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Auf dem Weg zur Industrie 4.0

Die Digitalisierung verändert die Wirtschaft nachhaltig. Dabei ist der Übergang zur smarten Fabrik nicht immer leicht. Beispiele aus Sachsen machen Mut.

Von Annett Kschieschan
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Mensch, Maschine und KI – wie das zusammenpasst, wird auch in vielen sächsischen Betrieben bereits live getestet.
Mensch, Maschine und KI – wie das zusammenpasst, wird auch in vielen sächsischen Betrieben bereits live getestet. © AdobeStock

"Industrie 4.0 ist die Bezeichnung für ein Zukunftsprojekt zur umfassenden Digitalisierung der industriellen Produktion, um sie für die Zukunft besser zu rüsten.“ So sagt es Wikipedia. Tatsächlich sind die Prozesse, die sich hinter dem Schlagwort verbergen, sehr viel komplexer. Das entscheidende Stichwort bleibt in jedem Fall die Digitalisierung. Wie sie ganz konkret in Produktionshallen, Projektierungsbüros und Werkstätten einziehen kann, wird in Sachsen auf vielfältige Weise getestet. Mehr als das: In vielen Firmen im Freistaat wird bereits ganz selbstverständlich nach dem Prinzip der Industrie 4.0 gearbeitet. Und das durchaus erfolgreich. So überzeugte das Gründerteam von Flexora aus Dresden zuletzt beim Sächsischen Gründerpreis. Durch das Bedrucken von Folien mit organischer Elektronik entwickelte das Start-up der TU Dresden neue Sensorfolien speziell für die Anforderungen der Industrie 4.0. Flexibel, gut konfigurierbar und leistungsstark – diese Eigenschaften zeichnen nicht nur die preisgekrönten Folien von Flexora aus. Sie können auch gut für die Anforderungen der Industrie 4.0 allgemein stehen.

Organische Elektronik, vernetzte Maschinen bis hin zur smarten Fabrik – die Zukunft wird auch hierzulande so aussehen. Allein können vor allem viele kleine und mittelständische Betriebe diesen gewaltigen Transformationsprozess nicht bewältigen. Das Sächsische Wirtschaftsministerium hat unter anderem deshalb bei Unternehmen konkret nachgefragt. Anhand von qualitativen Fallanalysen in insgesamt 60 Betrieben wurde untersucht, was alles schon geht in Sachen Zukunftsfabrik – und was eher noch Zukunftsmusik ist.

Strategien im Wandel

„Die Diskussion über Arbeitsgestaltung im Kontext von Digitalisierung erfolgt bei Firmenleitungen und Beschäftigten in der Regel noch immer stark technikzentriert“, heißt es unter anderem in der Auswertung der Befragung. Erst langsam entstünden in vielen Firmen konkrete Ideen und Konzepte. Dabei müsse klar sein, dass die Gestaltung guter Arbeitsbedingungen nur im Zusammenspiel von Technik, Organisation, Führungskultur, Weiterbildung, neuen Arbeitsformen und Mitbestimmung Erfolg haben könne.

Vielleicht gibt es noch keine „Smart Factory“, aber viele kleine „Smart Businesses“ zwischen Hoyerswerda und Zwickau. Das Wirtschaftsministerium jedenfalls hat im Rahmen der Studie zur „Industrie 4.0“ durchaus spannende Beispiele dafür gefunden. So setzt etwa die WätaS Wärmetauscher Sachsen GmbH aus dem Erzgebirge inzwischen stark auf digitale Prozesse im gesamten Arbeitsalltag – und hat dabei sowohl die Robotik als auch die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie im Blick. In Dresden hat Sattlermeister Thomas Büttner den 3D-Scan für Pferderücken fest in die Produktionsabläufe integriert und dafür das digitale Programm „Tomax“ entwickelt. Konkret erfasst ein Scanner über das Smartphone des Besitzers die Rückenpartie des Pferdes und übermittelt die Daten an „Tomax“, mit dessen Hilfe der Pferderücken digital nachgebildet wird. Insgesamt fünf Parameter – von der Schulter des Tieres bis zum 18. Brustwirbel – genügen, um den perfekten Sattel anfertigen zu können. Das spart Ross, Reiter und Sattler lange Wege, Zeit und Stress. Thomas Büttner will den Weg weitergehen. Um die Passform des „Tomax“ weiter zu perfektionieren, ist auch die Datenerfassung direkt am sich bewegenden Pferd geplant. Bei der Umsetzung hat sich der Handwerker Unterstützung von der TU Dresden geholt.

Ohne Netzwerke funktioniert die „Industrie 4.0“ nicht. Das gilt ganz praktisch für Datenverbindungen, aber auch für firmenübergreifende Netzwerke und Kooperationen mit der Forschung. Um das vielseitige Zusammenspiel von Digitalisierung und neuer Arbeit zu gestalten, brauche es Leitbilder und Strategien, heißt es derweil aus dem Ministerium. „Ganzheitliche betriebliche Digitalisierungsstrategien sollten gemeinsam mit den Beschäftigten und Betriebsräten entwickelt werden“, so Wirtschaftsminister Martin Dulig. Inzwischen gäbe es allerdings recht deutliche Hinweise darauf, wie die Leitbilder für die Arbeit 4.0 in Sachsen aussehen können – natürlich angepasst an die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort.

Sachsens Wirtschaft ist traditionell eher kleinteilig aufgestellt – das ist mit Blick auf Vielfalt und Flexibilität ein Vorteil, erfordert bei grundlegenden Veränderungen aber entsprechende – auch politische – Unterstützung und nicht zuletzt Öffentlichkeit für das, was Sachsen in Sachen „Industrie 4.0“ bereits kann. Die „Hightech Venture Days“, bei denen in diesem Jahr Start-ups aus ganz Europa über 200 Millionen Euro Risikokapital einwarben, sind ein gutes Beispiel dafür. Neben der Mikroelektronik und der Biotechnologie stand vor allem die „Industrie 4.0“ im Fokus der finanzstarken Investoren.