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„Wir haben mehr muslimische Gefangene“

Oliver Schmidt ist jetzt Chef der JVA Zeithain. Die SZ sprach mit ihm über den Haftalltag neue Herausforderungen.

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© Lutz Weidler

Riesa. Noch ist viel Platz in den Bücherregalen des neuen JVA-Chefs in Zeithain. Farbenfrohe Gemälde, von Gefangenen gemalt, lenken den Blick ab von den Gittern an den Bürofenstern des Anstaltsleiters. Seit Anfang Januar ist Oliver Schmidt von Bautzen nach Zeithain abgeordnet worden, nachdem sich sein Vorgänger in die Elternzeit verabschiedete. In wenigen Tagen tritt er offiziell sein Amt als Chef an. Die SZ hat mit dem 49-Jährigen gesprochen.

Herr Schmidt, bei der JVA Zeithain haben die Leiter zuletzt mehrfach gewechselt. Sind Sie schon gut angekommen in der Anstalt?

Ja! Das ging schnell. Ich kannte die Anstalt und viele Bedienstete schon: 2004/05 war ich knapp zwei Jahre Stellvertreter hier.

Zuletzt waren Sie aber in der JVA Bautzen tätig. Wollten Sie nach Zeithain?

Ich habe mich in Bautzen wohlgefühlt. Aber als ich vom Ministerium angefragt wurde, ob ich nach Zeithain möchte, habe ich das angenommen. Auch deshalb, weil es hier den Schwerpunkt gibt, die Gefangenen nicht nur sicher zu verwahren, sondern auch zu behandeln.

Sie meinen die Drogentherapie ...

Ja, das Angebot in Zeithain ist bundesweit einzigartig. Üblicherweise bereitet der Vollzug die Gefangenen auf eine Suchttherapie nach der Entlassung vor. In Zeithain aber haben wir eine eigene. Wir wollen bei diesem Thema keine Zeit verlieren – und fangen schon hinter Gittern an. 20 Plätze halten wir dafür vor. Erst vor wenigen Tagen ist wieder eine Gruppe in den offenen Vollzug gewechselt. Die Gefangenen lernen Stück für Stück, wieder selbstständig ihr Leben zu führen. Dem Zweck dienen auch die anderen Therapien in der JVA: die Kunsttherapie, Theater- und Bandprojekte, Angebote zum Häkeln oder Steinmetzen.

Und so etwas hilft tatsächlich?

Die Gefangenen sollen neue Wege entdecken, Erfolgserlebnisse haben, Durchhaltevermögen und Selbstwertgefühl aufbauen. Das alles braucht man draußen – um weniger anfällig für die Kriminalität zu sein.

Über all den Angeboten schwebt aber drohend der Auflösungsbeschluss des Freistaates für die JVA Zeithain ...

Mein Wunsch ist es, mit den motivierten Bediensteten hier den Weg des behandlungsorientierten Vollzugs zu gehen – so lange wie möglich.

Vor wenigen Tagen gab es Schlagzeilen, dass Gefängnisse Probleme mit Gefangenen aus Nordafrika haben. Sie auch?

Tatsächlich ist die Zahl der Gefangenen aus den Maghreb-Staaten bei uns deutlich angestiegen. Waren es vor drei Jahren noch eine Handvoll, sind es heute 18. Zwölf davon stammen aus Tunesien. Das stellt uns vor neue Herausforderungen. Am wichtigsten ist es, die Männer in den Haftalltag zu integrieren und zu beschäftigen. Das bietet auch mehr Sicherheit.

Und wie klappt das?

Unsere Behandlungsangebote stehen allen offen – auch den Gefangenen aus dem Maghreb. Tatsächlich machen welche von ihnen in der Trommelgruppe mit, gärtnern oder sind im Malzirkel aktiv. Einer hat zum Beispiel das Boot gemalt, mit dem er über das Mittelmeer gesetzt ist. Das ist für ihn ein Weg, seine Erlebnisse zu verarbeiten.

Aber gibt es da nicht eine Sprachhürde?

Viele der Gefangenen sprechen etwas Deutsch, so dass man sich auf einfachem Niveau austauschen kann. Wenn es nötig ist, können wir einen Dolmetscher kommen lassen. Das klappt auch recht zügig.

Aus dem Justizministerium Baden-Württemberg heißt es, Gefangene aus dem Maghreb würden oft respektlos gegenüber Justizbeamten auftreten – besonders bei Frauen. Welche Erfahrungen haben Ihre Kolleginnen?

Da gibt es keine besonderen negativen Erlebnisse. Es kommt schon mal vor, dass ein Gefangener nicht mit einer Frau sprechen möchte, sondern mit einem Mann. Diesem Wunsch folgen wir in der Regel – mit dem Ziel, normale Verhältnisse herzustellen. Wichtig ist es, von Anfang an auf einen respektvollen Umgang mit den Gefangenen zu achten: Man begrüßt sich, schaut sich in die Augen beim Gespräch, hört einander zu. Das gilt natürlich für alle Gefangenen, bei den Gefangenen aus dem Maghreb vielleicht noch ein bisschen mehr.

Und wenn es trotzdem Ärger gibt?

Wenn es anders nicht geht, bleibt bei einem Gefangenen, der etwa zu sehr in Rage ist, der Haftraum zu – wenn die anderen Aufschluss haben und raus dürfen.

In Riesa gab es gerade eine Debatte, dass eine Organisation einen Gebetsraum für Muslime anmietet, die Kontakte zu den Muslimbrüdern hat. Ist das ein Thema auch bei Ihnen?

Nein. So eine Organisation würde bei uns nicht reinkommen. Tatsächlich ziehen sich die muslimischen Gefangenen lieber in ihre Hafträume zurück, um dort für sich zu beten. Da gibt es wenig Interesse, sich zum gemeinsamen Gebet zu treffen. Unsere Gefangenenseelsorgerin steht auch Muslimen zur Verfügung. Aber unsere Erfahrung ist, dass die Muslime lieber für sich bleiben möchten.

Wie kommen die Gefangenen aus den unterschiedlichen Kulturkreisen eigentlich miteinander klar?

Nun, beim Fußballspielen bilden sich meist Mannschaften nach Herkunftsländern. Wir achten aber darauf, dass es einen Austausch zwischen den Leuten gibt. Da könnten wir übrigens noch Helfer brauchen.

Wie meinen Sie das?

Wir suchen Ehrenamtliche, die sich in der JVA engagieren: etwa Freiwillige, die auf einfachem Niveau einen Sprachkurs anbieten wollen. Oder Sportler, die eine Laufgruppe im Innenbereich anleiten. Oder jemand, der einen Spielekreis betreut. All das hilft bei der Resozialisierung.

Das Gespräch führte Christoph Scharf.