Merken

Wie weiter nach dem Alkoholverbot in Görlitz?

Das Rathaus wartet die Urteilsbegründung ab, Parteien denken über neue Konzepte nach aber Geld zurück gibt es nicht.

Teilen
Folgen
NEU!
© Nikolai Schmidt

Von Matthias Klaus

Eigentlich hätten die Schilder an den Bänken ja dranbleiben können. „Alkoholfreie Zone“ stand darauf und „Danke für Ihre Akzeptanz“. Keine Hinweise auf städtische Verordnungen oder Paragrafen, nur ein freundlicher Anstoß. Doch die Schilder sind seit einigen Tagen verschwunden. So schnell sie die Stadt hatte anbringen lassen, nachdem das Alkoholverbot für vier Plätze in der Innenstadt 2015 beschlossen war, so schnell wurden sie 2017 wieder abgeschraubt. Das Görlitzer Rathaus wollte damit offensichtlich Souvenirjägern zuvorkommen.

Es darf wieder Alkohol getrunken werden auf dem Marienplatz, an der unteren Elisabethstraße, auf Post- , Wilhelms und Demianiplatz. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat ein entsprechendes Verbot der Stadt gekippt. Gleich mehrere Vorgaben des sächsischen Polizeigesetzes sehen die Richter als nicht eingehalten. Vor knapp zwei Jahren hatte der Görlitzer Stadtrat mit knapper Mehrheit für ein Alkoholverbot gestimmt.

Rechtlich stand das Ganze auf wackligen Füßen, sogar das städtische Rechtsamt meldete Bedenken an. Thorsten Ahrens, Fraktionschef der Linken im Stadtrat, sieht sich heute in seiner Kritik von damals bestätigt. „Der Oberbürgermeister steht nun vor einem Scherbenhaufen“, sagt er. Ahrens setzt auf ein Gesamtkonzept für die Görlitzer Innenstadt. „Da könnten wir schon viel weiter sein“, sagt er. Nur verbieten sei einfach zu kurz gesprungen. „Es gibt keinen Knopf, auf den wir drücken können und das Problem ist weg“, so der Chef der Linksfraktion mit Blick auf das Alkoholverbot.

Die Stadt Görlitz wartet jetzt noch auf eine schriftliche Urteilsbegründung aus Bautzen. Erst dann will sich das Rathaus zum weiteren Vorgehen äußern. Rein theoretisch wäre noch eine Beschwerde der Stadt gegen das Urteil möglich.

In diesem und dem vergangenen Jahr wurden zusammen 23 Verwarn- und Bußgelder wegen des Alkoholverbotes ausgesprochen. Die Höhe der Summen reicht von 20 Euro bis 78,50 Euro. In zwei Fällen wurde nur eine Verwarnung ausgesprochen, ohne finanzielle Folgen für die Betroffenen, zwei weitere Fälle wurden eingestellt. Als letzter „Tattag“ führt die Statistik den 1. März. Da gab es ein Verwarngeld über 35 Euro.

Insgesamt nahm die Stadt durch das Alkoholverbot 863 Euro ein. Geld zurück gibt es nicht. Die Einspruchsfrist 2015/16 ist abgelaufen, Einsprüche habe es keine gegeben, so Rathaussprecher Wulf Stibenz. Und alle anderen Verfahren seien rechtskräftig. Die meisten „Sünder“ überführte die Polizei. Sechs Trinker wurden von den Mitarbeitern des städtischen Ordnungsamtes ertappt. Schwerpunkt war der Marienplatz mit 17 Fällen. Ein Trinker wurde auf dem Demianiplatz erwischt, fünf auf dem Wilhelmsplatz. Die Polizei hat ihre Kontrollen zum Thema Alkohol nach Bekanntwerden des Urteils eingestellt. „Das bedeutet jedoch ausdrücklich nicht, dass nicht Kontrollen auf anderer Rechtsgrundlage vor Ort durchgeführt und andere Verstöße geahndet werden“, sagt Polizeisprecher Thomas Knaup.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Octavian Ursu steht zu seinem Ja zum Beschluss von 2015. „Es war richtig, zu schauen, ob eine Durchsetzung möglich ist“, sagt er. Nun, da das offensichtlich nicht der Fall ist, will sich der Landtagsabgeordnete in Dresden für eine Änderung des Polizeigesetzes stark machen. Das Alkoholverbot solle dann in den Kommunen leichter umgesetzt werden können. Es könne nicht akzeptiert werden, dass in Görlitz in der Nähe von Schulen und Spielplätzen, an Orten, die von Touristen häufig frequentiert werden, unkontrolliert Alkohol getrunken werde, so Octavian Ursu.

Harald Twupack von den Bürgern für Görlitz hatte vor zwei Jahren den Stadtratsbeschluss ebenfalls kritisiert. Dennoch ist er einem Alkoholverbot in der Innenstadt nicht generell abgeneigt. „Wenn es das bestehende Recht nicht hergibt, muss es geändert oder eine andere Lösung gefunden werden“, sagt er. Harald Twupack erwartet zudem verstärkt Angebote von Streetworkern – unter anderem mit Blick auf die Jugendlichen, die den Marienplatz zuweilen zum Fußballplatz umgestalten.

Mehr sozialpädagogische Betreuung, die neben Polizei und Ordnungsamt auf Görlitzer Straßen und Plätzen präsent ist, das wünscht sich auch Linksfraktionschef Thorsten Ahrens. „Wir werden vor der nächsten Stadtratssitzung deshalb eine Beschlussvorlage einbringen“, sagt er. Darin soll der Oberbürgermeister aufgefordert werden, ein Konzept für „öffentliche Räume“, Straßen, Plätze in der Stadt, deren gemeinsame Nutzung zu erarbeiten.