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Wieder Fußball ohne Angst

Omar-Nasseh gehörte zum irakischen Nationalkader. Jetzt sind seine Dribblings in Radeberg gefürchtet.

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© Bernd Goldammer

Von Bernd Goldammer

Die Radeberger Stadtmeisterschaften 2016 endeten mit zwei Sensationen: Auf dem Kunstrasen im Stadion an der Schillerstraße lief erstmals eine internationale Mannschaft auf. Genau dieses Team sollte am Turnierende auch auf dem Siegertreppchen stehen. Diese Spieler kommen aus den gefährlichsten Krisengebieten dieser Welt. Libyer, Syrier, Iraker und ein Mazedonier – fast allesamt Muslime – kämpften um den Pokal des Radeberger Oberbürgermeisters und den Stadtmeistertitel. Und das mitten im Ramadan. Das bedeutet: Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dürfen sie weder essen noch trinken. „Doch auf dieses Turnier wollten wir nicht verzichten“, erzählt Omar-Nasseh.

Die Siegermannschaft der Radeberger Stadtmeisterschaften 2016 kam aus Rossendorf. Vier Nationen spielten in einer Mannschaft: Syrer, Libyer, Iraker und ein Mazedonier.
Die Siegermannschaft der Radeberger Stadtmeisterschaften 2016 kam aus Rossendorf. Vier Nationen spielten in einer Mannschaft: Syrer, Libyer, Iraker und ein Mazedonier. © privat

Verständigung auf Englisch

Die Kriegsflüchtlinge haben beim Einheit Radeberg wunderbare Fußballfreunde gefunden. Dem Turnier ging wochenlanges Training voraus. Olaf Schurig nahm sie als Trainer unter seine Fittiche. Die Sprachbarriere überbrückte der Maschinenbau-Ingenieur mit seinem vorzüglichen Englisch. „Die Jungs waren von Anfang an hochmotiviert. Damit hatte ich leichtes Spiel.“ Ein Spieler fiel ihm durch enorme Ballfertigkeit auf. Es stellte sich heraus, dass Omar- Nasseh irakischer Fußball-Nationalspieler war. Er lief für Sekak Bagdad auf. Von einem Tag auf den anderen war diese Zeit vorbei: Bei Fußballspielen gingen Bomben hoch. Selbstmordattentäter mischten sich unter die Zuschauer. Gerade in der Zeit, als Omar Nasseh Vater wurde, zerbrach sein Lebenstraum.

Aus Angst um sein Leben floh er zusammen mit Jusef, seinem dreijährigen Sohn. Sein Weg führte über viele Stationen nach Rossendorf. Für ihn und viele seiner Landsleute ist es nicht leicht, den Verlust ihrer Existenzgrundlagen zu verkraften. Daheim waren sie geachtete Leute. Sie übten bürgerliche Berufe aus und konnten über Besitz verfügen. Das liegt jetzt hinter ihnen. Geblieben sind grauenvolle Erinnerungen an Krieg und Flucht.

Neu Radeberger

In der Oberlausitz und im Radeberger Land erlebten sie aber auch Lichtblicke. Menschen kamen auf sie zu, um sie Willkommen zu heißen. Bis heute sind sie für sie da. Sportler vom SV Einheit Radeberg luden sie zu sich ein. „Wir haben uns im Flüchtlingsheim vorgestellt, um die Rossendorfer für unseren Verein zu werben“, erzählt Vereinspräsident Heinz Geißler. Für Omar- Nasseh war das ein traumhaftes Angebot. Endlich wieder Fußball spielen dürfen. Ohne Angst. Die Sportler von Einheit Radeberg nahmen die komplizierte Organisation des Trainings in ihre Hände. Sie kümmerten sich um regelmäßige Fahrgelegenheiten, einheitliche Trikots und Sportschuhe. Und die Rossendorfer Flüchtlinge erlebten all die Glücksmomente die dieser Sport so in sich birgt. Sie trainierten oft und hart. Doch keiner ließ sich die Stunden auf dem Radeberger Sportplatz entgehen. Mit der Zeit formte Trainer Olaf Schurig aus den dreizehn Flüchtlingen eine schlagkräftige Fußballmannschaft. Einheit Radeberg meldete diese Truppe zu den Stadtmeisterschaften bei Organisator Günter Zeiger an. „Neu Radeberger“ nannten sie sich. Obwohl den Muslimen der Fastenmonat Ramadan tief in den Knochen saß, gaben sie ihr Bestes. Ihnen gelang das Unglaubliche. Sie wurden Radeberger Stadtmeister und bekamen den Pokal des Oberbürgermeisters überreicht. „Wir haben uns riesig gefreut“, so Heinz Geißler. Diese Integrations-Idee hat übrigens Zukunft. Inzwischen trainieren drei Kinder aus der Flüchtlingsunterkunft wöchentlich an zwei Tagen in Radeberg. Einheit Geschäftsführer Heinz Geißler wünscht sich auch, dass demnächst drei Spieler aus der Siegermannschaft die Mannschaften von Einheit Radeberg verstärken.