Herr Peters, Ihr Unternehmen ist seit zehn Jahren in Wilsdruff aktiv. Wie hat sich der Standort entwickelt?
Sehr gut. Wir haben damals relativ groß gebaut in Erwartung dieses großen Nutzfahrzeugmarktes, der wegen der Abgasnormen sehr komplexe Produkte erwarten ließ. 2008/2009 waren einige Aufträge in Sicht. Wir haben uns lange verschiedene Standorte angeschaut und dann bewusst für Wilsdruff entschieden.
Warum Wilsdruff? Warum nicht Berlin, Leipzig oder andere Ballungszentren?
Wir wurden umworben und haben uns zwölf Standorte genauer angesehen. Uns hat interessiert, wie hoch die Arbeitslosigkeit ist, wo es Hochschulen gibt, wo die Ausbildung gut ist. Wir haben untersuchen lassen, wo es Grundstücke gibt, wie die Infrastruktur aussieht, damit die Leute auch zur Arbeit kommen können. Am Ende ist Wilsdruff übriggeblieben, weil alle Standortfaktoren ideal waren. Das, was man uns hier versprochen hat, wurde gehalten. Das war sehr angenehm.
Wie sahen die Planungen aus?
Wir sind von fast 300 Beschäftigten ausgegangen. Das war die Planung, mit der wir uns bei der Wirtschaftsförderung beworben haben. Es hat sich dynamischer entwickelt. Jetzt haben wir rund 500 Beschäftigte. In Europa sind wir führend im Bau von komplexen Abgassystemen für Nutzfahrzeuge.
Viel Lob gab es für die Architektur der Werkshalle. Sie sieht aus wie ein Ufo, das hier gelandet ist. Wie sehen Sie das?
Die Meinungen gingen damals auseinander. Im Vorstand - ich war für den kaufmännischen Bereich zuständig - haben wir damals viel diskutiert. Ich war der Meinung, dass das Runde viel teurer ist. Die Kollegen haben mich damals überzeugt und mir erklärt, dass diese Form für die vier Teilfabriken und für die Logistik ideal ist. Wir haben uns auf die Bauform eingestellt und nutzen jeden Zentimeter in der Produktion. Die Kollegen wissen genau, wie sie mit diesem Layout umgehen müssen.
Müssen Sie in Wilsdruff anbauen?
Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Marktbedingungen wesentlich ändern. Es gibt keine Dynamik. Die Aufträge laufen über sieben bis zehn Jahre. Wir gehen nicht davon aus, dass sich da viel ändern wird. Wir haben weitere Produktionsstandorte, auch in Europa. Aber Wilsdruff ist der wichtigste Standort für Nutzfahrzeug-Abgasanlagen. Hier haben wir das größte Know-how. Die Kompetenz und die Effizienz sind hier hervorragend.
Sie bauen Anlagen für Lkw-Hersteller. Wie läuft deren Produktion?
Auch im Nutzfahrzeugbau gibt es Schwankungen und schlechte Jahre. 2018, 2019 waren solche. Seither sind wir auf einem sehr hohen Niveau. Für die nahe Zukunft haben wir Planungssicherheit, weil wir Folgeaufträge haben und technologisch weit vorne sind. Wir denken nicht daran, die Produktion zu verlagern.
Wie lange werden Sie in Wilsdruff produzieren?
Ein Auftrag hat eine Perspektive von sieben Jahren, da kann ich nicht 20 Jahre vorausschauen. Natürlich kommen auch bei den Nutzfahrzeugen neue Mobilitätsformen. Bei den kleineren Lkw, wir nennen sie Sprudellaster, wird es wahrscheinlich sehr bald eine Elektrifizierung geben. Die Brennstoffzelle wird ebenso ein Thema sein. Strukturell wird sich einiges ändern. Aber Wilsdruff ist langfristig gesichert. Wenn neue Mobilitätsformen kommen, müssen wir Ideen haben. Deshalb forschen und entwickeln wir, um darauf vorbereitet zu sein.
Wird es in naher Zukunft Elektro-Lkw geben?
