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Wie viele Alkoholverbote braucht Görlitz?

Trinker aus der Öffentlichkeit verbannen – wenn das neue Polizeigesetz kommt, wäre das möglich. Aber es gibt Zweifel.

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© dpa

Von Matthias Klaus

Görlitz. Wie sehr das Thema Trinker in der Öffentlichkeit die Görlitzer bewegt, zeigte sich jüngst ausgerechnet in der Landskronbrauerei. Dort hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zur CDU-Regionalkonferenz eingeladen. Das Thema war eigentlich die Grenzsicherheit. Doch den Görlitzern ging es um mehr, von der Stadthalle bis eben zu den Trinkern im Stadtbild. Ein Beispiel: der Sechsstädteplatz im Süden der Stadt. Momo Riedmüller ist hiesiger Ortsvorsitzender der politischen Spaßvereinigung „Die Partei“. „Aber bei dem Thema hört der Spaß auf“, sagte er. Zunächst mit Plattitüden, wie Ostsachsen sei abgehängt und „das Problem heißt Kapitalismus“ sowie nicht zitierfähigen Worten, die ihm Buh-Rufe und Pfiffe einbrachten, skizzierte er die Situation trinkender Jugendlicher auf dem Sechsstädteplatz. „Hinter jeder Person steht doch ein Schicksal“, so Momo Riedmüller. Und: „Hat sich denn schon irgendjemand mal die Zeit genommen, mit den Leuten zu reden?“

Anselm Hofmann hat. Er ist Bürgerrat für die Südstadt und meldete sich gleich nach den verbalen Attacken Momo Riedmüllers zu Wort. Sein Tenor: Jeder der wirklich Hilfe benötigt und in Anspruch nehmen möchte, bekommt sie auch. Daniel Breutmann, ebenfalls vom Bürgerrat Süd, findet noch deutlichere Worte: „Ein eindeutiges Ja für ein Alkoholverbot auf dem Sechsstädteplatz.“ Er sieht vor allem die Nähe des Spielplatzes als problematisch. „Eltern mit Kindern meiden diesen inzwischen“, sagt er. Es sei immer viel Bewegung auf dem Platz, die aber durch pöbelnde Gruppen gestört wird. „Natürlich gibt es junge Leute, die räumen ihre Sachen weg. Aber eben auch andere“, so Daniel Breutmann. Der Bürgerrat sei heilfroh, dass inzwischen Jugendsozialarbeiter vorbeischauen. Dennoch: Ein Dauerzustand sei das alles nicht.

Braucht der Sechsstädteplatz ein Alkoholverbot? Oder andere Plätze und Straßen in der Stadt? Und wenn ja: welche? Wenn das neue Polizeigesetz greift, wird dieses Thema mit Sicherheit erneut auf der Tagesordnung des Görlitzer Stadtrates stehen. Ein Bestandteil: Kommunen haben mehr Freiheiten zu entscheiden, wo und wie sie Alkoholverbotszonen einrichten. Daran war Görlitz 2017 gescheitert. Zwar gab es eine „Polizeiverordnung für ein örtlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot“, garniert mit den legendären Verbotsschildern an Bänken. Aber als ein junger Mann sein Recht auf ein Feierabendbier einklagte, war es damit vorbei. Octavian Ursu, Görlitzer CDU-Landtagsabgeordneter: „Wir brauchen keine schlechten Vorbilder für die Kinder und die Jugend“, sagt er. Inwieweit das Polizeigesetz in seiner jetzigen Form tatsächlich kommt, sei dahingestellt. „Ich gehe davon aus, dass der Abschnitt, in dem Kommunen über Alkoholverbote entscheiden können, drinbleibt“, sagt Octavian Ursu. Andere Themen seien noch in der Diskussion. Wo in Görlitz Alkoholverbotszonen eingerichtet werden, sei letztendlich eine Frage, die den Stadtrat beschäftigen wird. Ob die bisher von der Stadt favorisierten Plätze dann wieder in die engere Auswahl kommen, ist heute noch offen. Als das Alkoholverbot in der Innenstadt noch galt, zogen Trinkergruppen unter anderem auf den Sechsstädteplatz um. Kann sich Octavian Ursu dort ein neues, gesetzlich geschütztes Alkoholverbot ebenfalls vorstellen. „Ich persönlich schon“, sagt der CDU-Mann. Aber letztendlich sei es der Stadtrat, der entscheiden müsse. Er sehe eine mögliche Ausweitung gelassen. „Wenn sich die Situation beruhigt hat, können wir doch nach ein, zwei Jahren die Entscheidung wieder rückgängig machen“, sagt Octavian Ursu.

Robert Gröschel sieht das Ganze etwas anders. Er ist jeden Dienstag als Straßensozialarbeiter unterwegs. „Auf dem Lutherplatz sieht man jetzt wieder viel mehr Familien mit Kindern“, hat er festgestellt. Große Probleme, Auseinandersetzungen, in der jüngeren Vergangenheit habe es nichts dazu gegeben. Ob die Schließung des Kiosks damit zu tun hat – unklar. Dennoch weiß er, dass es die Trinker gibt. „Aber mit einem Verbot wird doch das Problem nicht gelöst, sondern nur aus unserer Sicht geschoben“, sagt Robert Gröschel. Die Gründe, warum Menschen zum Alkohol greifen, bleiben, so der Sozialarbeiter. Zudem fände er es schade, wenn Freunde, Bekannte, die sich nur auf ein Feierabendbier treffen, auch vom Platz vergrault würden. „Sinnvoll sind allerdings Alkoholverbotszonen rund um Schulen, sagt Robert Gröschel.