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Wie im Wilden Westen

Fahndung. In Köln und Oldenburg sucht die Polizei nach Spuren des zweiten möglichen Kofferbombenlegers.

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Von Joachim SondermannundErich Reimann

Den Oberhausener Bodo Schlehdorn gruselt es noch Stunden nach dem Erlebnis. „Ich hab durch den Türspion geguckt und dann habe ich plötzlich die Polizisten mit der Waffe im Anschlag gesehen.“ Seine Freundin Heike Kuhn stimmt ihm zu. „Das war wie im Wilden Westen, richtig schlimm. Man durfte nicht rein und nicht raus.“

Schlehdorn war Augenzeuge von einer der mindestens zwei groß angelegten Durchsuchungsaktionen in Köln und Oberhausen, mit denen Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt gestern offenbar versuchten, mehr Licht in die versuchten Bombenanschläge auf Regionalzüge der Bahn zu bringen. Die Behörden selbst schwiegen zunächst zu den Details der Durchsuchungen. Doch aus den Berichten der Anwohner lässt sich ein Bild der Ereignisse zusammensetzen.

Blick in die Pistolenmündung

Tatort Oberhausen: Gegen Mittag habe mindestens eine Hundertschaft der Polizei das unscheinbare dreistöckige Mehrfamilienhaus mit der Hausnummer 154 in der Siegesstraße abgeriegelt, erzählen Augenzeugen. Die Polizisten seien durch den Hausflur gestürmt und hätten die Wohnungstür im 2. Stock eingetreten. „Später haben sie einen Mann in Handschellen abgeführt. Er hatte die Hände auf dem Rücken“, erzählt Schlehdorn. Ob es sich um den Wohnungsinhaber handelte, konnte allerdings keiner der Nachbarn mit Sicherheit sagen.

In der durchsuchten Wohnung lebt nach Angaben der Nachbarn seit zwei Monaten eine libanesische Familie mit vier kleinen Kindern. „Das ist mein Onkel. Er ist 32 und Libanese“, erzählt ein Junge. Viel mehr mag er nicht sagen.

Für die Anwohner ist der massive Polizeieinsatz ein Schock. „Das hier so etwas passiert. Das ist ein Hammer“, meint die 37-jährige Monika und zieht nervös an ihrer Zigarette. Ein Jugendlicher sagt: „Das ist hier sonst völlig ruhig.“ Viele werden den Tag wohl so schnell nicht vergessen. Etwa der Junge, der erzählt, wie er aus dem Fenster schaute und den Schreck seines Lebens bekam: „Auf einmal haben die Polizisten mit der Pistole auf mich gezielt.“

Ein idealer Unterschlupf

Tatort Köln: Zeitgleich rückte auch hier das Bundeskriminalamt an, um die winzige Wohnung eines Verdächtigen im Stadtteil Ehrenfeld zu durchsuchen. Stundenlang versuchten Spurensicherer, dem nach Angaben von Zeugen unter dem Dach gelegenen Mini-Appartement seine Geheimnisse zu entlocken. Hier soll einer der beiden Hauptverdächtigen zuletzt gewohnt haben, ein 20-jähriger Libanese.

Das unscheinbare viergeschossige Haus wäre ideal als Unterschlupf: 96 Klingelschilder sind an der Haustüre angebracht, die Bewohner sind in erster Linie Studenten aus aller Welt sowie Lehrlinge. Die Wohnung könnte allerdings schon seit einiger Zeit leer stehen. Mitte Juni habe er den Mieter zuletzt gesehen, berichtet Nachbar Norman Schuh. Der oder die Bewohner der Wohnung seien unauffällig gewesen. Woher sie kamen, kann der 24-Jährige nicht sagen. „Irgendwo Nahost. Die haben ihre Solidarität mit den Palästinensern gezeigt.“ Und seien politisch links gewesen wie er selbst. Über Gewalt hätten sie aber nicht gesprochen. Ob es sich um die auf den Fahndungsvideos gezeigten Männer handelt, weiß der Nachbar nicht. „Ich habe kein Fernsehen.“ (AP)