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„Wie wollen Sie den Wegzug aus Gröditz stoppen?“

Oberschüler haben Gröditzer Stadtratskandidaten ins Kreuzverhör genommen – und Erstaunliches gehört.

Von Eric Weser
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In der Aula der Gröditzer Oberschule Siegfried Richter ist am Donnerstag über Stadtpolitik diskutiert worden.
In der Aula der Gröditzer Oberschule Siegfried Richter ist am Donnerstag über Stadtpolitik diskutiert worden. ©  Sebastian Schultz

Gröditz. Es ist 19.30 Uhr, als am Donnerstagabend in der Gröditzer Oberschule der Schlussapplaus einsetzt. Punktlandung. Zuvor hatten Schüler aus der zehnten Klasse 90 Minuten lang fünf Stadtratskandidaten von AfD, Bürgervereinigung (BGV), CDU, Linken und SPD zu stadtpolitischen Themen ins Kreuzverhör genommen. Eigentlich wollten die Jugendlichen auch die Freie Wählergemeinschaft befragen, doch deren Stuhl blieb leer. Ein erhellendes Treffen wurde die vom Gröditzer Bündnis für Demokratie und Zivilcourage organisierte Veranstaltung trotzdem – weil die Schüler vom Altenheim-Bedarf über Kita-Beiträge bis zur Zukunft verfallender Gebäude alle möglichen Themen abklopften.

Wie sollen die Freizeitangebote für Jugendliche verbessert werden?

Der geschlossene Jugendclub, die abgebaute Skaterbahn – bei Freizeitangeboten in Gröditz sehen die Schüler Nachholbedarf. Einig sind sich viele Stadtpolitiker, was passieren muss: Die jungen Leute sollen möglichst konkret sagen, was sie sich wünschen. Das will die Stadtpolitik dann mit Geld unterstützen. Geld sei da, so Stadtrat Ulrich Keil (Linke). Um die Wünsche zu erfahren, soll es bald Runden geben, in denen Räte die Jugendlichen treffen, so CDU-Stadtrat Marco Wegner. Ratskandidat Dirk Wartenberg sagte, auch die AfD würde Projekte wie eine Skaterbahn unterstützen. Deren Nutzer müssten dann aber auch Verantwortung dafür übernehmen.

Wie soll der Breitbandausbau in der Stadt vorangebracht werden?

Da könne die Stadtpolitik wenig tun, so BGV-Stadtrat André Lux, weil der Netzausbau vor allem Sache der Privatwirtschaft sei. Den geförderten Ausbau wie in Schweinfurth, wo kein Privatunternehmen ins Netz investiert, wolle der Stadtrat in seiner nächsten Sitzung forcieren.

Was kann für die Digitalisierung an den Gröditzer Schulen getan werden?

Ginge es nach der CDU, hätte jeder Schüler ein Tablet, so Marco Wegner. Auch Ulrich Keil (Linke) sprach sich für eine bessere Ausstattung der Schule mit Computern aus, zumal das auch in der Macht der Kommune liege.

Wie soll der Wegzug junger Leute gestoppt werden?

Das Abwandern vieler Junger ist für SPD-Stadtrat Peter Packroff ein großes Problem. Ziel müsse sein, die Gröditzer Einwohnerzahl von derzeit mehr als 7 000 Menschen konstant zu halten, sagt er. Deshalb müsse die Stadt bei Wohnbaustandorten aufholen. Das sehen CDU und BGV ähnlich. Es mangele aber auch an „coolen Mietwohnungen“, so CDU-ler Marco Wegner.

Wie können Eltern finanziell entlastet werden?

Kostenlose Schulspeisung und niedrigere Elternbeiträge: Da gehen die Meinungen der Stadtratskandidaten auseinander. BGV und CDU sprachen sich gegen kostenlose Schulspeisung aus. Das sei eine Frage von Bedürftigkeit, so André Lux (BGV). Peter Packroff (SPD) würde die Essenversorgung dagegen gern kostenlos machen. Bei den Linken renne man mit der Forderung nach Senkung der Elternbeiträge für Kita und Hort „offene Türen ein“, so Ulrich Keil. Aber auch da könne die Kommune wenig tun, da die entscheidenden Regeln letztlich auf Landesebene gemacht würden. AfD-Mann Dirk Wartenberg verwies darauf, dass seine Partei auf Landesebene gescheitert sei, Kita-Beiträge abzuschaffen und die Kommunen bei dem Thema durch das Land stärker zu unterstützen.

