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Wie teuer wird künftig die Grundsteuer?

Ob Hausbesitzer ab 2025 mehr oder weniger Steuern zahlen müssen, hängt vor allem von den Kommunen ab.

Von Nora Miethke
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© dpa/Oliver Berg

In den zähen Verhandlungen um eine Reform der Grundsteuer wollen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und die Landesfinanzminister am Freitag zu einer Lösung kommen. Das Ergebnis wird jeden betreffen, entweder als Immobilienbesitzer oder als Mieter, auf den der Vermieter die Grundsteuer als Nebenkosten umlegen kann. Nach Medienberichten der letzten Tage scheint festzustehen, dass vor allem Mieter und Hausbesitzer in Dresden, Leipzig und Jena Angst vor einer erheblich höheren Grundsteuer haben müssen, weil ihre Grundstückswerte in den letzten Jahren gestiegen sind. Ist das wirklich der Fall? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform der Grundsteuer.

Warum muss die Grundsteuer neu berechnet werden?

Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2018 eine Reform der Erhebung der Grundsteuer bis Ende 2019 gefordert. Das Gericht hält die bisherige Berechnungsmethode für verfassungswidrig. Denn die Bemessungsgrundlagen basieren für Immobilien in Ostdeutschland auf Bewertungen aus dem Jahr 1935, für Immobilien in Westdeutschland aus dem Jahr 1964. Sie sind heillos veraltet.

Wie soll die Grundsteuer künftig berechnet werden?

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat zwei Modelle vorgeschlagen: ein wertunabhängiges Modell, bei der sich die Grundsteuer allein an der Grundstücksfläche und Wohn- bzw. Nutzfläche ausrichtet. Beim wertabhängigen Modell waren ursprünglich Bodenrichtwerte, Fläche, fiktive Miete und Baualter zur Ermittlung nötig. Jetzt wird ein vereinfachtes Verfahren diskutiert, bei dem der Bodenrichtwert, die Grundstücksfläche und die mit einem Wert gewichtete Wohn- und Nutzfläche eingehen. Das ist aber nur die erste Stufe der Bemessung. Wie hoch die Steuer tatsächlich ist, bestimmt jede Gemeinde selbst, indem sie den Hebesatz, also den Steuersatz, selbst festlegt. „Also nur weil der Bodenwert in Frankfurt am Main höher ist als in Riesa, muss die Grundsteuer in Frankfurt nicht höher sein“, erklärt Marcel Thum, Geschäftsführer des Dresdner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.

Was sind die Vor- und Nachteile beider Modelle?

Das wertunabhängige Verfahren ist einfacher: Die Fläche lässt sich leicht ermitteln und sie ändert sich über die Zeit praktisch nicht, außer durch Anbauten.

Das wertabhängige Verfahren ist gerechter. Richtig aufgesetzt, ließe sich erreichen, dass diejenigen, die in einer Stadt von öffentlichen Leistungen profitieren, auch für die Bereitstellung mitbezahlen. Professor Thum erklärt dies am Beispiel etwa einer besseren Straßenbahnanbindung der Dresdner Johannstadt. Davon profitieren die Einwohner dort, die in Neu-Ostra kaum. Die Immobilienwerte in der Johannstadt gehen hoch, weil die Lage wegen der Anbindung attraktiver wird, die Grundstückswerte in Neu-Ostra reagieren nicht. Dann würden die Immobilienbesitzer in der Johannstadt mehr Grundsteuer zahlen. Das könnte solche Projekte dann leichter durchsetzbar machen, glaubt Thum.

Wie bewertet Sachsens Finanzministerium die Modelle?

