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Eine Bahnlänge voraus

365 Euro kostet eine Jahreskarte im Wiener Nahverkehr. Dresdner zahlen knapp 200 Euro mehr. Laut DVB lässt sich das Wiener Modell aber nicht ohne Weiteres übertragen.

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© André Wirsig

Von Tobias Wolf

Einen Euro pro Tag: So lautet das Credo der Verkehrsgesellschaft Wiener Linien bei der Preisgestaltung ihrer Jahreskarten für den Nahverkehr. Mit 365 Euro sind die „Öffis“, wie der Österreicher sagt, so günstig, dass mehr Autofahrer auf U-Bahn, Bus oder Straßenbahn umsteigen. Mit 700 000 verkauften Jahreskarten verzeichnen die Wiener Linien einen neuen Allzeitrekord und zugleich erstmals mehr Besitzer von Tickets als Autos in der Stadt zugelassen sind – rund 683 000 Fahrzeuge (Dresden: rund 247 000). Noch 2007 gab es in Wien mehr als doppelt so viele Autos als Jahreskarten.

Laut den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB) lasse sich das Modell nicht ohne Weiteres übertragen, sagt Sprecher Falk Lösch. Hier kostet die Jahreskarte gut 200 Euro mehr. Knapp 140 000 Fahrgäste nutzen sie oder ein anderes Langzeitticket. In Wien leben mit 1,8 Millionen Menschen mehr als dreimal so viele wie in Dresden. Dort herrschen andere politische Verhältnisse als im eher konservativen und autofreundlichen Dresden. Die rot-grüne Wiener Stadtregierung hatte 2012 den Ticketpreis gesenkt und bekennt sich zur Förderung des Nahverkehrs, baut weniger Parkplätze und verteuert die bestehenden. Das funktioniert nur mit Subventionen, sorgt aber dafür, dass viele Menschen umsteigen.

Das Ergebnis: Auch die Fahrgastzahlen erreichten mit 939 Millionen im Jahr 2015 einen neuen Rekord (Dresden 153 Millionen). Inzwischen legen 39 Prozent der Wiener ihre Wege mit den „Öffis“ zurück. In Dresden sind es nach der letzten Erhebung von 2013 rund 21 Prozent. Der Anteil des Wiener Autoverkehrs liegt bei 27 Prozent, in Dresden sind das 38 Prozent.

Allerdings investieren die Wiener auch deutlich mehr in ihr Nahverkehrsnetz. 2016 sind das 515 Millionen Euro. Die Hälfte davon wird nur über den Verkauf von Jahreskarten finanziert. Das Betriebsbudget der DVB liegt dagegen bei rund 160 Millionen Euro, 40 davon kommen als Zuschuss von den Technischen Werken Dresden, zu denen unter anderem die Drewag gehört. Dass Dresden beim Nahverkehr eine ähnliche Richtung wie Wien einschlagen könnte, darf angesichts der politischen Verhältnisse zumindest bis auf Weiteres als unwahrscheinlich gelten. (mit dpa)