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Dreiste Masche in Sachsen: Kupferdiebe klauen Ladekabel an Stromtankstellen

In Leipzig haben Polizisten Seriendiebe geschnappt, die Dutzende Kupferkabel stahlen. Um Nachahmer abzuschrecken, bilden sich mittlerweile breite Allianzen.

Von Andreas Rentsch
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Torsten Wanke fährt seit Jahren E-Auto. An der Suche nach den Kabeldieben in Leipzig hat sich der 58-Jährige intensiv beteiligt.
Torsten Wanke fährt seit Jahren E-Auto. An der Suche nach den Kabeldieben in Leipzig hat sich der 58-Jährige intensiv beteiligt. © Anja Jungnickel

Knapp 5.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte für E-Autos gibt es in Sachsen. Das immer dichter werdende Netz der Stromtankstellen lockt nicht nur zahlende Kundschaft an, sondern auch Kupferdiebe. In Leipzig hat die Polizei vor zwei Wochen zwei Verdächtige gefasst, die Dutzende Kabel im gesamten Stadtgebiet und im Umland abgeschnitten und entwendet haben könnten.

Der entstandene Schaden ist sechsstellig und um ein Vielfaches höher als der Wert des erbeuteten Kupfers. An der Jagd nach den Tätern haben sich auch verärgerte Besitzer von E-Autos beteiligt, die mangels eigener Wallbox auf öffentliche Ladestationen angewiesen sind.

Was genau ist in Leipzig passiert?

In der Stadt und im Umland hatte es seit Monaten immer wieder Kabeldiebstähle an öffentlichen E-Auto-Ladern gegeben. Täter wurden zunächst keine gefasst. Mitte Juli passierte es dann doch: Nachdem in Probstheida und im Stadtzentrum Kabel von insgesamt fünf Ladern verschwunden waren, sei es „mithilfe des geschädigten Unternehmens“ gelungen, eine Laube in einem Kleingartenverein als Versteck der Beute zu ermitteln, so die Polizei.

Und nicht nur das: In der Laube trafen die Beamten auch einen 40-jährigen Mann und eine 42-jährige Frau an. „Mittlerweile liegen konkrete Ermittlungsergebnisse vor, die auf eine ganze Diebesserie der beiden Tatverdächtigen hinweisen“, sagt Polizeisprecher Olaf Hoppe. Der Mann und die Frau sitzen jetzt im Gefängnis.

Mitglieder des Elektro-Stammtisches Leipzig, einer Gruppe passionierter E-Auto-Fahrer, gehen davon aus, dass von April bis Juli mehr als drei Dutzend Ladestationen abgeerntet wurde. Diese Zahl deckt sich in etwa mit den 34 Ermittlungsverfahren, die für diesen Zeitraum in den Polizeidatenbanken auffindbar sind.

Abgeschnittene Kabel an Ladestation: Der Materialwert des Kupfers ist überschaubar. Das hat die Diebe aber nicht abgehalten.
Abgeschnittene Kabel an Ladestation: Der Materialwert des Kupfers ist überschaubar. Das hat die Diebe aber nicht abgehalten. © Anja Jungnickel

„Die Täter müssen sich sehr sicher gewesen sein, nicht erwischt zu werden“, sagt Torsten Wanke, der Organisator des Stammtischs. Er und seine Mitstreiter hatten sich zwischenzeitlich selbst bemüht, die Täter auf frischer Tat zu ertappen. Welche Maßnahmen die Gruppe im Detail ergriffen hat, will Wanke aus taktischen Gründen nicht verraten. Grundsätzlich sei über die Monate ein Miteinander zwischen der örtlichen E-Auto-Community, den Ladesäulenbetreibern und der Polizei gewachsen. Wankes Botschaft an kriminelle Nachahmer: „Kabelklau lohnt sich nicht. Wir kriegen euch!“

Wie verbreitet ist Kabelklaus an E-Auto-Ladern in Sachsen?

Eine von Sächsische.de erbetene Auswertung des Landeskriminalamts (LKA), die den Zeitraum von Juli 2022 bis Juli 2024 umfasst, listet für 2022 kein einziges, für 2023 drei und fürs laufende Jahr 50 Ermittlungsverfahren in Sachsen auf. Für die Zeit vor Juli 2022 „können keine verlässlichen statistischen Angaben getätigt werden“, so LKA-Sprecherin Kathleen Zink. Das Gros der 2024er-Fälle geht wohl aufs Konto der jetzt gefassten Leipziger Diebe.

Außer den 34 Verfahren in der Messestadt hat es dieses Jahr sachsenweit nur noch 16 weitere gegeben: acht im Kreis Leipzig-Land, fünf in Nordsachsen und jeweils einen im Kreis Görlitz, in Dresden und Chemnitz. Dabei könne die Anzahl der beschädigten Ladepunkte höher sein als die Anzahl der Verfahren, so Zink.

Sind nur bestimmte Ladestellenbetreiber betroffen?

Nein, bei der Serie in Leipzig ließen sich keine Präferenzen erkennen. Die Stadtwerke, Tesla, Envia, Elli, Pfalzwerke, Comfortcharge, Lidl: Die Diebe seien nicht wählerisch gewesen, so Torsten Wanke.

Wie erkennen Autofahrer vorher, dass an einem Ladepunkt Kabel fehlen?

In den Lade-Apps würden die betroffenen Ladepunkte dann sofort mit dem Hinweis „in Wartung“ oder mit einer anderen Fehlermeldung versehen, erklärt Wanke. „Das sind auch die Hinweise, die wir nutzen, um neue entwendete Kabel zu finden.“

Wie versuchen Betreiber, ihre Ladesäulen besser zu sichern?

„Auf eigenen beziehungsweise privaten Flächen wird zukünftig wie an Tankstellen mit Videoüberwachung gearbeitet“, sagt Viola Martin-Mönnich vom regionalen Versorger Sachsen-Energie. Der Konzern mit Sitz in Dresden betreibt nach eigenen Angaben 658 öffentliche Ladepunkte an 299 Ladestationen.

Was kostet es, abgeschnittene Ladekabel zu ersetzen?

Das ist je nach Leistungsfähigkeit des Ladepunktes unterschiedlich. Bei ungekühlten Kabeln koste die Instandsetzung etwa 3.000 Euro und dauere zwei bis drei Stunden, sagt Martin-Mönnich. Zum Vergleich: Pro abgeschnittenes Kabel dürften Diebe beim Weiterverkauf etwa 50 Euro erlösen, schätzt Torsten Wanke. „Normalerweise lassen sich solche Kabel aber gar nicht auf legalem Weg weiterverkaufen.“ Schließlich müsse man beim Schrotthändler den Personalausweis vorlegen.