Kritisch. Das wertabhängige Modell sei sehr aufwendig und bürokratisch und würde zu einem „signifikanten Grundsteuermehraufkommen in den sächsischen Großstädten führen“, heißt es. Um einen Anstieg der Wohnkosten zu verhindern, müssten die Städte ihre Hebesätze senken. Beim wertunabhängigen Modell wären die Wertsteigerungen in Sachsen flächendeckend zu verzeichnen, was nicht nachvollziehbar wäre. Das Luxusappartement im Zentrum von Dresden würde dann genauso niedrig besteuert werden wie die Doppelhaushälfte am Stadtrand. Auch würden der Freistaat und damit die Kommunen bei beiden Modellen Zuweisungen aus dem Bund-Länder-Finanzausgleich in dreistelliger Millionenhöhe verlieren. „Insgesamt erfüllen beide Modelle unsere Anforderungen nicht. Wir plädieren daher für einen Kompromiss“, so Sandra Jäschke, Sprecherin im Finanzministerium.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Das lässt sich erst am Freitag nach der Sitzung mit Bundesfinanzminister Scholz in Berlin sagen. Ziel sei es, die für Sachsen negativen Effekte „deutlich abzumildern“, so Jäschke. Wie das gelingen kann, soll morgen diskutiert werden.

Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer bei welchem Modell?

In der Presse werden als Hauptverlierer die Hausbesitzer und Mieter in den ostdeutschen Großstädten genannt wegen der Wertsteigerungen im Osten. Thum wie auch die Steuerexperten beim SSG halten von den veröffentlichten Berechnungsbeispielen wenig. Denn sie gelten für die Annahme unveränderter Hebesätze. Doch das ist unrealistisch. Es ist vielmehr davon auszu gehen, dass die Städte und Gemeinden ihre Hebesätze an die neue Situation anpassen werden, um insgesamt das Einnahmeniveau aus der Grundsteuer stabil zu halten. „Solange man nicht weiß, wie die Gemeinden reagieren werden, sind Vergleiche zwischen Städten sinnlos“, so Thum.

Generell gilt: Kommt ein wertabhängiges Modell mit angepassten Hebesätzen, wird es laut Thum innerhalb einer Stadt immer Gewinner und Verlierer geben. Hausbesitzer in guten Lagen werden mehr zahlen, Hausbesitzer in Stadtteilen, die an Attraktivität verloren haben, weniger. Kommt ein wertunabhängiges Modell mit angepassten Hebesätzen, werden vor allem die Eigentümer flächenmäßig großer Grundstücke belastet werden, also eher die Eigentümer der Randlagen in den Städten und Gemeinden.

Welches Modell wird in Sachsen favorisiert?

Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) spricht sich für das wertabhängige Modell aus, „weil es gerechter ist und die Be- und Entlastungen des Grundsteuerzahlers im Vergleich zur bisherigen Grundsteuer geringer ausfallen werden“, sagt SSG-Geschäftsführer Mischa Woitschek. Der Vollzug der Reform würde zwar Bürokratie erzeugen, sei aber letztlich noch beherrschbar, glaubt er. Auch Marcel Thum favorisiert das wertabhängige Modell, wenn die Wertermittlung vereinfacht wird. Der Versuch, wirklich bei jedem Haus den „wahren Wert“ zeitnah zu ermitteln, würde dagegen einen Großteil des Steueraufkommens verschlingen, betont er. Das sächsische Finanzministerium will einen Kompromiss zwischen beiden Modellen.

Müssen alle Hausbesitzer mit höherer Grundsteuer rechnen und ab wann?

Das lässt sich jetzt noch nicht sagen. Die sächsischen Kommunalpolitiker wollen laut dem SSG die Gesamteinnahmen der Grundsteuer für ihre Gemeinde nicht erhöhen. In Sachsen liegt das Gesamtaufkommen jährlich bei rund 500 Millionen Euro. Sie würden aber nicht verhindern können, dass einzelne Grundstückseigentümer ab 2025 – in dem Jahr soll die Reform wirksam werden – mehr oder weniger Steuern zahlen müssen. Das hängt ab vom gewählten Modell, der Grundstückssituation und wie die Kommunen ihre Hebesätze anpassen.