Merken

„Wir brauchen eine Risiko-Mentalität“

Peter Schlickenrieder will als neuer Bundestrainer einen Kulturwandel im Langlauf.

Teilen
Folgen
Ex-Langläufer Peter Schlickenrieder ist der neue Antreiber und fordert mündige Athleten.
Ex-Langläufer Peter Schlickenrieder ist der neue Antreiber und fordert mündige Athleten. © Sven Ellger

Peter Schlickenrieder, war Dresden für Ihr Team mit zwei Top-Ten-Platzierungen ein kleiner Aufschwung?

Ja, das würde ich schon sagen. Am Samstag haben sich die Frauen und Männer deutlich besser präsentiert als bei allen Weltcups bisher. Das ist ein Aufwärtstrend. Am Sonntag hat sich das zweite deutsche Team mit Laura Gimmler und Elisabeth Schicho gut verkauft. Unsere erste Mannschaft Victoria Carl und Sandra Ringwald kann vorne mitlaufen. Dass sie sich nicht qualifizierten, entspricht leider unserer Mentalität.

Wie meinen Sie das?

Wir sind gut darin, Dinge zu bewahren, irgendwann kommt aber eine Drucksituation und damit können unsere Athleten oft nicht umgehen. Es war bei den Frauen ein langsames Halbfinale. Es war also klar, man kommt nicht über die Zeit weiter. Wir waren auf Position drei, mussten auf zwei. Die Zeit zum Ziel wurde immer weniger. Es musste die Attacke passieren, aber sie kam zu spät. Und dann passiert so ein Sturz. Da sind wir an uns selbst gescheitert. Wir ergreifen noch nicht die Initiative, obwohl wir es eigentlich könnten, weil wir die Power haben. Aber da fehlt uns das Selbstbewusstsein. Wir brauchen eine Risiko-Mentalität.

Wie wollen Sie das umsetzen?

Wir hatten generell das System, der Trainer gibt vor, der Athlet setzt um und muss dann einfach erfolgreich sein. Die Zeit ist deutlich vorbei. Wir brauchen den mündigen Athleten, der die Selbstverantwortung übernimmt, der der Treiber der Entwicklung ist. Wir sind als Betreuer die besten Hilfesteller, die besten Ermöglicher, die besten Impulsgeber. Am Ende muss der Athlet entscheiden, wohin die Reise geht. Nur dann hat er das Selbstbewusstsein, für solchen Aktionen gewappnet zu sein, um früh genug die Attacke zu gehen. Es ist ein Kulturwandel, den wir vornehmen müssen – vor allem auch von Betreuerseite. Ich muss die Athleten ermutigen, dass sie das Zepter in die Hand nehmen,

Für so einen Wandel kommt die WM im Februar sicher viel zu früh. Was ist dennoch möglich?

Es geht um die persönliche Saison- oder Karrierebestleistung jedes einzelnen. Von der Platzierung her streben wir die Top Acht an. Da sind wir in den Teamwettbewerben wieder näher dran, sodass wir darauf aufbauen können und irgendwann dann auch um die Medaillen mitkämpfen.

Wie kam der Citysprint bei Ihnen an?

Es war eine tolle Stimmung. Was Dresden auf die Beine zaubert, ist vom Feinsten. Da kann man nur Chapeau sagen. Mit den Nachwuchsveranstaltungen in der nächsten Woche ist es ein nachhaltiges Konzept.

Hat der Regen der Strecke geschadet?

Nein. Als wir am Morgen vorbeigejoggt sind, hatten wir schon etwas Bammel. Aber das hatten die Veranstalter top im Griff. Es war eine Piste, die bis zum Schluss gehalten hat. Da wurde in Dresden ganz viel richtig gemacht. Jetzt müssen wir daran arbeiten, dass der Langlauf noch spannender wird, dass wir eine gute Show bieten.

Haben Sie Vorschläge für Ihren Sport, der um Aufmerksamkeit kämpft?

Die Fis, also der internationale Skiverband, muss an sich arbeiten. Wenn ich im Teamsprint zwei deutsche Mannschaften in ein Halbfinale stecke, versteht das kein Mensch. Warum teile ich diese Teams nicht auf? Das ist das Unsinnigste vom Unsinnigen. Weiterhin muss man an den Formaten arbeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass am Freitag ein Ausscheidungsrennen ist, bei dem von Runde zu Runde immer die letzten Vier wegfallen, dass einfach Spannung im Stadion passiert. Der Sport wird schneller, kräftiger, sprintgetriebener. Da sehe ich ganz viel Verantwortung bei der Fis.

Das Gespräch führte Michaela Widder.