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Wie Sachsen an eigenes Gletscherwasser kommt

Ein Vogtländer packt Flüssiges aus Island in Kartons. Er spricht von Premiumwasser. Andere finden es etwas weit hergeholt.

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Von Georg Moeritz

Dresden. Stanislaw Tillich hat es probiert, Umweltminister Frank Kupfer (CDU) nahm ebenfalls ein paar Schlucke: Gletscherwasser aus Island gehörte in diesem Jahr zu den Neuheiten auf der Grünen Woche. Das „natürliche Trinkwasser“ im Fünfliterkarton war in der Sachsen-Halle zu haben, nahe Riesaer Nudeln und Freiberger Pils.

Kühle Werbung: Mit Verpackung und Logistik hat Torsten Kowitz schon Erfahrung – jetzt wirbt der Vogtländer auf Messen für sein Importwasser. Foto: Ronald Bonß
Kühle Werbung: Mit Verpackung und Logistik hat Torsten Kowitz schon Erfahrung – jetzt wirbt der Vogtländer auf Messen für sein Importwasser. Foto: Ronald Bonß

Island-Wasser als sächsisches Erzeugnis – da staunten nicht nur Vertreter des Bauernverbandes im Vorbeigehen: „Was hat das denn mit Sachsen zu tun?“ Laut Wirtschaftsförderung Sachsen immerhin genug, um dem Verkäufer einen verbilligten Auftritt auf Messen zu ermöglichen: Das Wasser werde im Vogtland verpackt, also finde „ein Teil der Wertschöpfung in Sachsen statt“. Das weit gereiste Wasser steckt in einem Karton, der mit einer vogtländischen Folie ausgekleidet ist. Die Beutel werden in Falkenstein „unter Reinraumbedingungen nach medizinischen Standards“ hergestellt, heißt es im Werbefaltblatt.

Das Faltblatt hat Torsten Kowitz drucken lassen, und für seinen Werbe-Auftritt hat der 47-jährige Unternehmer noch mehr getan: Für die Messe hat er eine blaue Krawatte mit seinem Firmennamen angelegt, auf einem Bildschirm läuft ein Film mit Wasserfällen und Geysiren. Kowitz wird von Ehefrau und Sohn am Messestand unterstützt, sein Unternehmen Iceis Germany ist noch klein.

Der Wasser-Importeur aus dem Vogtland berichtet gern, wie sein Produkt den Weg nach Sachsen findet: Das Wasser tritt aus 110.000 Jahre alten Gletschern aus. Mit Frachtschiffen wird es von Island zum Hamburger Hafen gebracht, von dort per Bahn nach Hof an der Saale. Abgefüllt wird es in Falkenstein im Vogtland. Dort hat sich Kowitz vor zehn Jahren mit Flexi-Tanks selbstständig gemacht – mit Folienbeuteln, in denen auch Apfelsaftkonzentrat aus China nach Deutschland kommt.

Vorsicht mit Reklame

Kowitz will von Online-Kunden 7,95 Euro für fünf Liter Island-Wasser haben, in einigen Reformhäusern und Edeka-Märkten seiner Heimat hat er es auch mit höheren Verkaufspreisen untergebracht. Ein großer Preis-Unterschied etwa zum Dresdner Leitungswasser, das laut Stadtwerken Drewag für 2,14 Euro aus dem Hahn kommt – für 1 000 Liter. Doch das Gletscherwasser wird von einigen Werbe-Argumenten begleitet: „Weiches Premiumwasser“ steht im Prospekt, und „natürlich rein, gefiltert durch vulkanisches Gestein“.

Der Händler achtet darauf, seine Ware nicht wie ein Medikament feilzubieten: „Wir dürfen nicht sagen, dass es gesund ist“, sagt Kowitz. Das verbiete die europäische Verordnung zur Lebensmittelwerbung. Diese Erfahrung haben auch andere sächsische Unternehmen gemacht, etwa Aronia Original Naturprodukte in Dresden. Geschäftsführer Jörg Holzmüller ist vorsichtig mit der Werbung für den Saft der Apfelbeere: Im Aronia-Prospekt stehen Formulierungen wie „natürliche Wirkstoffe für reines Wohlbefinden“. Beim Iceis-Gletscherwasser ist zu lesen, es sei „die ideale Ergänzung bei Fasten- und insbesondere bei Basenkuren“. Denn das Wasser aus dem Gletscher sei mit pH-Wert 8,5 weniger sauer als „herkömmliche Wasser“. Beim Leiter des Drewag-Trinkwasserlabors in Dresden, Jürgen Storm, kommt Kowitz’ Werbung allerdings nicht gut an. Er findet es „an den Haaren herbeigezogen“, dass ein etwas höherer pH-Wert als bei seinem Leitungswasser physiologisch günstiger wäre. Storm hält es zudem für „fragwürdig“, Wasser über so weite Entfernungen übers Meer zu transportieren und dafür Energie zu verbrauchen.

Das isländisch-vogtländische Gletscherwasser wird es nicht schaffen, als regionales Produkt aus Sachsen eingestuft zu werden. Zwar hat noch der bisherige Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CDU) auf der Grünen Woche ein neues Logo namens Regionalfenster vorgestellt – mit diesem blauen Aufkleber auf der Packung können Lebensmittelhersteller die Herkunft aus einer deutschen Region nachweisen. Doch laut Dresdner Landwirtschaftsministerium passt das nicht zum importierten Getränk.

Laut Kowitz ist das Gletscherwasser wegen seiner Reinheit auch zum Versand nach Afrika „für humanitäre Zwecke“ geeignet. Doch bei der Dresdner Hilfsorganisation Arche Nova hält Sprecher Christian Franz den Aufwand für „absurd hoch“. Der Verein bevorzugt Hilfe zur Selbsthilfe und hat in Kenia geholfen, Regenwasser zu sammeln – das sei nachhaltiger als der weite Transport vom Gletscher nach Süden.

www.iceis.de

www.regionalfenster.de