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Wie viel Spielhölle braucht Kamenz?

Ein privater Investor hat Baupläne im Bahnhof. Die sind in der Stadt umstritten. Die SZ stellt sie vor.

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© Stefan Menzel

Von Frank Oehl

Kamenz. Womöglich sprach Stadtrat Jörg Bäuerle, der immerhin auch Vize-OB ist, den meisten Kamenzern aus der Seele, als er sagte: „Eine weitere Spielothek in der Stadt ist so überflüssig, wie ein Kropf.“ Anlass dieser klaren Kante war eine Mitteilungsvorlage der Verwaltung an den Stadtrat, deren Inhalt bereits die Spatzen von den Dächern der Stadt pfiffen: Das Rathaus konnte einem Bauantrag eines privaten Investors das „gemeindliche Einvernehmen“ partout nicht versagen.

Dieser will im Bahnhofsgebäude eine Spielothek und eine Sportbar einrichten. Die Stadt habe die rechtlichen Rahmenbedingungen extern prüfen lassen und sei zu der Erkenntnis gekommen, dass planungsseitig alles korrekt verlaufe. Genehmigungsebene sei einzig und allein der Landkreis. OB Roland Dantz im Stadtentwicklungsausschuss: „Würden wir unser Einvernehmen rechtswidrig verweigern, würde es durch die Bauaufsichtsbehörde einfach ersetzt werden.“

Gesetz fordert klare Abstandsregeln

Was ist der Knackpunkt? In der Stadt wird seit Monaten um das Glückspielwesen gerungen. Anlass ist eine neue Gesetzgebung, die unter anderem klare Abstandsregeln festlegt. Eine Spielhalle muss nun mindestens 250 Meter Luftlinie von allgemeinbildenden Schulen entfernt sein. Damit mussten die einarmigen Banditen zum Beispiel am Bönischkreisel abgebaut und an der Uferstraße wieder aufgebaut werden. Und in der Zwingerstraße wurde – genehmigt durch das städtische Gewerbeamt – ein Taschenspielertrick umgesetzt: Das „Cash“ wurde in zwei „eigenständige“ Cafés geteilt. Und in jeder Gaststätte dürfen drei Spielautomaten stehen. Die sechs Cash-Automaten erfreuen sich also nach wie vor größter Beliebtheit. Trotz der Nähe zur 1. Oberschule.

Der Bahnhof ist vom Schulplatz etwa 375 Meter entfernt. Und bis zum künftigen Lessinggymnasium in der Henselstraße, dessen Wiedereinrichtung gerade geplant wird, sollen es sogar 420 Meter sein. Das hat die Stadt noch mal nachmessen lassen. Allerdings gibt es da eine Frage, auf die das Rathaus nicht erst seit einer Aufwallung auf SZ-Kamenz-Facebook auch schon allein gekommen ist: Welchen Sinn macht die neue Abstandsregel eigentlich? Müsste sie nicht auch auf eine Schulbus-Schnittstelle, wie der Bahnhof eine ist, angewendet werden? Wenn man einer Spielhölle eine Verführungsqualität unterstellt, greift sie nicht gerade vor und nach dem Unterricht besonders? Hunderte Schüler zwischen zehn und 18 Jahren werden täglich den öffentlichen Nahverkehr nutzen und an der Spielothek vorbei müssen. OB Dantz: „Wir sehen das Problem und haben den Landkreis jetzt ausdrücklich darauf hingewiesen, dies vor einer Baugenehmigung mit zu prüfen.“

Zutritt nur für Ü 18

Davon kann auch der Investor ausgehen. Es handelt sich bei Stefan Menzel um einen 29-jährigen Görlitzer, der nicht nur in der Neißestadt mehrere Objekte im Vergnügungssteuergeschäft betreibt, sondern auch kulturelle Großveranstaltungen am Bärwalder See und anderswo organisiert. „Ich möchte jedenfalls nicht der böse Unternehmer sein, der die Kinder zum Glückspiel verführt“, so Menzel jetzt gegenüber der SZ. Er plane am Bahnhof schließlich ein hochwertiges Casino, das nach den strengen Auflagen der Glücksspielbehörde betrieben werden muss. Ohne Alkoholausschank, ohne knallige Außenwerbung, mit Zutritt Ü 18, mit spielsuchtgeschultem Mitarbeiteteam, das gegebenenfalls auch Zutrittsverbote durchsetzen könne. „Wir heben uns damit deutlich von dem ab, was in Kneipen mit Alkoholangeboten möglich ist.“

Menzel sieht sich im Übrigen als ein Investor, der mit seinem Engagement ausdrücklich auch zur Belebung des Bahnhofsgebäudes beitragen will. Die alte Mitropa macht einen heruntergekommenen Eindruck . „Ich habe etwa 100 000 Euro Baukosten veranschlagt.“ Zum Glück sei ihm der Verwalter zunächst bei den Mietkosten entgegenkommen. Und im Übrigen sollte auch sein Beitrag zum Arbeitsmarkt in Kamenz nicht gering geschätzt werden. Er plane schließlich mit jeweils drei Voll- und Teilzeitkräften.

Für Alternativen offen

Der Görlitzer will im Bahnhof nicht nur eine Spielothek einrichten, sondern auch einen unabhängigen Gastronomiebereich. Am liebsten hätte er schon zur Fußball-WM seine jetzt beantragte Sky-Sportbar eröffnet, aber das dauert nun doch noch etwas länger. „Ich stehe auch Alternativen offen“, sagte er gegenüber der SZ. Neben der Sky-Sportbar gebe es zwei weitere Konzepte, die möglich wären. Einmal eine „Bagelfabrik“, wo man sich das derzeit angesagte amerikanische Kultgebäck individuell belegen kann. Oder auch „MeinSpiel“ – eine Bar mit Pool-Billard und Darts. Stefan Menzel würde sich über ein Zeichen aus der Kamenzer Bürgerschaft freuen, was davon am meisten gewünscht wird.

Vieles hängt jetzt aber zunächst davon ab, wie der Landkreis entscheidet. Dabei geht es nicht um die Frage, wie viel Spielhölle Kamenz vertragen kann, sondern nur, ob das Casino im Bahnhof baugenehmigungsfähig ist oder nicht.