Wie kann die Seniorenbetreuung verbessert werden?

Linken-Politiker Keil sah Bedarf für ein weiteres Seniorenheim – wobei Bau und Betrieb keine Sache der Stadt seien. Das Problem sieht Keil in den fehlenden Pflegefachkräften. CDU-Mann Wegner sprach sich für Senioren-WGs aus. SPD-ler Peter Packroff sagte, dass die Wohnungsgesellschaften sich mehr und mehr Thema altersgerechtes Wohnen annehmen müssen.

Wie hält man Unternehmen in der Stadt – und siedelt auch neue an?

Bei der Frage danach, wie das Stahlwerk gesichert werden kann, seien weniger die Stadträte als der Stahlwerks-Eigentümer gefragt, so die Lokalpolitiker. Das Werk müsse aber unbedingt erhalten bleiben, so Ulrich Keil (Linke). Laut CDU-Mann Marco Wegner hieß es, dass Sachsens Ex-CDU-Ministerpräsident Biedenkopf eng mit dem Unternehmen verbunden sei. Der Gröditzer Ehrenbürger und andere wachten darüber, dass der Stahlstandort Gröditz erhalten bleibe, so Wegner. Für André Lux von der BGV sind die Zeiten der Firmenansiedlung nach der Wende vorbei, heute würden Unternehmen eher verlagert oder geschlossen. Um den Wirtschaftsstandort zu stärken, brachte Lux eine Senkung des Gewerbesteuersatzes ins Spiel – die der Stadtrat beschließen könnte. „Aber da fehlt der politische Wille.“

Wie soll ohne eigenes Polizeirevier im Ort für Sicherheit gesorgt werden?

Einbrüche, Schlägereien oder Vandalismus in Gröditz bringen die Schüler zur Frage, wie Gröditz sicherer gemacht werden kann und ob mehr Polizeipräsenz im Ort möglich ist. Mit einem eigenen Polizeirevier für die Stadt werde es schwierig, so Marco Wegner (CDU). „Wir wollen aber, dass es mehr Streifenfahrten an Brennpunkten gibt.“ AfD-Ratskandidat Dirk Wartenberg hat nach eigenem Bekunden mit dem Riesaer Polizeirevier gesprochen und bereits zugesagt bekommen, dass Gröditz stärker bestreift wird. Er sprach sich außerdem für längere Öffnungszeiten des Polizeipostens im Rathaus aus. Für André Lux sind sinnvolle Freizeitangebote wichtiger als das, damit etwa die Jugend möglichst wenig Zeit hat, „irgendwelchen Käse auszuhecken“.

Was wird aus Gebäuden wie dem Hotel Garni oder der alten Kaufhalle?

Auch fürs Stadtbild interessieren sich die Schüler – zumal weil sie mit dem alten Konsum eine Ruine direkt neben der Oberschule haben. Was das einstige Hotel Garni angeht, kann sich AfD-Mann Dirk Wartenberg einen Umbau zum altersgerechten Wohnen vorstellen. „Uns ärgert, dass die Objekte verlottern“, sagt auch SPD-ler Peter Packroff. Am Zustand der Gebäude könne die Stadt wenig tun, da sie nicht Eigentümerin sei.

Wie stehen die Politiker zur Wiedereröffnung der Schwimmhalle?

Hier taten sich alte Frontlinien der Stadtpolitik auf: BGV-Chef André Lux nannte eine einen solchen Schritt ohne tragfähiges Konzept „finanzpolitischen Wahnsinn“. Die Linken indes wollen laut Ulrich Keil weiter daran arbeiten, die 2013 geschlossene Schwimmhalle wieder zu eröffnen. Mit einem jährlichen 150 000-Euro-Zuschuss sei der Betrieb möglich, behauptete Keil. Dirk Wartenberg sagte, der AfD liege viel an der Gesundheit der Bürger, daher werde man sich, wenn das Konzept stimmt, für eine Wiedereröffnung einsetzen.