Unsere Kunden arbeiten daran. Man kann solche Lastwagen bereits kaufen. Im Moment ist es noch eine Nische. Aber durch die Gesetzgebung kann daraus ein größeres Geschäft werden. Ich rechne damit, dass diese Lkws vielleicht in fünf Jahren auf der Straße deutlich sichtbar sein werden. Bei der Pkw-Mobilität haben wir aber auch gelernt, dass es viel langsamer geht. Das lag ebenfalls daran, dass die politischen Rahmenbedingungen nicht ganz klar waren. Es gab sehr viele Pläne, sehr viele Versprechungen. Ich glaube, am Ende hat man sich nicht genug um den ganzen Prozess gekümmert. Man hat sich vielleicht zu wenig Gedanken über die Infrastruktur gemacht, wo und wie produziere ich den Strom. Dann kam die relativ kurzfristige Entscheidung, die Förderung einzustellen. Die Elektromobilität, wie sie heute umgesetzt wird, ist wesentlich teurer als die Verbrennungsmobilität. Jeder muss sich überlegen, ob er sich das leisten kann.
In der Automobilbranche herrscht derzeit viel Unsicherheit. Es werden Neuerungen angekündigt und dann wieder zurückgenommen. Das ist volkswirtschaftlich natürlich nicht besonders sinnig. Wir wünschen uns von der Politik klare Vorgaben. Denn Planbarkeit ist entscheidend für unser gemeinsames Ziel, die saubere Mobilität voranzubringen. Wir haben in der Vergangenheit intensiv in Dinge investiert, die bisher nicht in den erwarteten Stückzahlen gekommen sind - wie Heizlösungen für die E-Mobilität.
Was bedeutet Elektromobilität für Ihr Unternehmen?
Die Mobilität der Zukunft muss technologieoffen sein und dahingehend adaptieren wir unser Portfolio. Beispielsweise braucht eine Brennstoffzelle ein Abluftsystem. Das müssen wir entwickeln. Es gibt viele andere Bereiche, in denen wir noch aktiv sein können. Zum Beispiel werden Klappen, Schalter und Steuergeräte gebraucht, die wir heute schon in anderen Konzernbereichen herstellen. Auch die Art der Heizung ändert sich, das geht nicht mehr über den Motor, sondern über Strom mit Hochvoltheizungen. Hier sind wir mit unseren Systemen schon sehr weit.
Was bedeutet das perspektivisch für den Standort Wilsdruff?
Wenn wir sehen, dass sich die Bedarfe langsam zurückentwickeln, müssen wir nach Alternativen suchen. Noch haben wir keinen Entscheidungsbedarf. Um Wilsdruff ist mir nicht bange, weil wir eine Mannschaft haben, die sehr flexibel reagiert. Wir haben hier Leute, die in andere, anspruchsvollere Technologien gehen können.
Sie sind nach Wilsdruff gekommen, um das 10-jährige Bestehen des Standorts zu feiern. Machen Sie das an jedem Standort?
Nein, das kommt auf die Situation an. Hier haben wir nach zehn Jahren eine sehr hohe Stabilität und damit einen Grund zum Feiern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in den letzten fünf Jahren viel durchgemacht. Vor zweieinhalb Jahren hatten wir den Cyber-Angriff. Da haben alle über die Maßen mitgemacht, um die Folgen abzuwehren. Sie haben ihre persönlichen Bedürfnisse zurückgestellt.
Letzte Frage: Sollte sich ein Unternehmer politisch äußern?
Bei den Europawahlen habe ich dazu aufgerufen, wählen zu gehen. Wir können uns nicht beschweren, dass es nicht gut läuft. Inhaltlich und zu einzelnen Dingen äußere ich mich nicht. Man muss sich sehr offen mit unterschiedlichen Meinungen auseinandersetzen. Dafür ist Demokratie da. Ich glaube, dass unser politisches System das zulässt. Jeder muss sich daran beteiligen und darf sich nicht in die Opferrolle begeben.
Martin Peters (58) ist geschäftsführende Gesellschafter der Eberspächer Gruppe, zu der das Purem-Werk in Wilsdruff gehört. Der Diplom-Kaufmann ist seit 2000 im Unternehmen.