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„Wir befinden uns bereits im Krieg“

Symbole, Aufrufe, Bedrohungen: Die rechtspopulistische Bewegung Pegida radikalisiert sich weiter.

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© Reuters

Oliver Reinhard

Fast könnte man denken, die Basteleien stammten aus derselben Werkstatt. Als am Wochenende 150 000 Menschen in Berlin gegen das TTIP-Handelsabkommen demonstrierten, tauchte in ihren Reihen ein kunstblutverziertes Fallbeil auf mit den Worten „Pass blos auf Sigmar!“ Als am Montag in Dresden Pegida marschierte, sah man einen Holzgalgen mit den Schildern „Reserviert Siegmar ,das Pack‘ Gabriel“ und „Reserviert Angela ,Mutti‘ Merkel“.

Was die Symbole verbindet: Beide zeigen, in welchem Maß sich diverse Protestierer mit Wort und Bild vergreifen bis hin zu obszönen Hinrichtungsfantasien. Was sie unterscheidet: Das Fallbeil war wenig repräsentativ für die ansonsten friedliche und auch von verbaler Gewalt weitgehend freie Berliner TTIP-Demo. Anders der Pegida-Galgen. Er passt inzwischen fugenlos in eine Bewegung, die sich seit geraumer Zeit immer extremer präsentiert.

Schon der Aufruf zur jüngsten Montagsdemo durch Pegida-Mitgründer Lutz Bachmann las sich als einzige Gewaltandrohung. Merkels „Kumpanen kommen auch nicht ungeschoren davon“ schrieb er, jeder „Rote Volksverräter ... bekommt die Quittung für seinen Vaterlandsverrat“ beziehungsweise „seine gerechte Strafe“.

Das fügt sich, gerade in Verbindung mit den Pegida-Hashtags MerktEuchDieNamen und JudgementDay (Tag der Abrechnung), zum erstaunlich offenherzigen Zukunftsversprechen einer standgerichtlichen Blut- oder Lynchjustiz, wie es nach 1945 nur noch vereinzelt von der NPD zu hören gewesen war. Und wie es heute von radikalen Islamisten zu hören ist, etwa dem IS.

Überhaupt: Misst man Pegida außer an ihrer Programmatik auch an den Worten ihrer Redner, wird klar, dass die Bewegung von einer anfangs politisch teils heterogenen Gemeinschaft von Kritikern der Asylpolitik längst zur eindeutig rechtspopulistischen Gruppierung geworden ist.

Mit den entsprechenden Vorbildern: Immer wieder bejubelt man Marine Le Pen von Frankreichs rechtsextremer Front National, den rechtsextremen FPÖ-Chef HC Strache und Victor Orban. Ebenso Redner wie den rechtsradikalen Ignatz Bearth, die Asylbewerber unterschiedslos als kriminelle Schmarotzer diskriminieren und Merkel in den Gulag wünschen. Unlängst warnte Pegidas Ex-OB-Kandidatin Tatjana Festerling in einschlägig altmodischem Duktus vor einer „Umvolkung“ der Deutschen. Sie konstatierte „Wir befinden uns bereits im Krieg“ und appellierte an Uniformierte: „Schließt Euch uns an“, denn „erst wenn Polizei und Bundeswehr (die Waffen, d. Red.) niederlegen“, werde das im Grundgesetz garantierte Recht auf „Widerstand“ gegen die Regierung anwendbar.

Solche dezidiert systemablehnenden Sprüche und Forderungen treffen bei vielen Tausend Pegida-Anhängern auf begeisterte Zustimmung. Jeden Montag liefern sie so den akustischen Beweis: Einem Großteil geht es nicht mehr (und ging es wohl noch nie) nur ums Artikulieren berechtigter Sorgen über die Asylpolitik. Es geht vielmehr um Rebellion, um einen Umsturz Richtung Rechts. Wer Pegida unterstützt, was ja immer noch legitim ist, kann zumindest dies nicht mehr abstreiten. Verständlich also, wenn gerade die NPD mit einiger Sorge auf die künftige Konkurrenz der angekündigten Pegidapartei blickt.

Ebenso verständlich ist, dass die meisten jener Sachsen und Deutschen, die ebenfalls Probleme haben mit der aktuellen Asylpolitik, sich auch weiterhin von einer rechtspopulistischen Bewegung fernhalten, die in ihren Drohungen inzwischen schon genauso klingt wie jene totalitären Glaubenskrieger, gegen die sie doch ursprünglich angeblich angetreten war.