Wilsdruffs Riesenantenne kurz vor dem Fall

Die Tage der Wilsdruffer Riesenantenne sind offenbar gezählt. Der Besitzer des 153 Meter hohen Stahlrohrs, die Firma Media Broadcast, bereitet den Abriss vor. Das bestätigte das Unternehmen auf Anfrage von Sächsische.de. "Es wurden alle erforderlichen Unterlagen bei den zuständigen Behörden eingereicht und geprüft", erklärt ein Sprecher von Media Broadcast. "Ein genauer Termin für die Sprengung des Antennenmastes steht derzeit noch nicht fest", ergänzt er.
Der Förderverein Funkturm hatte indes aus sicherer Quelle erfahren, dass es am 8. Juni so weit sein soll. Das bestätigte indirekt die Autobahn GmbH, die wegen der Nähe der A4 am Abrissverfahren beteiligt ist.

Die Informationen verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Auch in der Stadtverwaltung kam sie an. "Als wir von den Gerüchten erfahren haben, sind wir auf den Grundstückseigentümer zugegangen, der den Termin nicht bestätigt hat", sagt Bürgermeister Ralf Rother (CDU). Auch Dietmar Kühne, der den Turm in Sichtweite hat und in der Nähe wohnt, hat davon erfahren. Bei jedem lauten Knall geht sein Blick in Richtung Bleistift, wie die Antenne von vielen Wilsdruffern liebevoll bezeichnet wird. Bis jetzt sei nach den lauten Geräuschen nichts geschehen. Der Turm steht noch.
Privatisierung war ein Fehler
Geht es nach Dietmar Kühne, dann sollte der Turm stehenbleiben. Es sei ein Fehler gewesen, diese Anlage nach dem Stilllegen der Antenne zu privatisieren. "Der Bleistift ist zu einem Wahrzeichen geworden." Und auch der Saal, der zum damaligen Funkamt gehört, haben viele in guter Erinnerung. Dort hatten sehr schöne Veranstaltungen stattgefunden, sagt der Rentner, der auf dem Birkenhainer Weg wohnt. Er erinnert sich an Tanzveranstaltungen und Treffen der Wohnungsgenossenschaft.
Der 78-Jährige kann sich aber auch noch schemenhaft daran erinnern, als die Anlage 1952/1953 gebaut wurde. "Es gab Revolten. Es war Thema in Wilsdruff, Birkenhain und Limbach", sagt er. Die Kritiker hatten geglaubt, hier entstehe ein Störsender gegen die westdeutschen Radiosender, sagt der Wilsdruffer.
Einige der Demonstranten sollen sogar ins Gefängnis gekommen sein. Dabei sei hier nie ein Störsender geplant gewesen, sagt Dietmar Kühne. Und so war es auch, wie Mitarbeiter und Kenner der Anlage ihm versicherten. Auch Recherchen von Sächsische.de hatten das vor einigen Jahren ergeben.
Der Wilsdruffer Sender war ein sehr leistungsstarker Mittelwellensender, der 1954 in Betrieb ging, bis 2013 genutzt wurde und es danach zum technischen Denkmal geschafft hat. Die Media Broadcast als Besitzer der Antenne wollte die Anlage loswerden und führte dafür die immens hohen Wartungs- und Instandhaltungskosten an. Letztlich gelang es dem Unternehmen, den Abriss genehmigt zu bekommen.

In Wilsdruff wurde die Höhe der Unterhaltungskosten angezweifelt. Die Limbacherin Sabine Neumann ging noch weiter und sammelte zusammen mit Mitstreitern Unterschriften für den Erhalt. Die Resonanz war riesig. Später gründete sie den Förderverein Funkturm Wilsdruff, der weitere Aktionen organisierte. Die Media Broadcast konnte sie offenbar nicht umstimmen. Das Unternehmen will abreißen.
Avisierte Sprengung am 8. Juni findet nicht statt
Die zunächst avisierte Sprengung am 8. Juni wird indes nicht stattfinden. Dennoch laufen die Vorbereitungen weiter. Das bestätigen der Sprecher von Media Broadcast und Dietmar Kühn, der in den letzten Tagen immer wieder mal vor Ort war, um einen Blick auf das Wahrzeichen zu werfen und um es zu fotografieren.
Leicht sei das nicht, sagt er. Denn der Turm steht hinter einem Zaun, der das Gelände weiträumig absperrt. Unmittelbar um den Turm stehen Bäume. Nur an einigen Stellen geben sie den Blick auf den Sockel frei. Montagmittag sah es so aus, als ob dort gewerkelt wird. Aus der Ferne waren die Geräusche einer Flexmaschine zu hören.
Was genau gemacht wird und wie lange der Abriss dauern wird, wollte der Sprecher von Media Broadcast nicht verraten. So viel sickerte aber durch. Wenn der Turm umgelegt wird, muss die A4, die unmittelbar daneben verläuft, voll gesperrt werden.
Auch die Polizei muss grünes Licht geben
Wann das geschehen wird, steht nicht fest. "Aktuell laufen die Anhörungen und Abstimmungen zu einem alternativen Termin, der noch nicht feststeht", sagt der Sprecher der Autobahn GmbH, Tino Möhrig. Neben seinem Unternehmen sind unter anderem auch noch das Landratsamt Pirna, die Polizei, die Autobahnmeisterei anzuhören.
"Erst wenn es von allen Seiten grünes Licht gibt, können derartige Maßnahmen durchgeführt werden", erklärt er. Dietmar Kühne findet das mehr als vernünftig, selbst wenn es den Spezialisten gelingt, den Turm so umzulegen, dass dieser nicht auf die Autobahn fallen wird. Schließlich könnte es Autofahrer geben, die auf der A4 unterwegs sind und sich erschrecken, wenn auf einmal der Turm fällt.