Freital
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Wir sind seit über 120 Jahren mit Radeln da

Der Triumphzug des Autos lässt sich zwar nicht leugnen, dessen ungeachtet ist das Rad vielen bis heute unverändert unentbehrlich geblieben.

Von Heinz Fiedler
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Mitglieder radelnder Freitaler Gemeinschaften starten im Herbst 1924 von dem Restaurant Kippenhahn, Wilsdruffer Straße (später „Wilsdruffer Eck“) zu einem 50-km-Rennen.
Mitglieder radelnder Freitaler Gemeinschaften starten im Herbst 1924 von dem Restaurant Kippenhahn, Wilsdruffer Straße (später „Wilsdruffer Eck“) zu einem 50-km-Rennen. © Siegfried Huth

Fahrrad, wie hast du dich im Laufe der Zeit verändert? Hochräder stimmten vor reichlich 120 Jahren in unserer Gegend die Ära der Stahlrösser ein. Man brauchte schon akrobatisches Geschick, um den Sattel zu erklimmen. Zu den ersten Herren, die sich bei uns ein solches Modell zulegten, gehörte in unserer eher dörflichen Gegend der Potschappler Fotograf Friedrich August Winzer und der Deubener Gastwirt Augustin Wolf. Nach dem Hochrad kam gar bald das Dreirad in Mode, dem um 1890 das Tandem folgte. Schließlich tauchte das Quadratped, ein Fortbewegungsmittel für vier Personen, im Straßenbild auf.

Einer der ersten, die sich ein Hochrad zulegten: der Potschappler Fotograf Friedrich August Winzer.
Einer der ersten, die sich ein Hochrad zulegten: der Potschappler Fotograf Friedrich August Winzer. © Siegfried Huth

In unseren Tagen hat sich das Rad spezielle Pfade, zum Beispiel im Plauenschen Grund und von Hainsberg nach Tharandt, erstritten. Überdies legten sich die Stahlrösser einen neuen klangvollen Namen zu: Mountainbike. An die jüngste Entwicklung hat vor 202 Jahren noch keiner gedacht. Wieso 202? Laut Meyers neuem Lexikon erfand der badische Forstmeister 1817 Karl Freiherr von Drais besagten Fahrradvorläufer. Drais soll ein Träumer gewesen sein. Im Falle seiner Erfindung erwies er sich allerdings als realistisch und bodenständig. Bei Benutzung seines Zweirades stieß man sich mit den Füßen vom Erdboden ab.

Und noch ein wichtiger Fakt: „Ja, mir san mit’m Radl da“, eine Stahlrosshymne kam 1971 in einem österreichischen Bierzelt zur Welt. Angestimmt von den Wachauer Buam aus Krems an der Donau. Inzwischen hat der Song längst landesübergreifend Volkstümlichkeit erlangt.

Start mit „Falke“

Im Weißeritztal gewöhnt man sich relativ rasch ans Radeln. Ab 1895 bilden sich rund um den Windberg die ersten Radsportvereine. Die älteste Gemeinschaft entsteht 1897 in Deuben, nennt sich „Falke“ und zählt mit 80 Mitgliedern zu den stärksten Vereinen im Dresdner Raum. „Falke“ besitzt eine Erwachsenengruppe, wobei die wenigen Damen – der guten Sitte wegen – getrennt von den Herren trainieren. Die Kinder- und Jugendabteilung wird in Sachen Radakrobatik von der berühmtem Deubener Familie Schieritz betreut. Das im Grütznerviertel ansässige Schieritz-Team konnte sich wiederholt mit internationalen Sportlorbeer schmücken.

Fast jeden Sonntag startete man zu Radpartien, die den Freitalern in puncto Kondition einiges abverlangte. Die Touren führten unter anderem bis Kamenz oder ins Osterzgebirge. Eine 2-Tage-Partie hatte das thüringische Gera zum Ziel. Auf Radrennen legt der „Falke“ großen Wert. Die beliebtesten Strecken: vom Deubener Rathaus bis zur Hofmühle Plauen und vom Sachsenplatz (Deuben) über Possendorf bis Kreischa. Als „Falke“ 1927 30-jähriges Bestehen feiert, ist ganz Deuben auf den Beinen.

Weihe in Potschappel

Radsport wird nicht nur in Deuben gepflegt. Auch in Potschappel, Zauckerode und Döhlen wendet man sich mehr und mehr dem Stahlross zu. 1899 mobilisiert der Radfahrverein „Wanderlust“ Potschappel mit einer Bannerweihe die Öffentlichkeit. Umjubelt wird ein Umzug mit 30 sächsischen Vereinen, zwölf einheimischen Ehrenjungfrauen und zwei Feuerwehrkapellen. Der Aufmarsch führt zum Sportplatz am Steiger, wo der örtliche Männerchor Harmonia mit dem Choral „Gott grüßt dich“ die Weihe einstimmt. Die Ansprache hält Oberlehrer Mentzschel. Der wackere Pädagoge hat ohne Mikrofon freilich keinen leichten Stand. Das Fahnentuch, um das sich faktisch alles dreht, weist eine monumentale Gestaltung auf. Auf grünen Grund zeichnet sich in Gold gestickt der Vereinsname ab. Darunter als Sinnspruch, ebenfalls gestickt: „Treu all Zeit dem Sport geweiht“. Über dem ganzen thront ein grimmig dreinschauender Adler. Mit einem geselligen Abend in der Gastwirtschaft „Frohe Schicht“, Coschützer Straße endet der ereignisreiche Tag mit einem heiteren Theaterstück und Ball. Ganz Potschappel fühlt sich glücklich.

Die Gegenwart wird vor allem von dem auf Leistung bedachten Radsportverein Freital bestimmt, der in der Turnhalle Turnerstraße sein Zentrum hat.