Mitten in der Corona-Pandemie eine Firma zu übernehmen, erscheint wie ein großes Risiko. Mario Dürfeld, 39, und Hannes Georgi, 43, sind es eingegangen. 2021 übernahmen sie die Geschäftsführung in der Firma ihrer Väter.
In Sachsen stehen in den nächsten Jahren tausende Unternehmensnachfolgen an, viele Gründer wollen in den wohlverdienten Ruhestand. Doch immer weniger Kinder haben Lust die Unternehmen ihrer Eltern zu übernehmen. Wegen der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg seien zusätzlich viele Übernahmen aufgeschoben worden, heißt es aus dem sächsischen Wirtschaftsministerium.
Bei den Sensorspezialisten in Ottendorf-Okrilla hat die Nachfolge gleich zweimal geklappt. 1998 gründeten die beiden studierten Elektrotechniker Wolfgang Dürfeld und Dietmar Arndt die ADZ Sensortechnik GmbH. Jetzt konnten beide Gründer gleichzeitig ihren Job an ihren Sohn übergeben.
ADZ Nagano entwickelt, produziert und vertreibt weltweit Sensoren und Transmitter für Industriebereiche wie Druckluft- und Wassertechnik, Mobilhydraulik und Motormanagement. So sind die Sensoren unter anderem in den Produkten von Airbus und Knorr-Bremse verbaut. Die Auftragsbücher der Ostsachsen sind gut gefüllt. Die 116 Mitarbeiter erwirtschaften über 20 Millionen Euro Umsatz im Jahr.
Unternehmensnachfolge "zentrale Herausforderung" für Sachsen
Mit dem Generationenwechsel hat in Ottendorf-Okrilla geklappt, was Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) als "zentrale Herausforderung" für die sächsische Wirtschaft beschreibt.
Zahlreiche Unternehmer, die in der Wendezeit gegründet hätten, erreichten demnächst das Ruhestandsalter. Bei über 10.000 Unternehmen mit etwa 200.000 Beschäftigten stünden in den nächsten zehn Jahren eine Nachfolge an.
Ein Drittel der befragten Unternehmer beabsichtige, ihren Betrieb innerhalb der Familie zu übergeben. Das zeigt eine Erhebung der deutschen Industrie- und Handelskammer (DHIK). Dieser Wunsch sei jedoch oft nicht erfüllbar. Es fänden sich weniger nachfolgebereite Kinder als noch vor einigen Jahren.
In Ottendorf-Okrilla waren die Söhne schon früh im Unternehmen eingebunden. Beide verrichteten in ihrer Schulzeit Ferienarbeit im Betrieb. Hannes Georgi stieg 2004 nach seinem Studium der Elektrotechnik in Dresden als Ingenieur ein. 2008 wurde er Leiter der Entwicklung. Mario Dürfeld war sich zunächst unschlüssig. "Ich stand vor der Entscheidung, ob ich Wirtschaftsprüfer werden sollte." Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Halle.
Nach seinem Abschluss 2011 arbeitete er zunächst für drei Jahre bei einer Steuerkanzlei – die Kanzlei, die auch für das Unternehmen seines Vaters zuständig war. Er sammelte Erfahrungen und stieg 2014 in der Buchhaltung von ADZ Nagano ein.
Die Pandemie wurde zur ersten Bewährungsprobe der frisch gebackenen Geschäftsführer. "Alle waren extrem verunsichert", sagt Mario Dürfeld. "Wir mussten lernen, in so einer Situation Ruhe auszustrahlen." Zum Glück hatten sie ihre Väter. "Die beiden haben uns eng begleitet und viele intensive Gespräche mit uns geführt."
Vater Wolfgang Dürfeld ist heute sehr stolz, wie sein Sohn und der Sohn seines Mitgründers ihre erste Krise meisterten. "Die Geschäftszahlen entwickeln sich gut, die beiden machen ihre Sache toll", sagt der 68-Jährige.
"Für gute Jobs muss man nicht nach Dresden ziehen"
Doch nicht nur die Gründer gehen in Rente, auch im Personal müssen die Ostsachsen viele altersbedingte Abgänge kompensieren. Eine Herausforderung für die beiden neuen Geschäftsführer. Fachkräfte sind Mangelware, das sei in der gesamten Branche zu spüren. Außerdem gibt es im direkten Umfeld viel Konkurrenz, auch Bosch und Infineon in Dresden werben um qualifiziertes Personal.
Die Ottendorfer suchen daher auch östlich von Dresden, in den ländlichen Regionen nach neuen Kräften. Sie stellen sich in den Schulen der Region vor, für Ferienarbeiter und Praktikanten habe man immer eine offene Tür. "Für gute Jobs muss man nicht nach Dresden ziehen", sagt Mario Dürfeld.
Das Duo wirbt bei Politikern auch für eine bessere Verbindung mit Bus und Bahn von Dresden nach Ottendorf-Okrilla, damit die Heimat für Arbeitnehmer attraktiver wird. Und für mehr Radwege. Das ist für den begeisterten Fahrradfahrer Hannes Georgi auch ein persönliches Anliegen. "Meine Frau macht sich Sorgen, wenn ich mich aufs Rad schwinge, um über die Landstraße von Dresden auf Arbeit zu fahren."
Bleibt's weiter in der Familie?
Und haben sich die Sensorspezialisten schon Gedanken gemacht, wer ihnen mal nachfolgen soll? "Das war bisher noch kein Thema", sagt der 39-jährige Dürfeld. "Das ist wie mit dem eigenen Testament. Man schiebt das Thema gerne weg und sagt sich: 'Das hat noch Zeit.'"
Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) kennt das Problem: "Ans Aufhören wollen viele Unternehmer nicht denken – ein Fehler." Es sei wichtig sich frühzeitig mit der Unternehmensnachfolge auseinanderzusetzen.
Können Mario Dürfeld und Hannes Georgi die Firma ihrer Väter irgendwann an ihre Kinder übergeben? "Noch sind unsere Kinder ein bisschen jung für solche Gespräche", sagt Mario Dürfeld. Hannes Georgi ergänzt lachend: "Meine Tochter hat gesagt, sie will auf keinen Fall einen Job machen, bei dem sie den ganzen Tag im Büro sitzt." Es scheint, als sei die Teenagerin wie so viele Kinder bisher nicht an der Unternehmensnachfolge interessiert.