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Jeder vierte Azubi in Sachsen ist unzufrieden

Immer mehr Azubis machen regelmäßig Aufgaben, die nicht im Plan stehen. Nicht das einzige Problem, wie der Ausbildungsreport der DGB-Jugend Sachsen verrät.

Von Lucy Krille
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Nicht in allen Betrieben haben Azubis einen Ausbilder, der sich an den Plan hält. Mittlerweile muss mehr als jeder zehnte Azubi regelmäßig putzen, Kaffee kochen oder andere Hilfsarbeiten übernehmen.
Nicht in allen Betrieben haben Azubis einen Ausbilder, der sich an den Plan hält. Mittlerweile muss mehr als jeder zehnte Azubi regelmäßig putzen, Kaffee kochen oder andere Hilfsarbeiten übernehmen. © Jürgen Lösel

Es ist kein Geheimnis, dass Chefs und Chefinnen lästige Aufgaben gern an die Auszubildenden abgeben. Putzen, einkaufen oder Akten sortieren ist wenig anspruchsvoll und oft monoton, gehört zum Berufsstart aber oft dazu. Wenn diese ausbildungsfremden Tätigkeiten aber zur Regel werden, leidet die Qualität der Ausbildung. Genau das erleben immer mehr Auszubildende in Sachsen, wie der Ausbildungsreport des Gewerkschaftsbundes (DGB) Sachsen und der DGB-Jugend Sachsen zeigt.

Gaben im vorherigen Befragungszeitraum noch acht Prozent der Jugendlichen an, immer oder häufig ausbildungsfremde Tätigkeiten auszuführen, waren es 2022 zwölf Prozent. Mehr als jeder zehnte Azubi wird offensichtlich nicht nach Plan ausgebildet. Kontrollieren können die Jugendlichen das oftmals nicht. Viele kennen ihren Ausbildungsplan gar nicht, obwohl die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen dazu verpflichtet sind, den Plan auszugeben.

Dabei können es sich die Unternehmen nicht mehr leisten, schlecht auszubilden. Sie sind auf den Nachwuchs angewiesen. Fast die Hälfte der Unternehmen kann ihre Ausbildungsplätze nicht mehr besetzen. Das liegt zum einen an weniger Bewerbern und Bewerberinnen, aber auch an der Ausbildungsqualität. Längst gibt es mehr Ausbildungsplätze als Bewerbungen, sodass die Jugendlichen wählen können, wo sie arbeiten. Viele vermissen dabei aber die Orientierungshilfe. Vor allem Gymnasien leiten zu sehr auf ein Studium hin. „Es ist alarmierend: je höher der Schulabschluss, desto schlechter die Berufsorientierung“, sagt DGB-Jugendsekretär Vincent Drews.

Studie: Familie beeinflusst Entscheidung zur Ausbildung kaum

Die Gewerkschaft fordert von der Kultusministerkonferenz, einheitliche Standards für die Berufsorientierung aufzustellen und diese im Lehrplan zu verankern. Möglichkeiten wie etwa die Berufsberatung der Agentur für Arbeit sind laut Ausbildungsreport oft erfolgreich, doch sie werden zu selten von den Jugendlichen wahrgenommen.

Zudem seien Praktika wichtig, sagt Vincent Drews. Vor allem bei jungen Männern beeinflussen diese ersten Berufserfahrungen die Entscheidung für einen Ausbildungsberuf später stark. Dagegen wird es für die Betriebe immer schwieriger, Frauen für eine Ausbildung zu gewinnen. Sie orientieren sich eher in Richtung Studium oder zu einer schulischen Ausbildung etwa im Sozialwesen.

Für die Befragten, die sich für eine Berufsausbildung entschieden haben, zählten vor allem das Interesse am Beruf, die Nähe zum Wohnort und ein gutes Arbeitsklima. Nur fünf Prozent gaben an, die Ausbildung auf Wunsch der Familie gewählt zu haben, auch der Ruf des Berufs bei anderen spielte unter den Befragten kaum eine Rolle. Die Studienherausgeber gehen allerdings davon aus, dass diese Faktoren indirekt eine größere Rolle spielen als angegeben.

Jugendvertretungen bieten Hilfe

Im Betrieb angekommen, sind 75 Prozent der Befragten zufrieden mit ihrer Ausbildung. Die Ergebnisse seien erfreulicherweise auch über die Corona-Pandemie konstant geblieben, heißt es im Report. Allerdings wurden die Jugendlichen durch die zeitweisen Schließungen in einzelnen Bereichen ausgebremst.

Während unter den Mechatronikern und Mechatronikerinnen über 90 Prozent die Ausbildung positiv bewerten, sieht es in Dienstleistungsbranchen wie der Hotellerie und im Verkauf deutlich schlechter aus. Mehr als die Hälfte der Auszubildenden in diesen Branchen gab im Befragungszeitraum zwischen 2020 und 2022 an, mit der Ausbildung unzufrieden zu sein.

In solchen Fällen rät Alexander Kerwel, sich an eine Jugendvertretung im Betrieb zu wenden oder selbst aktiv zu werden. Nach Ergebnissen des Ausbildungsreports wechseln Auszubildende in Betrieben mit Jugend- und Auszubildendenvertretungen nachweislich seltener die Ausbildung oder brechen ab. Kerwel ist Vorsitzender Auszubildendenvertretung im Chemiewerk Wacker in Nünchritz, wo er eine Ausbildung als Elektroniker gemacht hat.

Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirk Sachsen, DGB-Jugendsekretär Vincent Drews (l.) und Alexander Kerwel vom Bezirksjugendausschuss der DGB-Jugend stellten am Freitag den Ausbildungsreport 2022 vor.
Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirk Sachsen, DGB-Jugendsekretär Vincent Drews (l.) und Alexander Kerwel vom Bezirksjugendausschuss der DGB-Jugend stellten am Freitag den Ausbildungsreport 2022 vor. © ronaldbonss.com

Auszubildende machen mehr Überstunden

Unternehmen sollten seiner Ansicht nach nicht nur den Ausbildungsplan einhalten, sondern auch frühzeitig mit den Auszubildenden über ihre Übernahme sprechen. „Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun“, sagt Kerwel. Mehr als die Hälfte der fast 600 Befragten wusste zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht, ob sie nach der Ausbildung übernommen werden. Für die stellvertretende Vorsitzende des DGB Sachsen, Daniela Kolbe, ist es „unverständlich, dass die Arbeitgeber keine Übernahmegarantien aussprechen“.

Die Gewerkschaft fordert zudem weniger Arbeitsbelastung für die Auszubildenden. Im Ausbildungsreport gaben fast 29 Prozent der Befragten an, regelmäßig Überstunden machen zu müssen - mehr als bei der vergangenen Befragung. Gerade in mittleren und kleinen Betrieben und in bestimmten Branchen wie der Hotellerie oder der Immobilienbranche arbeitet der Nachwuchs oft länger, teilweise auch ohne Ausgleich. Erfreulich sei, dass immer mehr Unternehmen überhaupt eine Ausbildung anbieten. „Dann müssen sie aber auch in die Qualität investieren“, sagt Kolbe.