt es noch eine bei Belgern. Weitere sechs solcher Fähren sind in Sachsen-Anhalt allein bis zur Saale-Mündung auf der Elbe im Einsatz. So weit reicht die Zuständigkeit des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Dresden. Dass solche Fähren einen Unfallschwerpunkt darstellen, ist durch nichts belegbar. Weder im Schifffahrtsamt noch bei der Wasserschutzpolizei wird eine Unfallstatistik für Flüsse geführt. Und selbst wenn – die Zahl der Unfälle auf der Elbe sei so gering, dass sie sich empirisch nicht verwerten lasse, sagt Polizeisprecher Walther.

Umstrittene Leine

Den letzten tödlichen Unfall eines Wassersportlers auf der Oberelbe gab es im Juli 2006. Damals konnte eine 19-jährige Kajakfahrerin, die gekentert war, nur noch tot geborgen werden. Von der Strömung war sie unter den Rumpf eines in Bad Schandau ankernden Hotelschiffs gedrückt worden.

Bei dem Unfall am Sonntag war dem Paddler zum Verhängnis geworden, dass er mit einer Leine, der sogenannten Leash, förmlich an sein Brett gefesselt war. Laut Jan Diestel ist die Verwendung dieses Seils, das das Sportgerät vor Verlust schützen soll, in der Szene nicht unumstritten. Die Leine wird mit einem Klettverschluss am Bein festgemacht, der sich mittels einer leicht zu greifenden Schlaufe schnell öffnen lässt. Ob das in einer starken Strömung wie auf der Elbe gelinge, sei wohl auch eine Sache der Erfahrung, glaubt Diestel.