Dresden. Es stimmt zwar nicht mehr, dass im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. Doch in vielen Betrieben steigt noch immer zu dieser Jahreszeit der Bedarf an Mitarbeitern. Auch dieses Jahr ist im März die Arbeitslosigkeit gesunken – trotz Corona etwa in gleichem Umfang wie vor einem Jahr.
Von „Frühjahrsbelebung“ sprach am Mittwoch Klaus-Peter Hansen, Chef der sächsischen Agenturen für Arbeit, in Chemnitz. 137.325 Menschen sind jetzt in Sachsen arbeitslos gemeldet. Das sind gut 3.000 weniger als noch im Februar.
Doch verglichen mit dem März vorigen Jahres ist die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen um fast 21.000 gestiegen. Hansen sagte, wegen Corona sei das Risiko für Arbeitslose gestiegen, arbeitslos zu bleiben.
Aussicht: Handel streicht, Industrie und Logistik bauen auf
Üblicherweise sinkt die Zahl der Arbeitslosen im Frühjahr weiter, vor allem bei Männern in Außenberufen. Agentur-Chef Hansen zeigte sich zum Thema Corona „optimistisch, dass wir im Sommer die Brandbekämpfung hinter uns haben und anfangen können mit Aufräumen“.
Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung berichtete, sein Beschäftigungsbarometer sei im März kräftig gestiegen. Die starke Industriekonjunktur vor allem in der Elektrobranche motiviere die Unternehmen zu Neueinstellungen. Logistik und Informationstechnologie gehören zu den wachsenden Dienstleistungsbranchen, während im Einzelhandel ein Stellenabbau erwartet wird.

Stellenangebot: Wie im Krisenjahr 2009
In Berufen mit direktem Kontakt zu Menschen ist die Arbeitslosigkeit stärker gestiegen, weil es dort mehr Schließungen gab – außer im Gesundheitswesen. Laut Hansen kommen dagegen Branchen, „die mit Material zu tun haben, aus dem Tal heraus“.
Inzwischen bieten die Jobcenter und Arbeitsagenturen auch wieder Weiterbildungen und Beschäftigungsmaßnahmen. Die Zahl der Stellenangebote im März war kaum niedriger als vor einem Jahr. Doch im ersten Quartal insgesamt zeigten sächsische Arbeitgeber 20.700 freie Stellen an – so wenige wie zuletzt im Krisenjahr 2009.
Jahresbilanz: Sachsen fällt um drei Jahre zurück
Seit einem Jahr wirkt Corona auf den Arbeitsmarkt. Damit sind laut Hansen „die Erfolge der letzten drei Jahre aufgebraucht“ worden. Die Arbeitslosenquote in Sachsen ist auf 6,5 Prozent gestiegen.
Bei der Zahl der Arbeitslosen sind nicht jene rund 34.000 Menschen mitgerechnet, die beispielsweise wegen Weiterbildungen offiziell nicht als arbeitslos zählen. Die Statistik zeigt sie aber an – und sie zeigt auch eine steigende Langzeitarbeitslosigkeit. In Sachsen sind jetzt 52.600 Menschen langzeitarbeitslos, also länger als zwölf Monate ohne Stelle. Das sind über 16.000 mehr als vor einem Jahr. Prozentual stark gestiegen ist die Arbeitslosigkeit auch bei Jugendlichen, bei schwerbehinderten Menschen und bei Ausländern.
Der Corona-Effekt: Schließungen treffen Großstädte
Die gestiegene Arbeitslosigkeit ist weniger durch Entlassungen verursacht worden als durch fehlende Einstellungen in Arbeit. Das haben die Wissenschaftler des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung ermittelt. Sie errechneten in einer Studie für Sachsen den „Corona-Effekt“ für jede Region. Dazu betrachteten sie Zugänge und Abgänge nur auf dem „Ersten Arbeitsmarkt“, also ohne staatlich gestützte Stellen.
In Leipzig ist der Corona-Effekt am höchsten: 6,5. Das bedeutet, dass voriges Jahr 6,5 von 1.000 Erwerbspersonen mehr arbeitslos waren als im Jahr zuvor. Am niedrigsten war der Effekt mit genau 1,0 in Nordsachsen. In dicht besiedelten Gebieten gab es stärkere Auswirkungen der Schließungen als in Regionen, die „eher kleinbetrieblich“ geprägt sind.
Kurzarbeit: Halb so groß wie im ersten Lockdown
Stellenabbau gab es nicht nur in Gastgewerbe und Handel, sondern auch in der Industrie. Laut Hansen wäre er ohne Kurzarbeit aber viel stärker ausgefallen. Nach jüngsten Zahlen für Dezember sind etwa 128.000 Sachsen in Kurzarbeit, in fast 20.000 Betrieben.
Zum Höhepunkt im April vorigen Jahres waren es mehr als doppelt so viele. Bundesweit wurde im Januar 2021 für 2,85 Millionen Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld gezahlt.
Ausbildung: Schulabgänger und Betriebe verfehlen sich
Die Handels- und Handwerkskammern befürchten, dass dieses Jahr zu wenige Jugendliche und Ausbilder zusammenkommen – es fehlen Praktika und Berufsorientierung. Laut Arbeitsagentur helfen die Berufsberater aber am Telefon und per Videochat.
Die Arbeitsagenturen wissen von 14.475 Interessenten an Berufsausbildung, das ist ein Rückgang um fast zehn Prozent. Die Zahl der angebotenen Lehrstellen sei um 3,3 Prozent auf 15.561 gesunken. Dieser Markt sei „noch in Bewegung“.