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Wie viele Ausländer leben in Riesa?

Im Stadtrat spekuliert die NPD über einen massiven Familiennachzug von Asylbewerbern. Die Zahlen geben das nicht her.

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© Symbolbild/dpa

Von Christoph Scharf

Riesa. Läuft man abends durch die Innenstadt, hat sich das Riesaer Stadtbild unübersehbar gewandelt: Auf der Hauptstraße und am Puschkinplatz trifft man regelmäßig auf junge Männer, die dem Augenschein nach Asylbewerber sind. Doch wie viele von ihnen leben tatsächlich in Riesa? Das hat in der jüngsten Stadtratssitzung für eine Debatte gesorgt. Dort äußerte der NPD-Stadtrat Jürgen Gansel die Vermutung, dass es in Riesa einen „massiven Familiennachzug“ aus Syrien und dem Irak gebe, der in keiner Asylstatistik erfasst wird.

Dabei bezog er sich auf den Statistischen Bericht der Stadtverwaltung, der für Riesa mit Stand vom 30. September eine Ausländerzahl von 1 423 ausweist. Asylbewerber machen davon allerdings nur einen Bruchteil aus: Auf Anfrage der SZ teilt Barbara Schwedler vom Landratsamt mit, dass in Riesa (mit Stand 23. November) 442 Personen in Gewährsunterkünften des Landkreises untergebracht sind. Davon zählen rechtlich 283 als eigentliche Asylbewerber und 46 als Flüchtling oder sogenannte Subsidiäre Schutzberechtigte, so die Leiterin des Ausländeramts. Weitere 112 laufen unter der Rubrik „abgelehnter Asylbewerber/Duldung“, eine weitere Person hat noch keinen Asylantrag gestellt.

Aber wer sind die anderen Ausländer? Der NPD-Vertreter spekuliert, dass „erfahrungsbasiert“ üblicherweise 350 bis 400 Ausländern in Riesa leben würden, die nichts mit dem Asylverfahren zu tun haben – etwa Vietnamesen, Russen, Albaner, Bürger von EU-Staaten. Addiere man die zusammen, komme man lediglich auf gut 840 Ausländer – da fehlen noch immer 600 bis zu den statistisch gemeldeten reichlich 1 400 Ausländern in Riesa. Sind das etwa Familiennachzügler?

Nach den Zahlen des Ausländeramts sieht das anders aus: Demnach gab es in diesem Jahr bislang lediglich 71 Familiennachzüge im Kontext Flucht und Asyl. Zum Vergleich: 2016 waren es insgesamt 60 Personen, für die Jahre davor gibt es laut Barbara Schwedler keine statistischen Daten. In ganz Sachsen wurden vergangenes Jahr reichlich 5 100 Familiennachzüge verzeichnet, teilt die Landesdirektion auf eine Kleine Anfrage der AfD im Landtag mit. Im ersten Halbjahr 2017 waren es rund 3 300.

Botschaften sind überlastet

Die Entscheidung über den jeweiligen Familiennachzug fälle auch nicht das Ausländeramt, dafür seien die Deutschen Botschaften zuständig. „Der anerkannte Flüchtling stellt fristwahrend eine Anzeige beim Ausländeramt in Meißen zur Beantragung des Familiennachzuges“, erklärt die Amtsleiterin. Diese bestätigte Anzeige muss der Partner oder das Familienmitglied im Ausland der Deutschen Botschaft vorlegen. Für Syrien seien derzeit die Botschaften im Libanon oder in der Türkei zuständig. Allerdings seien die Botschaften derzeit überlastet. „Daher ergeben sich teilweise Wartezeiten auf einen Termin zur Vorsprache von mitunter sechs bis zwölf Monaten“, sagt Barbara Schwedler. Hat der Betreffende bei der Botschaft den Familiennachzug beantragt, bearbeitet diese den Vorgang und bewilligt das Visum – oder lehnt ab. „Das Ausländeramt erhält erst nach Erteilung des Visums eine Mitteilung“, so die Leiterin.

Bleibt die Frage, wie sich die Diskrepanz zwischen den Zahlen tatsächlich erklären lässt. Ganz offenkundig waren die Ausländerzahlen in Riesa schon vor der großen Wanderungsbewegung 2015 höher, als von der NPD gemutmaßt: Das Statistische Jahrbuch der Stadt Riesa weist für Ende 2010 etwas mehr als 500 Ausländer für die Stadt aus. Ende 2016 sind es dann bereits rund 1 340. Die jüngste verfügbare Zahl liefert Rathaus-Sprecher Uwe Päsler: Am 17. November waren 1 464 Menschen ausländischer Staatsbürgerschaft in Riesa gemeldet – egal, ob sie in einer eigenen Wohnung leben oder in einer der Asyl-Gemeinschaftsunterkünfte. Bezogen auf rund 30 000 Einwohner entspricht das einem Ausländeranteil von knapp fünf Prozent.